Der dritte Abend des Rockpalast Crossroads Festivals in der Harmonie in Bonn ist was für echte Fans, die die bisweilen Gute-Nacht-Musik von Fortuna Ehrenfeld schätzen oder den manchmal ins Ungewisse driftenden Indie-Rock von Razz mögen. Teilweise tatsächlich ermüdend. Da passte das Outfit von Martin Bechler ganz gut zur Grundstimmung: Der Mann kam, wie üblich, im Pyjama mit kuscheligen Krallenpantoffeln auf die Bühne und trank gefühlte drei Flaschen Wein und ein paar Bier. Indes schreibt der Mann geniale Texte – und ist ein wunderbarer Unterhalter. So richtig passten die beiden Bands für einen Abend nicht zusammen.
Von Lina Macke
Razz, die Indie-Rockband aus dem Norden, machte den Anfang an diesem Abend, und Sänger Niklas Keiser lässt zu Beginn ein paar Unsicherheiten erkennen, kann sich aber auf eine zuverlässige Band mit Steffen Pott (Schlagzeug), Christian Knippen (Gitarre) und Lukas Bruns (Bass) stützen. Der Schluss von Opener, der fatalerweise auch noch „Could Sleep“ heißt, erinnert etwas an U2, vor allem wegen der hymnischen Gitarre von Knippen. Nach ein paar Stücken hat sich der Sänger aber gefangen. „Another Heart, Another Mind“ klingt dann schon richtig eindringlich. Man darf eben nicht vergessen, dass eine TV-Aufzeichnung gerade auf junge Bands einschüchternd wirken kann. Der Song ist etwas eintönig, was sich zum Glück beim nächsten Song „The Blood Engine“ aufgrund einer guten Melodie und der wachsenden Leidenschaft des Sängers ändert.
Emotionaler Garagenrock
Deutlich flotter geht es zuvor bei „Trapdoor“ los, der Song erinnert von der Instrumentierung etwas an The Cure. Mein persönlicher Favorit ist „Ketamine“. Da zeigt Keiser, was als Sänger in ihm steckt. Das kommt dem näher, wie ich sie in Erinnerung habe. Ich muss sagen, als Support für Mando Diao vor etwa einem Jahr habe ich sie insgesamt besser in Erinnerung. Gegen Ende ihres Konzertes zieht die Truppe das Tempo nochmal an und überzeugt dann mit kraftvollen „Postlude“, bei dem die Band mit ihrem emotionalen Garagerock stark vorwärtstreibt, dem etwas poppigen und eingängigen „Let It In, Let It Out“ und „Youth & Enjoyment“, womit die Band sich selbst übertrifft.
Martin Bechler und sein Taschenorchester Fortuna Ehrenfeld
Fortuna Ehrenfeld: „Was ist nur aus all den Punks geworden, alle machen Webdesign“, heißt es bei „Das letzte Kommando“. Eins muss man ja Martin Bechler und seinem Taschenorchester Fortuna Ehrenfeld ja lassen. Die Texte sind klasse. Darauf liegt auch der Fokus. Die Texte liegen zwischen der Absurdität der Realität und einer sperrigen Emotionalität eines romantischen Punks. Musikalisch setzt Bechler auf Minimalismus. Da klingt Elektro durch, Singer/Songwriter, Rock und eine Menge Chanson, wenn seine Lyrik sparsam, aber einfühlsam von Jenny Thiele am Keyboard und Paul Leonard Weißert am Schlagzeug begleitet wird.
Bechler ist ein netter Geschichtenerzähler. Er erzählt von seinen Weinverkostungen, vom missglückten Drohneneinsätzen in Weinkellern, von Heiratsanträgen und Herzinfarkten an einem Konzertabend in Kaiserslautern. Da fabuliert er über ein Fabelwesen, das über Endenich fliegt, bevor er sich mit seiner Gitarre und seinen Mitspielern in ein melancholisch-hypnotisches Intro zu „Hört endlich auf zu jammern“ zuwendet. „Rakete“ klingt wie ein leicht reggae-punkig-versetztes Dire Straits-Stück für Kinder. Ja, es ist ein intimer Konzertabend für Fans.
„In einer großen weißen Stadt, die irgendwer erfunden hat“
„Den Umfang eines Herzens kann man gut berechnen“, heißt es in einem Song, der tatsächlich von Dire Straits sein könnte. „Die Engel ziehen blank und singen Halleluja“. So schön können deutsche Texte sein. Dass jede Menge Fans da waren, zeigte sich spätestens bei „Bad Hair Day“, das alle mitsangen, was Bechler mit dem Ausruf „Baut das Mikrofon ab!“ kommentierte. Das sollte nicht das einzige Mal sein.
Zur Zugabe singt Bechler solo am Klavier „Guten Morgen, Ehrenfeld!“. Das letzte Stück heißt „Zuweitwegmädchen“ mit den zum Schluss passenden Zeilen:
„Legt ein Schiff am Bahnhof an
auf irgendeiner Landebahn
In einer großen weißen Stadt, die irgendwer erfunden hat
Und irgendwer steigt dann da ein
rauscht in die blaue Nacht“