„Sky Trail“ von David Crosby ist eine wunderschöne Herzensangelegenheit

David Crosby FOTO: Promo/Henry Diltz

Hey, was ist das? Ein neues Album von Steely Dan? Nein, das ist „Sky Trails“ von David Crosby. Croz zeigt sich teilweise von einer anderen, etwas leichten, jazzigeren Seite. Und der 76-Jährige hat es immer noch drauf. Es ist sagenhaft, welche Qualität der Mann mit dem markanten weißen Schnäuzer immer noch in seiner Musik hat, und das obwohl es schon sein drittes Album seit 2015 ist. „Sky Trails“ kommt an diesem Freitag, 29. September 2017, in den Handel.

Von Dylan Cem Akalin

Aber da ist noch ein sehr starker Einfluss. Vielleicht ist es auch eine weitere späte tiefe Verbeugung vor einer der größten Singer/Songwriterin unserer Zeit. Crosbys Version von dem wunderschönen Lied „Amelia“ von Joni Mitchell ist einfach hinreißend. Eintauchen und träumen. Überhaupt schwingt viel Joni auf diesem Album mit. Rhythmisch, lyrisch, musikalisch. Immerhin hat er Jonis erstes Album produziert. Sie sind seitdem eng befreundet.

Und er wäre ja nicht Croz, wenn er nicht auch aktuelle Themen aufgreifen würde. So wie bei „Capitol“. Da nimmt er die gewählten Herrschaften ins Visier. Sie, meint die Woodstock-Legende wütend, nähmen ihren persönlichen Vorteil wichtiger als ihre Pflicht gegenüber dem Volk. “They come for the power, for the power they stay,/They’ll do anything to keep it that way.”

Auf Twitter hatte er schon einen Song über den “unwürdigen Kongress” angekündigt. Den Song hat das Gründungsmitglied der Byrds und Crosby, Stills, Nash & Young übrigens mit seinem Sohn James Raymond zusammengeschrieben, den er in den frühen 60er Jahren zur Adoption freigegeben hatte. Dabei beginnt er eigentlich sehr harmlos, die Wut liegt mehr in einer spürbaren Zurückhaltung in der Stimme, die jeden Augenblick droht zu explodieren. Das macht die Spannung in dem Song nur noch stärker.  „Unser Kongress hat die niedrigste Zustimmungsrate in der Geschichte, weil sie absolut nichts tun, außer, ihre eigenen Taschen zu füllen. Es gibt niemanden in Washington, der für dich arbeitet. Es ist eine Korporatokratie, und das ist nicht okay“, sagte Crosby in einem Interview mit Variety.

Der Mann, der zweimal in die Rock & Roll Hall of Fame aufgenommen wurde, ist aber immer präsent, egal in welche Richtung der Song geht, Crosbys klares Stimmvolumen haut den Zuhörer nach wie vor um – auch wenn der erste Song auf dem Album („She’s Got To Be Somewhere”) tatsächlich erst einmal überrascht. Kräftigen Bläser, bewegte Gitarren und eine swingende Melodie lassen wirklich sofort an Steely Dan denken: „Wir haben das nicht bewusst gemacht”, sagt Crosby. „Es zieht uns ganz einfach in die Richtung, in die Donald [Fagen] geht. Ich habe Steely Dan von der ersten Note an geliebt.”

„Wir”, das sind Crosby und die Sky Trails-Musiker, im Kern sind das Saxophonist Steve Tavaglione, Bassist Mai Agan, Drummer Steve DiStanislao, und eben Crosbys Sohn, der Multi-Instrumentalist James Raymond, der das Album auch produziert hat. Aber dieser Steely Dan-Bezug ist schon frappierend – inklusive der wie beiläufig, aber sehr effektiv eingeworfenen Gitarrenvermerke. Und der Titeltrack ist wie ein zierliches Duett zwischen Simon & Garfunkel und Joni Mitchell, wobei dieser Eindruck besonders durch diese bewegend schöne Stimme von Becca Stevens und dem Sopransaxofonspiel verstärkt wird.

Vielleicht ist das Album auch so was wie eine Herzensangelegenheit, ein Album, mit dem Crosby seine vielen Seiten, seine Liebe zu unterschiedlichen Stilen auslebt. „Curved Air “ kommt etwa mit einer klaren Flamenco-Gitarre, die Raymond mit Keyboards und subtilem Gebrauch eines Vocoders unterlegt, während „Here It’s Almost Sunset” von Mitchells 1982er Album „Wild Things Run Fast“ sein könnte, wobei Steve Tavaglione den aufregenden Sopran-Saxophonpart von Wayne Shorter übernimmt. Ich musste wirklich nochmal aufs Cover sehen, um mich zu vergewissern, dass es kein Joni-Mitchell-Werk ist. Aber es ist tatsächlich frappierend, wie gut Crosbys helle, klare Klangfarbe zu Joni passen würde.

„Sell Me A Diamond“ ist so ein himmlischer, typischer Croz-Song, mit Stellen, in denen er mehr zu erzählen als zu singen scheint, die Leidenschaft im Chorus, die wir von ihm kennen. Ein wunderschöner Song!

Der letzte Track auf Sky Trails ist das  fein strukturierte “Home Free”. Der Song funktioniert wundervoll ganz für sich allein, Crosby schrieb ihn aber für „Little Pink House“, einen Film, der auf der wahren Geschichte von Susette Kelo, einer Frau aus Connecticut, basiert. Nachdem sie ihr geliebtes kleines Haus umgebaut hatte, wurde Kelo von der Regierung mit einem Enteignungsverfahren zur Räumung gezwungen, da Pfizer auf ihrem Grundstück ein Werk hinstellen wollte, das am Ende niemals gebaut wurde. Sie klagte dagegen beim Obersten Gerichtshof und verlor. Crosbys Freund Jeff Benedict schrieb ein Buch über den Fall, und als das Buch verfilmt wurde, bat er Crosby darum, einen Song beizutragen. Seine verwundbare, ungeschützte Stimme ist ein wahrer Segen für den Film.

 

Album: “SKY TRAILS”
VÖ: 29.09.17 durch BMG / Warner bei Amazon