Spannend: „A Day At United“ von Mocky ist ein Drahtseilakt ohne Netz

Mocky am Piano FOTO: MARYROZZI

Eine diffuse melancholische Stimmung wie bei Filmmusiken aus den 60er Jahren, orchestrale Fusionmusik, die entfernt an Zappas Sleep Dirt-Phase erinnert, vermischt mit Referenzen an Thelonious Monk und die Frank Sinatra-Orchester-Ära.  So etwa könnte man A Day at United von Mocky beschreiben.

Dominic „Mocky“ Salole, 44, beschreibt, wie er die neun Stücke auf dem Album in zehn Tagen komponierte. Die Idee: Das Album an einem einzigen Tag aufzunehmen, in einem Stück, ohne technische Tricks. So wie es einst Musiker wie Miles Davis taten, von dessen epochalem Werk „Kind Of Blue“  mit John Coltrane und Bill Evans er sich inspirieren ließ. Es gab keine vorherigen, vorbereitenden Proben, und es sollten auch keine zwei Takes aufgenommen werden.

In den legendären United Recording Studios in L.A.

In den legendären United Recording Studios in L.A., wo schon Elvis und Frank Sinatra aufnahmen und Ray Charles sein „I can’t stop loving you“ produzierte, sollte das Album klar und ungekünstelt klingen, frei von technischem Schickschnack. Melodien und Songstrukturen wurden skizziert, zehn Freunde mit Saxofon, Perkussion, Congas, Bass, Gitarre, Flöte, Keys, Piano, Rhodes, Synthies und Bratsche zusammentelefoniert – und los ging’s.

Produzent und Songwriter

Es war das erste Mal, dass der Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist nicht alles unter Kontrolle hatte. Er selbst beschreibt, dass er sich so sehr darauf konzentriert habe, für jedes Instrument die Stücke aufzuschreiben, dass er überhaupt nicht an seine eigene Rolle am Schlagzeug vorbereitet gewesen sei. Unter Anleitung des Produzenten Justin Stanley (Prince, Beck, Leonhard Cohen, Paul McCartney) nahm das Ensemble die neun Stücke also in jeweils einem Take auf.

Mocky am Piano FOTO: MARYROZZI

Mocky ist eher bekannt als Produzent und Songwriter für Künstler wie Feist, Peaches, Jamie Lidell, Chilly Gonzales und Mary J. Blige, seine eigene Arbeit ist es weniger. Der aus der kanadischen Provinz stammende Musiker zog früh nach Ottawa und Toronto und dann nach London, Amsterdam und Berlin, wo er vor allem in der Subkulturszene einen Namen hatte. Seine Musik zeichnet sich durch Humor und die Kombination von Hip-Hop-Elementen und experimentellen Klängen aus.

Der Vogue erzählte er vor fünf Jahren, kurz nachdem er mit seiner Frau und dem gemeinsamen damals zweijährigen Kind nach Los Angeles gezogen war, dass Berlin eine wilde Erfahrung gewesen sei. „Hier entsteht eine völlig neue Musikszene, die in ihrer Blütezeit der Berliner Elektronikszene gleicht“, sagte er. Kurz nach seiner Ankunft in LA schrieb er Stücke, die den Kontrast zwischen Kunst und Geld thematisierten. Denn es habe einen „ziemlichen Kulturschock“ gegeben, als seine Frau, Desiree Klein, eine Designerin, ihr Sohn und er dort angekommen seien.

Kraft der Kreativität und der künstlerischen Vision

„Langsam erkannten wir jedoch, dass die Kraft der Kreativität und der künstlerischen Vision, die wir in Berlin entwickelt haben, in LA eine Nische und einen Zweck hat, dass zwischen diesen scheinbar abgelegenen Ecken des kreativen Universums ein kultureller Austausch stattfindet.“ Der Sohn eines Somaliers und einer Engländerin spielt seitdem jeden Monat mit unterschiedlicher Besetzung auf dem Dach des ACE Hotels in L.A..

Schöpferische Dringlichkeit

Mocky, L.A., Garden, Musician, FOTO: Yvonne Schmedemann

Mocky vergleicht sich nicht mit den Jazzgrößen, die im United mal aufnahmen , er bezeichnet sich ja nicht einmal Jazzmusiker. Wenn dies ein „Jazz“ -Album ist, dann aufgrund des Prozesses, der es hervorgebracht hat. Die Aufnahme war frei gestylt, die Stückle entstanden sozusagen in Echtzeit. „Ich ließ die Ideen in Echtzeit durch diese Gruppe von Künstlern filtern. Wenn Sie mehrspurig oder editierbar sind, wird die Absicht zu einer konzeptionellen Angelegenheit, die betrachtet und verfeinert wird. Bei United war es das über diese schöpferische Dringlichkeit. Für mich wachte sie eines Tages auf und hatte am Ende ein Album fertiggestellt.“

Und das funktioniert tatsächlich, wenn auch nicht durchgehend. Da sind Ansätze von melancholischen Jazz-Songs, da erklingen funkyge Piano-Hymnen, und natürlich ist vieles sehr Avantgarde. Faszinierend sich die herausgeschälten Melodien und das vielschichtige Composing. Vielleicht fehlt es dann aber doch an der einen oder anderen Stelle an einem instrumentalen Solo-Ausbruch. Das hätte das Projekt abgerundet. Dennoch: spannend.

Besetzung:

Mocky – Drums and Compositions
Miguel Atwood-Ferguson – Viola
Randal Fisher – Tenor Sax and Flute
Joey Dosik – Alto Sax and Flute
Aponte Poro – Congas and Percussion
Nia Andrews – Vocals and Percussion
Lucky Paul – Percussion and Electronics
Deron Johnson – Piano and Rhodes*
Mark De Clive-Lowe – Keyboards and Synths**
Harry Foster – Nylon String Guitar and Vocals ***
Brandon Eugene Owens – Acoustic Bass
* except 7 + 8
**Piano on 8, Rhodes on 7
***Clavinet on 5

 

Artist: Mocky
Album: A Day At United
VÖ: 9.11.2018

Label: Heavy Sheet
Vertrieb: Morr Music/Indigo

www.mockyrecordings.com