Man spürt die Liebe der Musiker zum Bebop der späten 1940er und 50er Jahre, zum Swing, zum Soundtrack des Film Noir. Jeder von ihnen hat seine eigene Band, doch zusammen nennen sie sich Modern Men: Matthew Halpin (Tenor Saxophon), Shannon Barnett (Posaune), die auch Mitglied der WDR Big Band ist, Pablo Held (Klavier), David Helm (Bass) und Jan Philipp (Schlagzeug) präsentierten ihre Musik erstmalig am Donnerstagabend beim „Jazz Trane“, die wöchentliche Konzertreihe im Studio 672, dem Club des Stadtgartens in Köln. Die Reihe des Jazzsaxofonisten Denis Gäbel soll die verschiedenen Spielweisen des Modern Jazz vorstellen, renommierten Bands und Musikern aus der Region eine Plattform bieten, ihre musikalischen Ideen und Konzepte vorzustellen.
Von Dylan Cem Akalin
Modern Men sind in ihrer Spielweise so vielschichtig, dass so manche Komposition wirkt, als bestünde sie aus mehreren Werken. Und das Quintett ist so gut aufeinander eingespielt, dass man kaum glauben möchte, dass sie nur gelegentlich zusammenkommen, um zusammen zu musizieren. Da ist ein unsichtbares Band zwischen den Musikern, das der Zuschauer nur erahnen kann, wenn er sie auf der engen Bühne des Clubs beobachtet. Was spielen sie sich da in ihren Soli zu, dass Barnett und Halpin beim Opener immer wieder ein Lachen unterdrücken müssen. Offenbar ein musikalischer Witz, den nur Eingeweihte verstehen können.
Tempiwechsel und wilde Ritte durch die Harmonien liebt die Truppe, vor allem Ersteres setzt sie immer wieder ein, was dem Auftritt natürlich eine ungeheure Spannung verleiht. „Wait For Love“ beginnt mit einer vom Piano getragenen geradezu melancholischen Melodie, wird von Barnett dann aber keck aufgewirbelt und dennoch in eine romantische Weise gedrängt, die gut zu einem alten amerikanischen Schwarz-Weiß-Streifen gepasst hätte.
Mit einem kaum aufzuhaltenden steigenden Spannungsbogen versetzt ist „Nathan’s Blues“ mit einem ganz zögerlichen Basssolo, bei dem Helm jede einzelne Note auskostet und ausschwingen lässt, lediglich von sparsamen Pianoakkorden begleitet, das sich dann strukturell vom Bass löst und wie gegenläufig ein Bluesthema entwickelt, die Bläser und das Schlagzeug setzen ein wie zu einem Trauermarsch und bauen das Stück auf, das klingt, als wäre es ein Stück Fusion in Zeitlupe.
Barnetts Komposition „Airspace“ (ihrer Mutter gewidmet) hat schon ein ziemlich schräges Thema, bei dem die fünf Musiker spielen, als wären sie aus einer kaputten Spieluhr gesprungen und müssten sich erst einmal ordentlich durchschütteln, um sich wieder einzupendeln.
Der titellose von Drummer Jan Philipp geschriebene Opener des zweiten Sets hat eine tänzerische Leichtigkeit, und Posaune und Saxofon steigen auch nur mit äußerster Zurückhaltung ein. In den Soli indes zeigen Barnett und Halpin indes überhaupt keine Hemmung mehr. Halpin ist ein faszinierender Saxofonist: Der 25-jährige Ire und Absolvent der renommierten Berklee College of Music in Boston hat trotz seiner jungen Jahre schon eine erstaunliche Schule hinter sich und lernte sein Handwerk unter anderem bei George Garzone, Joe Lovano, Ben Street, John Patitucci, der übrigens zeitgleich beim Jazzfest Bonn spielte, Danilo Perez, Jamie Oehlers, Rudresh Mahanthappa und Terri-Lynn Carrington. Er ist einer, der sich nicht nur aufs klassische Saxofon konzentriert, sondern auch experimentelle Freude bei der Tonerzeugung zeigt. Mal lässt er sein Tenor jauchzen wie ein Sopran, dann streut er ein ziehendes Jaulen ein, als wär’s eine E-Gitarre oder er begleitet Barnetts Solo, als wär er eine ganze Hornsection.
Und Barnett ist eine Posaunistin, die Geschichten erzählt mit ihrem Instrument, die Worte und Sätze herauszupressen scheint, Melodien pfeift und trillert – völlig im Reinen mit sich und ihrem Tonwerkzeug. Es ist manchmal auch ganz drollig, der jungen Australierin dabei zuzusehen, wie sie mit dem ganzen Körper arbeitet, Tönen mit einem Kick aus der Hüfte oder dem Knie noch eins mitgibt, um die Melodie trippelt und zu balancieren scheint.
Pablo Held spielt fast nur mit geschlossenen Augen. Die Ruhe selbst. Manchmal hängt er nur an einer Ecke des Hockers, gibt damit fast um, lümmelt am Piano, als säße er zu Hause am Küchentisch, um dann die großartigsten Läufe heraus zu zaubern aus dem abgewetzten Klavier des Clubs. Sein ersten Solo bei Carla Bleys Reverse-Interpretation von „Ida Lupino“, das bei Modern Men „OnipulAdi“ heißt, spielt er ein an Dramatik kaum zu überbietendes, sehr akkordbetontes Klavier, zu dem Philipp sein Schlagzeug angriffslustig beackert. Mit dem ruhigen, wiegenden, an Ornette Coleman erinnernden Stück „Seasicks“, von Shannon Barnett geschrieben, beendet die Formation den Abend – vor einem viel zu kleinen Publikum.