Miles Davis: The Bootleg Series, Vol.7 – That’s What Happened ist ein Muss für jeden Jazzfan oder jeden, der sich für die Entwicklung der Musik von Miles Davis interessiert. Diese Sammlung aus drei CDs enthält unveröffentlichte Aufnahmen aus den Sessions zu den Alben „Star People“, „Decoy“ und „You’re Under Arrest“ des Trompeters, darunter etwa drei sehr unterschiedliche Versionen von „Celestial Blues“. Die dritte CD ist ein Live-Mitschnitt aus dem Theatre St. Denis Montreal aus dem Jahr 1983 mit seiner damaligen Band in Bestform. Die Tonqualität der Aufnahmen ist ausgezeichnet und fängt die rohe Energie und Aufregung einer Live-Performance ein.
Von Dylan C. Akalin
Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als Miles Davis 1981 mit dem Album „The Man with the Horn“ wieder auf die öffentliche Bühne zurückkehrte. Ich erlebte dieses dem Leben und der Energie zugewandte Aufnahme mitten im pulsierenden Manhattan. Danach folgten neue Alben für Columbia: Star People (1983), Decoy (1984) und „You’re Under Arrest“ (1985).
„Star People“ markierte eine Abkehr von Davis‘ früheren, eher elektronisch beeinflussten Alben und sah den Trompeter zu einem traditionelleren Jazz-Sound zurückkehren. Das Album enthält eine talentierte Gruppe von Musikern, darunter den Saxophonisten Branford Marsalis und den Gitarristen John Scofield, die zusammenarbeiten, um einen dynamischen und zusammenhängenden Sound zu kreieren. Der Titeltrack „Star People“ sticht heraus, mit einer pulsierenden Basslinie und komplexen Rhythmen, die sich zu einem rasenden Höhepunkt aufbauen. Das Album enthält auch die wunderschöne Ballade „Come Get It“, die Davis‘ Fähigkeit, eindringlich schöne Melodien zu kreieren, demonstriert.
Auf „Decoy“, das im folgenden Jahr veröffentlicht wurde, experimentierte Davis erneut mit elektronischen Sounds und integrierte Elemente aus Rock und Funk in seine Musik. Das Album bietet einen aggressiveren, kantigeren Sound als „Star People“, mit Songs wie „Decoy“ und „That’s What Happened“ mit verzerrten Gitarren und treibenden Rhythmen. Das Album enthält auch die eindringliche Ballade „Code M.D.“, die Davis‘ lyrisches Trompetenspiel zeigt.
„You’re Under Arrest“
„You’re Under Arrest“ ist vielleicht das umstrittenste der drei Alben. Auf dem Album greift Davis populäre Songs der Zeit auf, darunter Michael Jacksons „Human Nature“ und Cyndi Laupers „Time After Time“. Das Album wurde von einigen Jazzpuristen wegen seiner kommerziellen Anziehungskraft kritisiert, aber es half auch dabei, Davis‘ Musik einem neuen, jüngeren Publikum zugänglich zu machen. Das Album bietet eine breite Palette von Stilen, vom funky „Can I Play With U?“ zur romantischen Ballade „You’re Under Arrest“.
Alle drei dieser Alben zeigen wiedermal Davis‘ Fähigkeit, sich ständig weiterzuentwickeln und mit seiner Musik zu experimentieren. Vom traditionellen Jazz-Sound von „Star People“ über den aggressiveren, elektronisch beeinflussten Sound von „Decoy“ bis hin zum pop-beeinflussten Sound von „You’re Under Arrest“ hat Davis immer die Grenzen des Genres verschoben und neue musikalische Ideen erforscht. Seine Bereitschaft, Risiken einzugehen und neue Sounds und Stile zu akzeptieren, ist einer der Gründe, warum seine Musik bis heute so einflussreich und relevant ist.
Outtakes aus dieser Zeit
Umso spannender sind daher die Outtakes aus dieser Zeit. Miles setzt stark auf das Zusammenspiel von Trompete und Keyboards und bietet Versionen von „Santana“ und „Celestial Blues“ an, die emotional viel roher sind als die Interpretationen auf „Star People“. Die Soli des Saxophonisten Bill Evans erhalten freien Raum zum Atmen und interagieren mit Davis‘ dramatischen, fast lautlosen Tönen. Noch roher und purer sind die spannungsgeladenen Aufnahmen von „Freaky Deaky“ an. Diese 1983er Decoy-Sessions wurden von Miles mit Darryl Jones’ Flywheel-Bass und Perkussionisten Mino Cinélu’s Kicks und Chinks produziert und stammen von einer Kassettenaufnahme mit freundlicher Genehmigung des Gitarristen John Scofield, wie man aus dem üppigen 50-seitigen Booklet erfährt. Es beinhaltet zudem Fotos und aufschlussreiche Essays von wichtigen Davis-Mitarbeitern und Kritikern, darunter dem verstorbenen Gregory Tate, dem diese Veröffentlichung gewidmet ist.
Die unveröffentlichten Takes aus den „You’re Under Arrest“-Sessions zeigen, wie er Tina Turners „What’s Love Got to Do with It“ mit seiner gedämpften Trompete spielt, ein Sound wie geschmolzener Stahl. Davis‘ lange geliebtes „Theme from Jack Johnson“ erfährt ein schroffes Funk-Revival, und Marcus Millers düsteres „Hopscotch“ sorgt in einer langsamen Version und einer frenetischen Version für Begeisterung beim Zuhörer.
Die Live-Aufnahme aus dem Theatre St. Denis in Montreal aus dem Jahr 1983 präsentiert das Ensemble aus Davis, Scofield, Evans, Jones, Cinélu und dem Schlagzeuger Al Foster. Die Energie, die von der „Star People Band“ ausgeht ist greifbar. Ausschnitte aus „Speak (That’s What Happened)“ und „What it Is“ finden sich auf „Decoy“ wieder, aber der Rest dieses energiegeladenen 80-minütigen Konzerts ist erstmals als Aufnahme erhältlich.
Der einzige personelle Unterschied zu den Star People-Sessions auf Disc 1 ist, dass Darryl Jones den Bass übernimmt. Davis‘ Spiel ist stark, und er bildet mit Evans und Scofield eine starke Kampftruppe für die aus Blues, Funk und treibenden Rhythmen bestehende Musik. Der Saxophonist und der Gitarrist bekommen dazu viel solistischen Raum. Scofields bissiges, bluesiges Solo im knallenden Opener „Speak (That’s What Happened)“ und ein weiteres in „It Gets Better“ sind atemberaubend. Evans, der zwischen Sopran, Tenor und Flöte hin und her wechselt, ist eine ebenso starke Kraft.
„Star People“
Die langsamen Blues-Nummern „Star People“ und „It Gets Better“ finden einen ungedämpften Davis in grandioser Form – seine Kraft, seine Beständigkeit in seinem Ansatz sind fast wieder auf ihrem Höhepunkt. Auch beim schnellen „What it Is“ oder seinem feurigen Intro zu „Hopscotch“, das zeitweise etwas perkussiv entgleist, gibt es kein Zurückhalten.
Alles in allem ist Miles Davis: The Bootleg Series, Vol.7 – That’s What Happened eine fantastische Ergänzung für jede Miles Davis-Sammlung und ein Beweis für das musikalische Genie eines der größten Innovatoren des Jazz. Sehr empfehlenswert.