Rock ‚n‘ Roll ist anstrengend. Und wenn man auch noch gegen Krieg und Gewalt singt, wenn man inmitten patriotischer Mengen den amerikanischen Präsidenten angreift, wenn man unerschrocken im Heiligen Land der Waffenträger für Frieden singt, dann laugt das selbst Rockveteranen wie David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young aus. Sie sehen jedenfalls ganz schon angeschlagen aus. Sie haben die 60 überschritten, das Haar ist weiß und auch nicht mehr ganz so voll wie einst bei Woodstock. Aber rocken können sie noch wie damals. Zu hören ist das alles auf der aktuellen CD, zu sehen auf der DVD.
Von Dylan Cem Akalin
Neil Young hatte ganz offenbar die Schnauze voll vom Säbelgerassel und patriotischen Geheule in den Medien und den großen Sprüchen von Präsident George W. Bush. Der Mann weiß, wie er seine Wut kanalisiert. Am besten in Musik. Das konnte er schon immer am besten. Also trommelte er nochmal seine Freunde von damals zusammen, so wie vor fast 40 Jahren. Da hatte das Kent-State-Massaker am 4. Mai 1970 an der Kent State University, bei dem die Nationalgarde des Staates Ohio während einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg vier Studenten erschossen und neun teils schwer verletzten, für massive Proteste gesorgt. Crosby, Stills, Nash & Young waren dabei, haben ihren epischen Song „Ohio“ geschrieben. CSN&Y gehörten zur Friedensbewegung der Vietnam-Ära, sie spielten auf dem legendären Festival in Woodstock.
2006 hatte Neil bereits mit „Living With War“ einen wütenden Protestschrei gegen den Irakkrieg und vor allem gegen Georg W. Bush herausgebracht. Lieder wie „Let’s impeach the President“ („Setzen wir den Präsidenten ab!“) selbst harte Young-Fans vor den Kopf gestoßen. Young hatte die CD zuvor im Internet veröffentlicht, „jeder konnte sie hören und sich herunterladen“, so der Musiker, der möglichst viele Menschen erreichen wollte.
Im Sommer 2006 ging er mit den alten Kumpanen auf Tournee durch die USA. Sie sangen die neuen Lieder und Stücke von früher, auch „Ohio“. Begleitet wurde die Band von dem Journalisten und Kriegsberichterstatter Mike Cerre, der während der Auftritte Interviews mit den Fans führte. Aus dieser „Freedom of Speech“-Tour ist nun der Dokumentarfilm geworden, der Young unter dem Pseudonym Bernard Shakey herausgebracht hat. „Crosby, Stills, Nash & Young – Déjà Vu“ ist kein reiner Konzertfilm, sondern viel mehr eine Dokumentation, die Stimmung eines Landes im Krieg beschreibt. Mitunter müssen die Vier Buh-Rufe übersingen, in Massen verlassen Fans schimpfend die Konzertsäle. Das Land ist gespalten und so reagiert auch das Publikum bei den Konzerten. Young fügt mitreißende Konzertausschnitte, Reaktionen des Publikums, Medien-Kommentare, Ausschnitte aus Nachrichtensendungen und Shows, Bilder vom Krieg sowie Aufnahmen von Konzerten und Protestbewegungen von früher zu einem komplexen Film zusammen. Das „Peace“-Zeichen hängt über der Bühne, die vier werden begleitet von Stephen Colbert am Schlagzeug und dem jungen Liedermacher und Irak-Soldaten Josh Hisle. Die alten Hippies tragen immer noch die Leidenschaft in sich, Protest und Rock ‚n‘ Roll gehören für sie zusammen. Eine starke DVD.
USA 2007, 96 Min., Original mit deutschen UT, Filmhaus (Sb); Regie: Bernard Shakey (= Neil Young); Buch: Young und Mike Cerre; Kamera: Mike Elwell; Musik: Neil Young; Mit David Crosby, Graham Nash, Stephen Stills, Neil Young, Stephen Colbert und Josh Hisle.