The Brew live in der Harmonie Bonn: ein Konzert, das einen zwiegespalten zurücklässt. Wir erleben geniale Momente, aber streckenweise leider auch Songs, die routiniert abgeliefert werden.
Von Dylan Cem Akalin
The Brew legen los, wie man’s von ihnen gewohnt ist. Volle Power, es gibt nur eine Richtung, und das ist lauter Rock ‚n‘ Roll. Jason Barwick trägt ausgelatschte braune spitze Schuhe, enge Jeans, Paisley-Hemd, Halstuch, die Haare wild. Keine Frage, der Gitarrist/Sänger sieht nicht nur aus wie ein Rockstar, er hat eine beneidenswerte Ausstrahlung. Das britische Trio, zu dem noch Tim Smith (Bass) und sein Sohn Kurtis am Schlagzeug gehören, liefert ab. Da spürt man eine Energie wie unter der Haube eines 300-PS-starken Pick-up-Trucks.
Toben und Springen
Und die Fans wollen es sehen, die „Windmühle“ a la Pete Townshend, das Gitarrensolo, das wie bei Jimi Hendrix hinter dem Kopf gespielt wird oder, in Anlehnung an Jimmy Page von Led Zeppelin, das Spiel mit dem Geigenbogen über die Saiten der Gibson Les Paul („A Smile To Lift The Doubt“). Sie wollen sehen, wie sich Jason Barwick auf der Bühne verausgabt, wie er springt und sich austobt, dass der Schweiß durch die Luft fliegt, wie die abgewetzten Marshall-Lautsprecher vor Lautstärke zittern, wie Kurtis Smith die Drums bearbeitet, die Stöcke zerbersten, wie er mit bloßen Händen Trommeln und Becken fast zerschlägt.
Und all das bekommen sie auch wieder zu sehen. Und doch: Die Gitarrensoli bei den ersten Stücken sind kurz und flüchtig, wenn auch die Band voll da ist, ihre Stärken klar demonstriert, das Spiel mit Rhythmen, mit Atmosphären. Sie bewegt sich immer weiter in Richtung 70er-Jahre-Psychedelic-Rock, der Blues bildet aber die feste Grundlage.
12-Minuten-Version von „Kam“
Der erste wirkliche Höhepunkt der gut zweistündigen Show am Montagabend ist dann „Kam“. Barwick greift zu einer abgerackerten, zerschundenen weißen Fender. Dieser klassische, glockenartige klare Sound der Fender ist einfach hinreißend. Langsam und gefühlvoll arbeitet er sich ans Thema heran, spielt schöne Akkorde dazu, bis die mit dicken Schlägel bearbeiteten Drums erklingen. Ein wunderbarer Song, der unbedingt auf jede Setlist gehört. Sein Solo beginnt er mit einem langen Tremolo, das zu melodischen Linien übergleitet. Barwick steigert sich immer weiter ins Spiel, er zieht und quetscht jeden Ton aus dem Gitarrenhals, die Töne zischen wie Wasserspritzer auf heißem Fett bis er in eine Bluespentatonik übergeht und dann die Band ganz plötzlich im Spiel erstarrt. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit bis der Song schlagartig weitergespielt wird. Nach der Aufnahme des Gesangsparts und einem Call-and-Response des Chorus mit dem Publikum spielt Barwick ein weiteres Solo, diesmal völlig wird und in Psychedelic-Manier, das er dann am Ende ganz sachte ausklingen lässt. Eine wirklich großartige, gut zwölfminütige Fassung.
Der nächste Höhepunkt folgte gleich beim nächsten Stück, zu dem er zur schwarzen Les Paul greift und ein fulminantes Solo spielt, größtenteils hinter dem Kopf.
Die Band drehte im Verlauf des Gigs immer weiter an den Lautstärkereglern, ich fand’s irgendwann einfach zu laut. Dann überlappen sich die Klänge zu einem Pudding, in dem man die Zutaten nicht mehr erkennt. Gut möglich, dass viele Fans auf diesem Ablauf und auf diesen Zutaten eines Brew-Konzertes stehen.
Auf ihren Alben zeigt das Trio, dass es mehr drauf hat, live erstarren sie zur Routine. Eine Weiterentwicklung kann ich da nicht entdecken, und das ist schade. Etwas mehr Risikobereitschaft, etwas mehr an Überraschungsmomenten würden der Band gut tun, sonst wird sie untergehen. Wer nicht bereit ist, sein Konzept immer wieder fortzuentwickeln, wird sein Publikum verlieren – nach dem Motto: einmal gesehen reicht. Und das wünsche ich dieser Band nicht. Sie hat eine Menge drauf, sie hat Herz und Seele und sollte das mehr ausspielen, so wie auch Jason Barwick sich mehr auf sein Charisma, seinen wirklich exzellenten Gesang und sein Talent an der Gitarre bauen sollte. Ich wünschte mir mehr Augenblicke, echter Emotionen, vielleicht auch mal ein Akustikset. Aber diese ausufernden Drumsoli braucht wirklich kein Mensch mehr. Also: Beim nächsten Mal bitte ein neues Konzept!