Rock am Ring 2022: Placebo, Deftones, Casper und mehr

Deftones FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Einfach magisch. Als die untergehende Sonne kurz nach 21 Uhr sich durch die Schleierwolken über der Eifel kämpft, liegt ein goldener Glanz über dem Festivalgelände. Auf der Hauptbühne spielt gerade Placebo, die ihren Blick über die Menge bis zum beleuchteten Riesenrad schweifen lassen können. Teil 3 der Reviews über den zweiten Rock am Ring-Tag.

Von Dylan Cem Akalin

Das Set dominierten Stücke vom brandneuen Album „Never Let Me Go“. Als Placebo das Album kürzlich in ihrer Heimatstadt London, in Islington, vorstellten, gab es noch ein strenges No-Phone-Gebot. Das war diesmal zwar nicht der Fall, dennoch durften die Fotografen nicht vom Bühnengraben aus fotografieren. Brian Molkos sanfter Gesang erobert das Herz des Publikums im Sturm. Bei „Forever Chemicals“ klingt er zeitweise sogar fast ein wenig wie Siouxsie Sioux.

Placebo FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Molkos Gesang bleibt über den schleppenden Rhythmen der ersten Stücke genauso berauschend und engelsgleich wie auf den Alben. Das ist wirklich erstaunlich. „Beautiful James“ liegt vom Timing ähnlich wie das erste Stück, „Scene of the Crime“ erreicht eine Spannung durch die Gegensätze von relativ stoisch gespielten Drums und dem eindringlichen Gesang. Bei „Happy Birthday in the Sky“ wechseln sich schwere Riffs und lichte Passagen ab, bei der hymnischen Gitarre gehen wohl jedem das Herz auf. Fast wie ein inniges Gebet erscheint „Bionic“. „Surrounded by Spies“ beginnt mit merkwürdig-rätselhaften Sounds, als würden Tiere aus der Vergangenheit schreien. Der teilweise etwas surreal wirkende Text über Sinnsuche und die Angst vor Überwachung singt Molko mit Hingabe. Seine helle Singstimme hält aufmagische Art alles zusammen, egal ob es einfache Rock-Rhythmen, kräftige Punk-Akkorde, tanzbarer Alternative oder Avantgarde-Sounds sind.

Deftones

Placebo haben mich erreicht. Keine Frage. Aber wirklich weggeblasen haben mich die Deftones vom Start des Openers „Genesis“ bis „7 Words“. Ich weiß nicht, ob es noch andere Sänger gibt, die über eine solche Distanz von 15 Songs eine gleichbleibende explosive Kraft entfalten können wie Camillo Wong „Chino“ Moreno. Die Bühne ist blau beleuchtet, symmetrisch angeordnete Neonlichter geben dem Bühnenbild eine minimalistische, doch edle Stimmung. Eintiefer Bass kündigt die Band an, ein Synthie und Pianoklänge mischen sich ein, eine Rückkopplung der Gitarre – und dann ein Schrei.

„Genesis“ vom Studioalbum „Ohms“ ist beinahe irritierend, wie Moreno der Text in die Menge schmettert, als hinge sein Leben davon ab, und Stephan Carpenter fast symphonische Sounds aus seiner Gitarre holt. Wunderschön und einschüchternd zugleich. Hinreißend.

Deftones FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Rocket Skates“ startet lärmend wie eine Industrialrock-Nummer. Bei „Prayers/Triangles“ klingt die Singstimme wie von einem Roboter. Vorne kämpft Moreno, hinten macht die Band ihr Ding. Frank Delgado zaubert hinter seinem Keyboard verflochtene Samples und Sounds, Abe Cunningham bearbeitet seine Drums mit einer Härte, dass man um die Felle fürchtet. Fred Sablan ist der neue Tour-Bassist und fügt sich perfekt in die Band ein.

Die Setlist umfasste die gesamte Karriere der Band aus Sacramento, die, 1988 gegründet, zu den Vorreitern des Nu Metal zählen. Und sie gaben den Fans auch ihre Lieblingsstücke wie „My Own Summer (Shove It)“, „Diamond Eyes“ und „Change (In The House Of Flies)“, die die Crowd auch kräftig mitsang. Vom letzten Album (2020) gab es den Titeltrack „Ohms“ und mit „7 Words“ wenigstens ein Stück vom Debütalbum „Adrenaline“.

Casper, Gang of Youths und andere

Eine Nachtschicht legten Fans von Casper ein und wurden mit einer starken Show belohnt. RIN ist nicht so mein Ding, auch sein Mix aus Trap, R’n‘B, Rock und Reggae nicht. Der Mann aus Bietigheim-Bissingen hat aber seine Fans – weshalb er auch auf der Hauptbühne auftrat. Das gilt auch für Alligatoah.  

Eine besondere Atmosphäre schuf Leadsänger Dave Le’aupepe von der australischen Indie-Rock-Band Gang of Youths mit seinem beachtenswerten Gesang gleich zu Beginn mit dem majestätischen „The Angel of 8th Ave.“ Es ist aber auch die Verwendung der Geige, die der Band einen eigenen Sound gibt. Die lässige Euphorie von „The Man Himself“ oder das brüllende Mitsing-Lied „In The Wake Of Your Leave“ bildeten weitere markante Momente.

RIN FOTO: Thomas Rabsch
Placebo FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Placebo FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Placebo FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Placebo FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
RaR 2022 FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Deftones FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Deftones FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Deftones FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Deftones FOTO: Thomas Rabsch
Casper FOTO: Thomas Rabsch/RaR
Casper FOTO Schris Schwarz/RaR