Die Lautsprecher und Verstärker sind weiß, Gitarrist Jake Kiszka, Bassist Sam Kiszka und Schlagzeuger Daniel „Danny“ Wagner sind ganz in Schwarz gekleidet. Lediglich Sänger/Frontmann Josh Kiszka kommt im exzentrischen goldenen Outfit. Er sieht aus wie ein durchgeknallter indischer Prinz, der es gewohnt ist, die Fäden zu halten. Immer wieder dirigiert er die Band, greift in die Luft, jongliert mit imaginären Luftblasen. Greta van Fleet bringen mit ihrem an die 60er und 70er Jahre angelehnten Rock ein wenig Hippie-Atmosphäre aufs Festival. Pinkpop hatte die Band vor vier Jahren schon mal zu Gast. Da haben wir sie im Zelt erlebt – als ziemliche Led Zeppelin-Ableger. Vor allem Josh Kiszka schien dem jungen Robert Plant sehr nachzueifern. Und Pinkpop 2022?
Von Dylan Cem Akalin
Als Greta van Fleet mit „Built by Nations“ starten, denke ich zunächst mehr als Humple Pie und Black Crows als an Led Zeppelin. Die Gibson SG klingt richtig schön classic-rockig bei „Black Smoke Rising“ und das Solo nach dem ersten Break spielt Jake Kiszka mit viel WahWah-Effekten, voll verzerrt und geht dabei leicht ins Psychorockige. Das ist ziemlich cool, was er da über den überspannten Gesang seines Bruders spielt. Der Gesang hat etwas mehr Vibrato, so wie es Roger Chapman oder Beth Hart gerne machen. (Weitere Fotostrecken)
Josh Kiszka tanzt nicht, er stelzt mit großen Schritten wie ein Storch auf der Bühne. Manchmal erinnert er aber auch an den jungen Roger Daltrey, ein wenig an Freddie Mercury als Parodie. Man ist ein wenig hin und hergerissen zwischen Begeisterung für die saubere Rockadaption der frühen Jahre und einer Irritation dieser gewissen Drolligkeit, die da immer wieder aufblitzt. Ist das wirklich authentisch, was die Jungs aus Michigan da machen? Als die drei Brüder mit ihrem alten Schulkumpel Danny Wagner 2012 Greta van Fleet gründeten, waren sie noch Teenager, die im Liquor Store nicht mal eine Dose Bier kaufen konnten. Dennoch haben sie die Rockszene mit ihrem Vintage-Hardrock begeistert. Zu Recht.
Wer den Rock der 1960er und 70er Jahre kennt, der wird während des Auftritts wohl ebenso viele Gedankenflashs gehabt haben wie ich. Hier klingt es nach Iron Butterfly, da („Lover, Leaver (Taker, Believer“) erinnert der Riff verdammt nach „Whole Lotta Love“, dann wieder etwas Humple Pie. Und das ausgedehnte Gitarrensolo auf „Lover, Leaver“ ist wirklich fantasiereich, während der Bass sehr dominant den Song vorwärtstreibt. Jimi Hendrix lässt recht freundlich grüßen, als er seine Gitarre schreien lässt im zweiten Teil des Songs, als er den Sound aus den Saiten schlägt, dass er nur so über den Platz schießt und man ihn mit dem ganzen Körper erfasst. Bei „The Weight of Dreams“ ist Jake Kiszka dann wieder ganz bei Jimmy Page, während der Gesang an eine Melodie von Lionel Richie unter LSD-Einfluss erinnert. Aber der Schrei, der stimmliche Ausbruch ist wieder ganz Robert Plant. Die Gitarre ist mittlerweile bei einer hymnischen Aussage angelangt und das Publikum ist schon völlig eingegroovt in den Song. Und dann kommt der Bruch, der alles, was die Band zuvor so engagiert aufgebaut hat, zusammenfallen lässt. Dieses episch lange Gitarrensolo. Der Mann weiß irgendwann nicht mehr, wo es lang geht, er verliert sich in absurden Wiederholungen, man möchte der Band zurufen: Helft ihm, lasst ihn nicht hängen. Aber Josh Kiszka scheint sich mit seinem Tambourin ganz in einen transzendentalen Zustand gespielt zu haben. Und der Bruder quält die Saiten bis wirklich einfach nichts mehr geht.
Dann kommt zum Schluss glücklicherweise noch mit „Highway Tune“ noch ein Shuffle-Psychedelic-Hard-Rock a la Led Zeppelin. Eine starke Nummer – mit noch einem zu langen Solo. Dennoch hat der Auftritt Spaß gemacht. Ich bin jedenfalls gespannt, in welche Richtung sich die Jungs noch weiterentwickeln.