The 1975 im Palladium Köln – ein echtes Erlebnis: Tolle Show, ausgeflippte Bilder und Effekte, eine großartige Band – und ein fantastisches Publikum, das feierte und jeden Song mitsang.
Von Dylan C. Akalin
Es war eine Mischung aus Pop-getriebenen Hymnen, dunklen Electro-Rock-Instrumentals, fesselnden Balladen und hellen Funk-Explosionen: Aber vor allem war es eine Riesenparty, die die Fans mit der britischen Indie-Band The 1975 feierten. Vor drei Jahren in der Live Music Hall schien alles irgendwie sparsamer inszeniert zu sein, jetzt im ausverkauften Kölner Palladium präsentierten die Jungs aus Manchester eine atemberaubende Show mit eindrucksvollen 3D-Effekten auf der Bühne.
Musikalisch bewegen sich die Briten immer mehr in Richtung funky Pop-Rock mit Elementen von INXS, Prince, Kraftwerk und vor allem der New-Wave-Ästheten Scritti Politti. Klar, die ersten Reihen sind voller Mädchen und junger Frauen, bei denen Matthew Healy, Sänger, Gitarrist und Songwriter, immer wieder Kreischalarm auslöst, und der durchaus charismatische Frontmann der Band gefällt sich in der Rolle des Dirigenten. Er weiß, bei welchen Bewegungen, Mimiken und Gesten die Mädels ausflippen. Und zu Beginn reicht es schon, als bei völlig dunkler Bühne und den getragenen Sounds plötzlich das gleißende Viereck, Symbol der Band, an der Decke aufleuchtet, um das ganze Publikum zum Jubeln zu bringen.
Healy kommt an diesem Abend ganz in Weiß, etwas zu kurzes Sweatshirt, damit die Tattoos auf dem durchtrainierten Bauch auch beim Tanzen zur Geltung kommen. Das weiße Käppi nimmt er später mit einer dramatischen Geste ab und schüttelt erstmal das lange Haupthaar. Kreischalarm. Irgendwie erinnert er manchmal auch an den jungen Anthony Kiedis von den Red Hot Chili Peppers.
Doch all diesen Spielereien zum Trotz ist die Musik doch ernsthaft gut. Der Opener „The 1975“ scheint poppiger arrangiert zu sein, so wie auch „Love Me“, dem etwas die Anarchie des Originals fehlt. Aber was für eine Inszenierung! Healy, George Daniel (Schlagzeuger und als Produzent wesentlich für den Sound verantwortlich), Gitarrist Adam Hann und Bassist Ross Macdonald stehen in der schwarz-weißen Silhouette einer Großstadt. „UGH!“ ist ja ein weiterer Top-10-Hit aus dem Album „ I Like It When You Sleep, for You Are So Beautiful Yet So Unaware of It”, mit diesem etwas zurückgelehnten Funk, mit scharfem Saxophon infundiert – das hätte Prince gefallen. Und dazu diese irren Verrenkungen von Healy.
Dann wird es wieder dunkel und es glüht im Nachtlicht Manchester im Hintergrund, stampfende Rhythmen, geometrische Figuren rasen über die Bühne und die Decke. Mit den etwas ruhigen Stücken „Heart“ und „A Change of Heart“ scheint die Band etwas mehr bei sich angekommen zu sein. Plötzlich ist ganz viel vom anfänglichen Sugarpop weg, es wird anspruchsvoller.
Bei „Medicine“ lassen die Basspedals den Schweiß auf der Haut tanzen, bei „You“ korrespondieren die elektronischen Bässe mit flötenhellen Sounds. Der Bass auf „I like it when you sleep, for you are so beautiful yet so unaware of it” ist so aufwühlende Art intensive, obwohl er sich doch so zurückhält, irgendwie auch sehr progressive-rockig, mit perlenden Sythies, die Säulen auf der Bühne verwandeln sich in rotierende Spiegelpfeiler, dann sieht man die drei Musiker alle wie in einem Scherenschnitt auf der Bühne, jeder an einem Keyboard, sehr Kraftwerkig.
Allein die manchmal zu langen Pausen zwischen den Stücken stören und nehmen doch etwas von der Energie raus, die durchaus rüberkommt. Klar, gibt es auch jede Menge Zwischenkommentare von Healy – zu Manchester, zu mehr Brüderlichkeit oder, ganz großartig, zur Dimension der Wahrnehmung, des Erlebens des Augenblicks. Ihm sei ja klar, sagt er zu den vielen, die ständig in ihr Smartphone starren und aufnehmen, dass sie den Moment dokumentieren wollten, in dem sie so viel Freude erführen, doch sei es doch viel intensiver, sich das Gefühl tief einzuprägen und den Moment nachdrücklich in sich selbst festzuhalten.
Ganz großartig: „Please Be Naked“ – überhaupt in diesen leisen Momenten zeigt die Band ihre Hingabe. Passend zu diesen ruhigen Klängen sieht man auf der Leinwand die Wasseroberfläche aus der Perspektive eines hinab in die Tiefe gleitenden.
Insgesamt ein erstklassiger Abend mit zwei Stunden Musik, viel Gelegenheit zum Springen und Tanzen, nachhaltigen Musikeindrücken und einer tollen Show. Sehr modern, sehr jung. Was fehlte? Vielleicht „Lostmyhead“. Sonst nichts.