
Mit „Chains & Stakes“ liefern The Dead South ein raues, kraftvolles Album zwischen Southern Gothic, Bluegrass und Folk-Drama – voller düsterer Geschichten, treibender Rhythmen und staubiger Eleganz. Im Juli ist die Band live in Bonn zu erleben.
Von Dylan C. Akalin
Plattenkritik: The Dead South „Chains & Stakes“ (Six Shooter Records, 2024)
Mit ihrem vierten Studioalbum „Chains & Stakes“ zementieren The Dead South ihren Status als musikalische Außenseiter, die sich weder ganz dem Bluegrass noch dem Folk oder Rock verpflichtet fühlen – und gerade dadurch eine unverwechselbare Handschrift entwickelt haben. Wer bei dieser Band nur an bärtige Typen in Latzhosen mit Banjo denkt, verpasst die düstere Tiefe, den lakonischen Humor und die unbändige Spielfreude, die Chains & Stakes so reizvoll machen.
Southern Gothic
Bereits der eröffnende Titeltrack „Blood On The Mind“ macht klar, dass es hier um mehr geht als um traditionelle Roots-Musik. Mit markantem Cellosound, donnernden Rhythmen und Nathaniel Hilts’ rauem Gesang entsteht ein dramatischer, fast filmischer Sound. Es ist eine Musik, die nach staubigen Straßen, Flucht, Sühne und Gewalt klingt – ein Southern Gothic für die Gegenwart.

The Dead South arbeiten mit einfachen Mitteln – akustische Gitarre, Banjo, Cello und Mandoline –, aber sie schöpfen aus dieser Instrumentierung eine klangliche Wucht, die ihresgleichen sucht. Songs wie „A Little Devil“ oder „Yours To Keep“ verbinden treibende Rhythmen mit Ohrwurm-Melodien, die durch geschickte Harmoniearbeit und unerwartete Tempowechsel gebrochen werden. Auffällig ist dabei das feine Gespür für Dynamik: Die Band weiß genau, wann sie reduziert und wann sie aufdrehen muss.
Gebrochene Seelen, alte Rechnungen
Textlich bleibt „Chains & Stakes“ in jener morbiden Zwischenwelt, die The Dead South seit jeher umtreibt. Es geht um gebrochene Seelen, alte Rechnungen, Schuld und einen schrägen Humor, der nie in die Klamotte kippt. In „20 Mile Jump“ etwa wird ein tödlicher Sturz mit einem schiefen Lächeln erzählt – makaber, aber nie zynisch. Diese Gratwanderung beherrschen The Dead South meisterhaft.
Besonders eindrucksvoll ist der Song „Son of Ambrose“, der als eine Art dunkle Ballade mit epischem Spannungsbogen wirkt. Hier kommt auch das Cello von Danny Kenyon besonders zur Geltung, das dem Song eine beinahe kammermusikalische Tiefe verleiht – ohne jedoch die rohe Energie zu verlieren, die das Album durchzieht.
Sie bleiben ihren Wurzeln treu
Was „Chains & Stakes“ so stark macht, ist der Kontrast aus rustikaler Musikalität und erzählerischer Raffinesse. Die Band bleibt ihren Wurzeln treu, ist aber nie folkloristisch im engstirnigen Sinn. Vielmehr gelingt es The Dead South, aus alten Formen etwas Eigenes, Gegenwärtiges zu destillieren – mit Biss, Stil und einer gehörigen Portion Understatement.
Chains & Stakes ist düster, treibend, handgemacht – und dennoch alles andere als rückwärtsgewandt. The Dead South liefern ein Album, das gleichermaßen Lagerfeuerromantik und düstere Western-Epik atmet. Wer glaubt, Bluegrass sei nur was für Traditionalisten, sollte sich diese Platte dringend anhören. Sie klingt wie ein Faustschlag im Saloon – rau, elegant und verdammt lebendig.
Tipp: Im Sommer kommt die Band auf Tour nach Deutschland, am 27. Juli 2025 auf den KunstRasen Bonn. Nicht verpassen!