Als The 1975 im Oktober 2014 in Köln spielten, titelten wir, das sei “verwirrend schön” gewesen. Jetzt kommt die britische Indie-Rock-Band aus Manchester wieder nach Köln, und wir sind gespannt, wie es diesmal werden wird. Es ist übrigens der Nachholtermin vom 13.02.2017, die Karten bleiben gültig. Am Mittwoch, 21. Juni 2017, sind Matty Healy, Ross MacDonald, Adam Hann und George Daniel live im Palladium, Köln, zu erleben. (Einlass: 18:30 Uhr, Beginn: 20 Uhr, Tickets gibt es für 35 € zzgl. Gebühren). Die Alben gibt es bei Amazon: The 1975 und I like it when you sleep,…
Bevor Matty Healy abermals in den Kampf ziehen und sich dem Rest der Welt stellen konnte, musste er sich wohl oder übel erst mal einer anderen Baustelle widmen: dem Kampf gegen sich selbst. Was für eine Art von Kampf damit gemeint ist, das deuten die 17 Songs an, die The 1975 auf ihrem neuen Album I like it when you sleep, for you are so beautiful yet so unaware of it versammelt haben.
Themen wie Selbstbewusstsein, quälende Selbstzweifel, krankhafte Level von Introspektion und unaufhörliche Selbstverstümmelung spielen hier ganz offensichtlich eine Rolle, was auch für Kategorien wie Arroganz, Dringlichkeit, Leidenschaft, ja sogar Panikzustände gilt. Und obwohl eigentlich kaum noch Platz für weitere Gefühle bleibt (wobei: immerhin sind’s 17 Songs), kann man auch noch Begriffe wie Ambition, Erschöpfung, Erhebung und Niedergeschlagenheit in die Runde werfen. Ein enger Vertrauter der Band formuliert es so: „Matthew hat letztlich das, was jeder grandiose Frontmann hat: Ein riesiges Ego – gepaart mit einem mickrigen Selbstwertgefühl. Für einen Frontmann ist das eine Topmischung! Aber für die Psyche eines Individuums ist das ein hartes Los. Sein Selbstvertrauen ist beides: überdimensional riesig und hauchdünn zugleich. Er glaubt wirklich sehr an sich, er ist extrem belastbar, und seine Arbeitsmoral ist einzigartig, aber das alles wird von dieser dunklen Seite überschattet.“
Wenn Matty auf dem neuen Track „If I Believe You“ die Zeile „If I’m lost, then how can I find myself?“ singt, werden sich viele der Fans sofort damit identifizieren können. Denn die Beziehung zwischen The 1975 und ihren Fans basiert auf einer intensiven, innigen, fast schon an Telepathie grenzenden Verbindung: Auch deshalb erinnern die Konzerte dieser Band nicht selten an Veranstaltungen irgendeiner Erweckungsbewegung. Jedenfalls war es vor drei Jahren schon verblüffend, was für eine Anhängerschaft eine Band zu rekrutieren weiß, die bis dato lediglich im Internet vorkam – und nicht mal ein Album am Start hatte. Auch deshalb spürt man bei allem, was sie tun, dass The 1975, ganz egal, wie groß sie zwischenzeitlich geworden sind oder noch werden, niemals vergessen werden, wie wichtig genau diese Verbindung und diese Fanbase sind.
Allein der Gedanke, etwas Besseres zu sein, entfernte Pop-Ikonen, die für immer außer Reichweite bleiben müssen, ist für sie unvorstellbar: „Nun, wir haben halt Fans – und dann haben wir noch Fans. Was wäre der Sinn darin, sich selbst als etwas Besseres als sie zu verstehen? Schließlich entsteht diese besondere Kraft unserer Musik doch erst, weil sie emotional mitgehen und einfach verstehen, wie ich mich fühle. Ich habe meine Themen wie Sucht oder Selbstmordgedanken oder solche Dinge nie übermäßig dramatisiert oder daraus absichtlich einen Fetisch gemacht, aber zugleich hab ich sie auch nicht verschwiegen und ausgeblendet, und genau deshalb können sie sich mit uns identifizieren. Ich bin davon überzeugt, dass die Leute, was Musik ganz allgemein angeht, sich wirklich mit einer Sache identifizieren wollen. Denn was ist die Musik denn auch sonst noch? Bloß der Hintergrund-Sound für unser Leben? Musik ist viel, viel mehr als das. Sie ist alles!“
Eine Einstellung, die man in jedem Ton, jeder Zeile, jeder Melodie des neuen Albums spüren kann. Es scheint, als ob wirklich alles, was diese Band bisher erlebt hat, jeder Rückschlag und jeder Erfolg, sie an genau diesen Punkt geführt hat. Von den ersten Zeilen von „The 1975“, einer neuen Version jenes Tracks, mit dem sie schon ihr Debütalbum eröffnet hatten, bis hin zum rauen Akustik-Demo-Sound des abschließenden „She Lays Down“; von Mega-Ohrwürmern wie „Love Me“, „She’s American“, „The Sound“ und „This Must Be My Dream“ bis hin zu einfach wahnsinnig schönen Balladen wie „Change of Heart“, „Somebody Else“ und „Paris“, vom unglaublich zerbrechlich klingenden und ergreifenden Song „Nana“, den Matty über den Tod seiner Großmutter geschrieben hat, bis hin zu den dämmrigen, unheilschwangeren Selbsterforschungen namens „Please Be Naked“, „Lostmyhead“ und dem Titelsong, abgerundet mit qualvollen Bestandaufnahmen und noch mehr bedingungsloser Offenheit („Loving Someone“ und, was für ein Titel: „The Ballad of Me and My Brain“), zeichnet das Album eine Reise mit vielen Höhen und Tiefen nach: Es nimmt immer neue Wendungen, und gerade die unkonventionelle, aber genau deshalb so grandiose Reihenfolge der Songs – ganz zu schweigen von dem unfassbar langen Albumtitel – unterstreicht Mal für Mal, was diese Band so einzigartig macht.
Nicht nur die Ehrlichkeit springt einen an, auch die Tatsache, dass diese Jungs wirklich keinerlei Interesse an gängigen Formeln und den Mechanismen der Popmaschinerie haben. Als sich The 1975 im Jahr 2012 erstmals mit ihrer EP „Facedown“ zu Wort meldeten, war bereits klar, dass diese Band kontrovers diskutiert werden würde, ja dass manche sogar ein richtiges Problem mit ihr haben würden. Ihr Sound war unverschämt glamourös (einer von Mattys Lieblingsausdrücken), sie trugen ihr Herz ganz klar auf der Zunge, ja schütteten es regelrecht aus in Songs, die wie Beichten klangen, und dazu kam, dass die Musik dermaßen vielseitig war, dass einem schwindelig werden konnte. Mehr noch: Mit ihrem Frontmann hatte diese Band einen Sänger, der Konzertbühnen wie steile Abhänge behandelte, von denen es sich hinunterzustürzen galt.
In seinem Kopf mögen sich dichter Nebel und Momente überraschender Klarheit ablösen, dabei war ihm eine Sache schon immer klar: Nichts geht über Unerschrockenheit und Charisma, über bedingungslose Hingabe, wenn man ein guter Leadsänger sein will. „Niemals entschuldigen“, so habe das Mantra der Band schon seit langer Zeit gelautet, wie er berichtet.
Es stimmt, dass die vier Schulfreunde, die ihre Band vor 13 Jahren im südlich von Manchester gelegenen Wilmslow gründeten, ungewöhnlich nahbar und zugänglich sind im Umgang mit ihren Fans, aber was die Verteidigung ihrer kreativen Freiräume und ihren Umgang mit der Musikindustrie angeht, bleiben sie stets knallhart und sind noch nie auch nur einen Zentimeter von ihrer Position abgerückt. „Wir sind ganz klar ein Produkt unseres Umfelds“, beginnt Matty seine Ausführungen. „Wir sind wie Brüder, wirklich wie Brüder. Wir haben jetzt schon 13 Jahre zusammen in einem Raum verbracht. Und diese Band war einfach schon immer der Kern von allem.“ Eine Einstellung, die zum Teil wohl auch der Tatsache geschuldet ist, dass die Label jahrelang einfach nicht an ihnen interessiert waren: So etwas schweißt bekanntlich zusammen. „Es gibt da immer noch diesen Irrglauben, dass The 1975 es leicht gehabt hätten“, erzählt ihr Manager Jamie Oborne. „Dass sie einen fetten Vertrag unterschrieben und sofort danach einen Hit gelandet hätten.
Aber die Wahrheit sieht ja ganz anders aus: Keiner wollte diese Jungs unter Vertrag nehmen – kein einziges Label. Label, Agenten, Publizisten, sie alle machten einen riesigen Bogen um sie. Ich allein habe vier Jahre lang vergeblich versucht, irgendwen auf unsere Seite zu holen, um zumindest ein bisschen Support zu haben. Doch ich hörte immer wieder denselben Satz: ‘Wir verstehen die einfach nicht. Von Song zu Song klingen die einfach zu unterschiedlich – die vom Radio werden sie dafür hassen.’ Ich dachte bei mir dann immer: ‘Ja, nur ist es doch genau das, was sie zu so einer Hammerband macht!’ Das ist genau Mattys Mantra, das besagt, dass sie genauso Musik machen wollen, wie sie auch Musik hören.“
Als dann das gleichnamige Debütalbum der Band – veröffentlicht auf dem Indie-Label Dirty Hit, das Jamie nur für The 1975 gegründet hatte – im September 2013 den ersten Platz der UK-Charts erstürmte, fühlten sie sich natürlich in ihrer Vision bestätigt. Doch wichtiger war noch die Lektion, die sich ihnen damit ins kollektive Hirn gebrannt hatte: Wenn sie als Band etwas wirklich Bedeutungsvolles erschaffen wollten, mussten sie sich und ihrer Sache zu 100% treu bleiben, ihren Instinkten vertrauen und durften sich auf gar keinen Fall von ihrem Weg abbringen lassen.
10 Jahre voller Hoffnung und voller Enttäuschungen, voller Fehltritte und Startschwierigkeiten hatten die vier zu einer Einheit zusammengeschweißt und abgehärtet, und jetzt, wo das Ziel endlich in greifbare Nähe gerückt war, hatten sie nicht vor, ihren Kurs zu ändern. Diese blödsinnige „Die klingen einfach zu uneinheitlich“-Phrase hatten sie kurzerhand entkräftet, und wie sagt man so schön: wer zuletzt lacht, lacht am besten. Spricht man Matty darauf an, kann er sich kaum halten, weil seine Generation derartige Überzeugungen längst als prähistorisch abgetan habe, wie er meint: „Das unbedingte Festhalten an einer Sache, ganz gleich was, ist so was von unsinnig, ich würde nie im Leben auch nur auf die Idee kommen, das zu tun! Denn wenn mich etwas inspiriert, dann sage ich mir: Das nehme ich, das mache ich jetzt! Und wenn irgendwer ein Problem damit hat, nun, mir doch egal: Derartig starre Kategorien sind hinfällig und kein Mensch schert sich heutzutage noch darum.
Dazu kommt, dass es im Jahr 2016 einfach nichts mehr gibt, was wirklich neu wäre. Alles wurde schon gemacht, abgehakt! Man muss einfach versuchen, es besser zu machen als die anderen, und genau das haben wir auch gemacht. In meiner Generation hört doch keiner mehr nur einen Style, diese Linearität gibt’s einfach nicht mehr, und unser Songwriting reflektiert das. Heute hören die 15-Jährigen einerseits A$AP Rocky und zugleich irgendetwas, das am anderen Ende des musikalischen Spektrums liegt. Warum sollte man nur eine Art von Musik machen, wenn wir alle jede Art von Musik hören? Die Idee, dass es da feste Regeln geben könnte, ist wirklich absurd.“
Ein Statement, das zwar nicht das offizielle Manifest der Band ist, aber es sein könnte, wie sie auf I like it when you sleep, for you are so beautiful yet so unaware of it beweisen: Denn welche andere Band würde auf den radiotauglichen Pop-Einschlag und den Text von „She’s American“ ein Stück wie „If I Believe You“ folgen lassen? Letzteres kommt nämlich inklusive Gospel-Chor, Harfenklängen und eindringlichem Trompetenspiel daher; es ist eine bewegte Hymne über den Schmerz und existentielle Fragen. Die meisten Bands mit Major-Label-Verpflichtungen hätten einen Song wie „If I Believe You“ wohl im letzten Drittel des Albums versteckt, damit er nicht zu sehr auffällt, aber The 1975 machen da nicht mit: Hier, gleich neben „She’s American“, wirkt er noch krasser, weil der Kontrast zu den benachbarten Songs so unglaublich intensiv ist.
Auch auf den neuen Stücken schimmern ihre geliebten Achtziger-Referenzen durch: Anflüge von Peter Gabriel, Scritti Politti, INXS, Hall & Oates, Jam & Lewis oder auch Tears For Fears kann man da heraushören, aber zugleich gibt es andere Einflüsse, die sehr viel düsterer klingen. So zeichnet die Songs „Lostmyhead“ und das Titelstück „I like it when you sleep, for you are so beautiful yet so unaware of it“ eine Komplexität und eine flächige Weite aus, die man eher mit Sigur Rós verbinden würde. Sie zeigen am eindrucksvollsten, welchen Einfluss gerade George Daniel auf das neue Album hatte, der die Songs nicht nur produziert hat, sondern als Co-Songwriter an der Seite von Matty auch für die Arrangements verantwortlich ist.
Der Frontmann räumt ein, dass die Aufnahmesessions zum Teil ganz schön nervenaufreibend und intensiv waren, wobei jedoch auch der Spaßfaktor nicht zu kurz kam. Gerade zu Beginn der Arbeit seien er und George „beide am Ende gewesen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise am Ende“, so Matty. Ihnen saß die Tour noch in den Knochen, und auch der massive Erfolg des Erstlings entpuppte sich zunehmend als Belastung. „George und ich, wir zwei sind wie Brüder. Wir sind jahrelang nicht von der Seite des anderen gewichen. Wir ergänzen einander. Doch die Probleme, die ich zu der Zeit hatte, die führten dann doch dazu, dass wir zum Teil getrennte Wege gingen. Dadurch kamen dann auch seine Probleme wirklich zum Vorschein, was wiederum meinen ganzen Ballast noch erschwerte, und das war einfach eine echt harte Phase für uns. Daraus ist dann auch der Song ‘The Ballad of Me and My Brain’ entstanden. Rückblickend kann ich zwar jetzt schon sagen, dass das alles irgendwie okay war, aber es hat uns als Paar wirklich kaputtgemacht – denn genau das sind wir im Grunde: Ein Paar. Wobei der Abstand, den wir zwischenzeitlich voneinander hatten, ein echt wichtiger Faktor war für die Entstehung dieses Albums. Als es George dann besser ging, dieses Gefühl, als wir wieder zusammenfanden, das war, als ob man seine Ehefrau ein halbes Jahr lang nicht gesehen hat, sie dann vom Flughafen abholt und im Sonnenschein gleich weiterzieht und zusammen noch eine Runde Urlaub macht. Ja, ich weiß, das klingt vollkommen verrückt, aber so war’s.“
„Die Art und Weise, wie George und ich uns verständigen, das hat nichts mit Worten zu tun. Wir sprechen nicht, es ist eher wie Stenografie. Es gibt diesen Part in dem Song ‘Nana’, wo alles auf einmal aufhört, und ich weiß noch, wie George sagte: ‘Lass uns an der Stelle einfach eine Erinnerung einfügen. Das soll sich da so öffnen, deine Stimme verschwindet in der Ferne und du kannst eine Erinnerung einfügen stattdessen.’ Ich dachte nur: ‘Fucking hell!’ Wir haben häufiger so Momente, die wir ‘Phantome’ nennen: kleine Harmonien, Zwischenschläge, ‘ghost notes’, also bestimmte Momente, die durch das Überlappen von Harmonien mit anderen Elementen entstehen. Es ist sogar schon vorgekommen, dass ich zu George gesagt habe: ‘Den Part musst du lauter machen!’ und darauf er: ‘Aber da ist doch gar nichts, was ich lauter machen könnte.’“
Entscheidend sei bei diesen Sessions, so Matty, das gegenseitige Vertrauen gewesen, diese einzigartige Bindung, die schon seit der Schule zwischen ihnen besteht. „Natürlich gibt es da diese ganzen Produzenten-Berühmtheiten, aber ich finde deren Arbeiten wirklich nicht so spannend wie das, was George mit unseren Songs macht. Er sagt zwar immer, dass er keinen Schimmer hat, was er da eigentlich genau macht, aber ich würde dem hinzufügen: ‘Genau darauf basiert unsere Band nun mal, das ist ja das Großartige daran.’ Was wir gesucht haben war dieses Gefühl, das wir früher hatten, als wir einfach nur Musik gemacht haben, ganz organisch, ohne jeden Druck, ohne Angst, ohne zu denken ‘Das hier werden auch Erwachsene zu hören bekommen und die werden es wahrscheinlich nicht ausstehen können.’ Hat schon eine Weile gedauert, bis wir in der richtigen Stimmung waren, aber sobald wir unsere Welt um uns herum errichtet hatten – ein Studio, vier Wände, vier Monate, in denen wir einfach dort lebten –, stimmte einfach alles. Den qualvollen Teil hatten wir da schon mal hinter uns.“
Was die Songtexte angeht, verhandelt Matty darin die letzten drei Jahre mit all ihren Umbrüchen, Erfolgen, Verlusten und Veränderungen: von heimtückisch bis zärtlich, von erbarmungslos bis anmaßend, von selbstanklagend bis flehend und von selbstverliebt bis reumütig präsentiert er Auszüge dessen, was sich in den vergangenen 36 Monaten in seinem Kopf abgespielt hat. „Ich glaube, dass unsere Fans diese verletzliche Seite verstehen, weil sie letztlich ihre eigene Verletzlichkeit widerspiegelt. Sie erkennen sich selbst in diesem schrägen Eigenbrötler, der mit diesen Dingen flirtet und einfach viel zu oft danebenliegt. Früher dachte ich immer: ‘Wenn ich irgendwann einmal Erfolg haben sollte, dann habe ich Zutritt in diese coole Welt, dann werde ich einer von den anderen sein’, aber das bin ich nicht, weil ich immer noch ich bin: noch immer derselbe Idiot, dem immer noch die Nerven durchgehen, der sich immer noch ein bisschen verstellt, wenn er mit Fremden spricht. Hast du in der letzten Zeit mal mit zeitgenössischen Popstars abgehangen? Man steht neben ihnen und denkt: ‘Du hast ja ein hübsches Gesicht, aber was bitte hast du zu sagen? Und meinst du wirklich, du kannst mit jeder berühmten Person, die sich auf Instagram herumtreibt, befreundet sein?’ Früher hatte man bei den Grammys noch einen Paul Simon neben einem George Harrison und gleich daneben David Bowie. Genau für solche Typen waren derartige Veranstaltungen: Für Leute, die so hart an sich und ihrem Handwerk gearbeitet hatten, dass sie an einen Punkt angelangt waren, an dem man sie zusammen mit anderen Hochkarätern auf einem Foto sehen wollte, weil sie zusammen für etwas standen: Ein Ideal, auf das sie hingearbeitet und es schließlich auch erreicht hatten. Während man heute anscheinend nur ein iPhone und einen Plattenvertrag braucht…“
Andere Leute wirklich an sich heranzulassen, das sei nach wie vor ein Problem, gesteht Matty (und eine Reihe der neuen Songs verhandeln genau dieses Problem): „Es gab da diesen Punkt, an dem mich eine Ex-Freundin anrief und sagte: ‘Dir fehlt einfach alles, was du verehrst.’ Worauf ich nur ‘wow’ sagen konnte. Aber genau darin erkennt man mein Problem mit der Selbstfixierung: Weshalb bin ich so auf mich selbst fixiert, dass ich nicht mal eine Freundin haben kann… weil sie dann eine Art Botschafterin in meiner Sache werden könnte, was mir einfach nicht passt. Denn für mich kann es niemanden geben, der loszieht und sich als mein Botschafter ausgibt.“ Er lacht danach kurz, typisch für ihn, weil er sich damit selbst klein machen will, doch dann ergänzt er: „Was ich über Glück und Zufriedenheit gelernt habe, ist folgendes: Wer sich auf sein eigenes Glück konzentriert, hat es auf einen Sieg abgesehen, ohne sich überhaupt dem Kampf zu stellen.
Dabei ist der Weg dorthin das Ziel, nur darum geht es. Irgendwie klappt das bei mir mit der Zufriedenheit und dem Glücklichsein im jeweiligen Moment nicht so recht, denn oft verpasse ich dieses ‘Jetzt’ im Alltag, weil ich mich so sehr anstrenge, glücklich und einfach nur im Moment zu sein. Ich verpasse diese Momente einfach. Mir passiert das wirklich andauernd, es ist konstant ein Problem. Mein ganzes bisheriges Leben besteht eher darin, dass ich die Dinge im Nachhinein romantisiere und dann darüber schreibe.“
Besonders interessant wird’s jetzt, meint Jamie Oborne, weil „Matty ja ein ganzes Jahr lang nach innen geschaut hat, und jetzt ändert sich die Blickrichtung mit einem Mal: Er schaut wieder nach draußen und muss wieder das sein, was er selbst als den Verkäufer bezeichnet. Es gibt da also wirklich diese zwei gegensätzlichen Pole in ihm. Er arbeitet dermaßen intensiv an seiner Kunst, genau wie der Rest der Band, dass wir alle häufig dieses Problem haben, wirklich im Moment zu leben. Matty lebt sein Leben in diesen zwei Extremen: Entweder total vertieft in eine Sache oder aber chronisch am Dinge aufschieben. Diese Pole wechseln sich ab, es ist ein Kreislauf. Und hart mit sich selbst ins Gericht geht er immer. Je weiter wir kommen und ganz egal, wie oft er selbst dieses ‘Streben nach Exzellenz’, wie er das nennt, niedermacht und darüber schimpft, versucht er doch jedes Mal, noch besser zu werden, die ganze Band noch besser zu machen.“ (Melt! J&R)