Kaum zu glauben, dass solch ein Superstar jemals nach Bonn kommt. Am Ende ist es dann nach einer langen Corona-Pause doch wahr geworden: Robbie Williams spielt auf der Hofgartenwiese. Ein unvergessliches Konzert. (Fotostrecke hier)
Von Richard Bongartz
Understatement war noch nie so sein Ding. Schon gut eine halbe Stunde vor dem großen Auftritt prangen die Initialen RW großleuchtend inmitten, links und rechts der Bühne auf den Screens. Doch die Fans brauchen noch ein bisschen Geduld, hatten sich vorher schon die Stunden mit den DJs on Stage vertrieben.
Auf einmal ploppt ein riesiges rotes HELLO auf. Die erste Kontaktaufnahme mit dem Publikum läuft über getippte Textnachrichten. „Seid ihr alle da? Und jetzt scream!“ Eine neue Variante des ewigen Mantras „Let me entertain you“. Natürlich, auch in Bonn eröffnet Robbie Williams seine Show mit diesem Hit.
Und wie: Acht Musiker, drei Backgroundsängerinnen und fünf Tänzerinnen in schwarz-glitzernden Catsuits hängen die Messlatte von Anfang an ganz nach oben. Wah-wah-Sound von der Gitarre, dazu eine Bläsersektion mit Saxophon, Trompete und Posaune und eine Bassdrum, bei der T-Shirt und Hose zu flattern beginnen. „My name is Robbie Williams and this is my fuckin‘ band.“ Er spart nicht an swear words, die im englischen Fernsehen oder Radio alle weggepiept werden würden. Und hat den ganzen Abend richtig Bock. Merkt man.
Doch was augenscheinlich als rüde und primitiv erscheinen mag, ist nichts anderes als die für einen Briten oft typische (Selbst-) Ironie. Bei Robbie trieft es nur so davon. Seine Arme sind ein einziges Tattoogemälde, darüber trägt er eine silbermetallisch-glitzernde Weste und ein fettes Halsband mit dem Schriftzug „Fuck off“. Die Haare ein wenig ergraut, die Seiten kurz, hinten lang: Ansatz einer Vokuhila, heute Mullet genannt und wieder hip.
„You have to love your audience.“
Die perfekte Show schäumt voller witziger Einfälle. Im Big-Bang-Sound erklingen die ersten Takte von „YMCA“, die Robbie schnell unterbricht: „Nein, danke for the Village People.“ Und er erklärt, was Entertainment für ihn bedeutet: „You have to love your audience.“ Die geliebten Zuhörer testet er dann auch gleich, lässt sie A cappella an den ersten Zeilen Text Hits erraten. So singt der Chor der 25.000 „Angel“ und „Feel“, bevor die Songs später sowieso noch laufen. „Danke schön, my friends, Damen und Herren.“
Dann gibt RW einen kleinen Rückblick auf seine Karriere, wie er vor 32 Jahren zu Take That stieß und die Band fünf Jahre später wieder verließ. Damals habe ihn ein Journalist gefragt: „Was soll das denn jetzt? Du willst doch bloß Karriere machen.“ Darauf fiel ihm nur ein süffisantes „Ja“ ein.
Robbie Williams und AC/DC
Der britische Superstar, nur vermeintlich von der Bildfläche verschwunden, zeigt sich weitaus rockiger als auf seinen Platten. Da darf der Song „Kids“ auch gerne mal mit „Back in black“ von AC/DC beginnen. Bei „Eternity“ bittet Williams seine langjährigen Mitstreiter Gary Nuttall an der Akustikgitarre und Mastermind Guy Chambers am Klavier nach vorne. Wieder singt der Chor mit – bis zum orchestralen Höhepunkt, der einem Film als Soundtrack alle Ehre gereicht hätte. Tatsächlich wird es bald eine Dokumentation über Williams geben. Der Streifen über sein Leben mit allen Höhen und Tiefen (von denen es viele gab) wird wohl nächstes Jahr bei Netflix ausgestrahlt. „Egal, wie es am Anfang ist. Es geht gut aus“, verspricht er den Bonnern.
„Vor 19 Jahren habe ich bereits einen Song über Bonn geschrieben. Ehrlich“, sagt Williams und stimmt das umgemünzte „Bom bom bom ba da dup bom bom“ von Mandalay an. Ok. Ein echter Kalauer. Dafür entschädigt die Version dieses Hits im Country Style.
Geburtstagsständchen für Anna
Dann kommt Anna. Sie trägt ein Schild mit „Ich habe heute Geburtstag“ um ihren Hals und hat es damit zum Ständchen direkt zu Robbie aufs weiße Sofa geschafft. „I‘d like to wrap you in a Robbie Williams sandwich“, macht er Komplimente, knuddelt sie und verteilt Küsschen. Dann singt er „Somethin‘ Stupid“ für sie, setzt und legt sich auf ihren Schoß, bis beide – umrahmt von einem Herz aus roten Rosen – in den Himmel tanzen. Und auch Silvia hat es dem Briten angetan der, schreibt ihr ein Autogramm aufs Handy und schmachtet „You are the one“.
Doch das was früher seine Eskapaden waren, ist heute nur noch Teil des äußerst charmanten Entertainmentkarussells. „Ich bin jetzt Vater von vier Kindern. Heute Nacht setze ich mich noch in den Tourbus, damit ich sie morgen zu Hause begrüßen kann“, sagt Robbie (48), der Familienmensch. Gibt zu: „I was a selfish prick“, ein egoistisches Arschloch. Aber all das habe sich nun geändert.
Bei der Stimme aber kaum etwas. Sie klingt so, wie man sie kennt. Und selbst die kräftezehrende Kopfstimme bei „Tripping“ funktioniert noch. Williams inszeniert sich auf dem Bildschirm als James Bond mit Knarre (vielleicht wird er es ja doch noch) und lässt Jetons über die Roulettetische eines Casinos rutschen, während seine Tänzerin dazu mit dem Hintern wackeln. Dann kommt „Feel“, das durch sein einfaches, aber doch so effektives Slide-Gitarrensolo besticht. Die Ballade „Lost“ dagegen ist unbekannt, weil neu, erscheint aber auf dem nächsten Album XXV am 9 September, das ansonsten vor allem mit neu eingespielten Stücken gefüllt ist.
Im Zugabeteil kommt die Referenz an den Hauptsponsor Telekom mit Chef Timotheus Höttges, Robbie im magentafarbenen Muscle Shirt: „God bless you, Tim.“ Wie der Anfang ist es auch das Ende sonnenklar. Ein letztes Mal singt der Chor, holt bei „Angels“ die Engel vom Himmel. Damit auch die tanzende Anna und Selfie-Sylvia. Die beiden werden diesen Abend niemals vergessen. Die anderen 24.998 auch nicht. Das waren 105 Minuten glücklich machende Showminuten!
Setlist Robbie Williams in Bonn
(Carmina intro)
Let Me Entertain You
Monsoon
Land Of A Thousand Dances
Candy
Come Undone
Better Man
Eternity (XXV Version)
The Road To Mandalay
Something Stupid
Love My Life
Supreme
Tripping Millennium / Hot Fudge
Back in Black / Kids
Feel
Rock DJ
Zugabe:
Lost (XXV Version)
She’s The One
Angels (XXV Version)