Er ist der Großmeister der Nachtmahre, der Lehrmeister für blutige Schauershows, der Pionier des Shock Rock, jetzt kommt Alice Cooper mit Studioalbum Nummer 29 zurück. Und das Album deutet nicht im Geringsten darauf, dass der Mann sich auf sein Altenteil zurückzieht. Im Gegenteil. Das Album, das ab 25. August erhältlich ist, ist auch irgendwie eine Hommage an sich selbst, an einen Rockstar in seiner absolut besten Form. Die Band brennt geradezu auf „Road“, die Produktion ist glasklar, und die Texte sind wie immer voller Selbstironie.
Von Dylan Akalin
Wer Alice Cooper zuletzt mal live gesehen hat, weiß, was ich meine: Während andere Rockgrößen seiner Generation mit altersbedingten Stimmschwierigkeiten zu kämpfen haben, verblüfft Alice Cooper immer noch mit Kraft, Klarheit und erstaunlicher Stimmbeherrschung. Vincent Damon Furnier ist nicht nur Sänger, Songwriter und Musiker, er ist ein Spezialist der Inszenierung, der Mann weiß Rock und Theater (oder sollen wir sagen: Theatralik) mit Elementen der Operette und provokanten und oft makabren Themen zu kombinieren. Coopers Auftritte beinhalten oft aufwändige Bühnenshows, aufwendige Kostüme und theatralisches Make-up und schaffen so ein einzigartiges und visuell fesselndes Erlebnis für sein Publikum. Und dafür braucht er diese Musik. Beim Hören des neuen Album hat man die ganze Zeit diese Live-Vorstellung. „Road“ ist eine einzige Show – beginnend mit „I’m Alice“ von Ryan Roxy bis „Magic Bus“, ein Cover von The Who. Und das ganze Album dreht sich über das Leben auf der Straße, das Leben auf Tour.
„Welcome To The Show“
„I’m Alice“ erinnert durchaus an den Alice-Cooper-Stil der 70er-Jahre mit den fetten Riffs und der ausladenden Melodie. Die Sprechgesang erinnert an Vincent Price oder sogar etwas an die Rocky Horror Picture Show. Es macht klar, dass uns Alice Cooper durch eine magische Theaterwelt führen wird, insbesondere mit dem folgenden Stück „Welcome To The Show“, in dem die Gitarre an die 80er erinnert: „Are You Ready To Ride To The Other Side?“
Das blues-rockige Riff am Anfang von „All Over the World“ vermittelt wieder das 70er-Jahre-Feeling, vor allem mit dem Chorus, der geeignet ist, im Stadion laut mitzusingen – ein guter Classic-Rock- Song. „The Dead Don’t Dance“ startet mit einem fulminanten Gitarrensturm und diesem brüllenden Gesang. Der Song lebt von diesem höllisch eingängigen Druck der Band, von schäumenden Gitarren und der Balance von Schönheit und Brutalität.
Starker Rock’n’Roll mit sarkastischem Gesang: „Go Away“ geht ab von Null auf hundert und traibt zum Tanzen und Headbangen an. Wenn Alice Cooper einen Song „White Line Frankenstein“ betitelt, ist doch klar, was kommt: Ich freue mich schon auf die Live-Performance. Schon der Refrain, der zum Faust ausstrecken aufruft…
„Big Boots“ könnte von Zappa sein
„Big Boots“ lebt wieder von diesen entfesselten Gitarren und einem hackenden Klavier – und vom geradezu Zappa’esken Humor: „Big Boots ist der lustigste Song des Albums. Die Band hält an einem Imbiss an und das Mädchen kommt herbei. Und sie ist wirklich süß. Und sie kommt aus dem Süden. Und sie redet ein bisschen so. Ihr Name ist Fancy. Und der Typ sagt: ‚Wow, sie hat große Stiefel.‘ Das ist mein Lieblingslied auf dem Album“, sagt Alice Cooper selbst zu dem Song.
In „Road Rats Forever“ geht es drum, wie man ein Rockstar wie Alice Cooper wird. „Road Rats Forever“ ist ein Remake des Songs „Road Rats“.
Und auch eine Ballade befindet sich auf diesem Longplayer: „Baby Please Don’t Go“ ist eine erstaunlich untypische Alice-Cooper-Nummer mit einem entfernten Countrytouch.
In „100 More Miles“ geht es darum, dass die letzten 100 Meilen einer Tour sich wie 1000 Meilen fühlen. Der Song beginnt orchestral und wie ein kleiner Song, den man in einer Bar als Rauswerfer spielt. Aber dann bricht der Track aus der kleinen Blase und wird immer größer, ein fantastisch geschriebener und arrangierter Song.
„Magic Bus“
Der letzte Track „Magic Bus“ startet mit fetten Gitarren und bündelt alle Kräfte, um dann doch wie eine Mischung aus Beatles-Song und vorantreibender Hardrock-Song weiterzutreiben.
„Road“ beweist mal wieder, dass Alice Cooper immer noch gut für Qualität und Überraschungen ist. Und doch sind die Hauptmerkmale seiner Musik wieder zu erkennen: Da sind die theatralischen und dramatischen Elemente, die sich wieder in seinen Live-Auftritten widerspiegeln werden. Wir hören die Hardrock- und Glam-Rock-Einflüsse, und es ist vielleicht kein Konzeptalbum wie „Welcome to My Nightmare“ oder „The Last Temptation“, aber es hat einen thematischen roten Faden. Alice Cooper schafft wieder erzählerische Musikerlebnisse. Und zuletzt gibt es wieder Songs, die im Ohr hängen bleiben. Ein tolles Album.