Von Dylan Akalin
Um 14.52 Uhr gibt es den ersten Ausfall. Strom weg auf der Hauptbühne Utopia bei Rock am Ring 2023. Kein Problem für Tatiana Shmailyuk und die Band Jinjer. Die Metallband aus Donezk, Ukraine, sind sicher Ärgeres gewohnt. Der Start ihres Konzerts hätte kaum besser sein können. Klare Arpeggios wechseln sich mit Brachialriffs ab. Und der Text von „Perennial“, den die Sängerin abwechselnd growlt und singt geht unter die Haut. „This autumn feels like funeral to me“, brüllt sie. Und die Band hätte keinen besseren Opener wählen können: „So please, come back to celebrate this festival of life!“, singt Tatiana. Im Publikum ist eine ukrainische Fahre zu sehen. „We stand with the Ukraine“, steht da.
Jinjer ist kaum in eine Schublade zu stecken. Die Musik ist ein Schmelztiegel aus Progressive-Metalcore, Djent und Nu-Metal, bisweilen erinnern die Harmonien und schrägen Gitarrensounds an die frühen Korn. Dass Tatiana bei „Colossus“ noch von einem Bühnenende zum anderen rennen kann und dabei singt, ist beeindruckend. Die Stimmbänder fordern bei „Call Me a Symbol“ wirklich alles: Erst Grolen, dann ein hoher Schrei, dann klarer Gesang.
Gitarrist Roman Ibramchalilo, Bassist Eugene Abdjuchanow und Drummer Wlad Ulassewytsch sind für die technisch makellose Instrumentierung zuständig. Die Band ist eine wahre Naturgewalt, die Wucht müsste eigentlich jede Truppe wegblasen. Die Menge singt die Refrain mit, Moshpits bilden sich, die Energie ist da.
Die Texte muten teilweise fast etwas surreal an. „Vortex“ erinnert an einen unruhigen Traum. Den linken Schuh trägt man am rechten Fuß und finden einfach den Ausgang nicht. Wind brandet auf, ein Drumgewitter leitet in „I Speak Astronomy“ ein. „Sag mir, warum bist du so misstrauisch“Wenn du schwarze Löcher in meinen Augen siehst?“, fragt Tatiana mit wildem Blick. Ein verrückter Text, der zu einem Stanley Kubrick-Film passen würde. Jinjer haben ein Zeichen gesetzt. Fantastischer Auftritt!