Pinkpop bietet am Samstag jede Menge tolle Acts. Alle konnten wir nicht besuchen. Hier ist ein Überblick über einige der Shows. (Unten große Bilderstrecke!)
Von Dylan Cem Akalin
Måneskin
Måneskin sind einfach ein einziges Kraftpaket. Das Set, das die Band am Samstag auf dem Pinkpop Festival 2022 spielte, war ziemlich das, was sie kürzlich bei Rock am Ring präsentierte. Langweilig war es dennoch nicht. Diese Truppe kann gar nicht langweilig sein. Beim Opener ZITTI E BUONI hatte ich sogar das Gefühl, sie waren noch eine Spur härter als am Nürburgring. Die Gitarre von Thomas Raggi war von Anfang an auf Angriff gepolt. Und Damiano David, diesmal mit Bassistin Victoria De Angelis ganz in schwarz gekleidet, hatte schon nach dem ersten Stück gefühlte fünf Kilometer auf der Bühne hinter sich gebracht. Nach gut einer Viertelstunde zog er dann zur Begeisterung des weiblichen Publikums das T-Shirt aus.
Der Druck, den das Quartett trotz tropischer Hitze aufrechterhalten, fasziniert und begeistert die Menge vor der Bühne sichtlich. Für mich steht jedenfalls fest: Måneskin ist auch auf diesem Festival auf den Charts der beeindruckendsten Performances ganz vorne mit dabei. Das ist eine Live-Band, wie man sie sich auf jedem Festival wünscht. Die riesigen roten Lettern ihres Bandnamens wirken wie eine Einladung zur Sünde, und wie er „Oh, mamma mia, ma-ma-mamma mia, ah/I feel the heat, uh, I feel the beat of drums“ und die Leute begrüßt („Ahhh, hello Guys…“) sowieso.
Nach einem erfolgreichen Jahr mit sieben Diamanten, 161 Platin und 37 Goldenen Schallplatten haben die italienischen Rocker ihren globalen Status gefestigt. Letztes Jahr eroberten Måneskin mit ihren Hits „I Wanne Be Your Slave“ und „Beggin’“ die Charts und schafften es damit als erste italienische Band der Musikgeschichte mit zwei Singles gleichzeitig in die Top 10 Großbritanniens. Die Tickets für ihre Tour waren innerhalb von zwei Stunden ausverkauft! Hier wird klar, warum sie so erfolgreich sind. Es ist diese Mischung aus hartem Rock, leidenschaftlicher Performance, absoluter Präsenz und bedingungsloser Hingabe für die Musik. Naja, und schlecht aussehen tun sie auch nicht 😉
Deftones
Ähnlich Anerkennung können wir auch den Deftones aussprechen, die heute bis auf ein paar Stücken eine ganz andere Setlist als bei Rock am Ring 2022 zusammengestellt haben. Frontmann Chino Moreno, im schwarzen Sisters of Mercy-T-Shirt, startet nach dem Opener „Genesis“ mit einem Doppelpack mit 90er Nu-Metal-Klassikern „Be Quiet And Drive“ und „My Own Summer“, der bei der prallen Sonne ja wie Faust aufs Auge passt. Und so wie wir sie noch vor wenigen Wochen als kompromissloses Kraftpaket erlebt haben, gaben sich die Deftones auch in Landgraaf. Moreno schreit, brüll und singt, als ging’s um sein Leben. Witzig: Ab und zu hat er einen Texthänger, aber Moreno verzeiht man das.
Übrigens: Hier fällt der schlechte Sound teilweise sehr stark auf. Überhaupt, mit dem unmittelbaren Vergleich von Rock am Ring müssen sich die Holländer diesmal mit dem zweiten Platz begnügen. Bei Metallica war die erste Hälfte der Show beispielsweise viel zu leise, bei Maneskin gab es zwischendurch auch Aussetzer, und hier stimmt die ganze Tonmischung einfach gar nicht. Das ist schade.
Circle Pits lösen die Songs von Deftones auch bei dieser Hitze aus. Das sagt schon alles. „Bloody Cape“, der krachende Klassiker „Change (In the House of Flies)“, „Ohms“ und „Rocket Skates“ bilden den letzten Block eines Flächenbrandes, der alle ganz schön ins Schwitzen gebracht hat. Dieses Gemenge aus harten Gitarrensalven und donnernden Bässen, die einem durch Mark und Bein gehen, dieses schon aufsässige Aufbrechen von Grenzen ist live nochmal ein intensiveres Erlebnis Hoffentlich dauert es nicht nochmal fünfzehn Jahre, bis die Deftones erneut zu Pinkpop eingeladen werden.
Crowded House
Crowded House ist auf’m Platz: Dieses Mal hat Neil Finn seine Söhne Liam und Elroy in seiner Band. Außerdem finden wir Bandmitglied der ersten Stunde Nick Seymour und Mitchell Froom, den Produzenten ihrer Erfolge aus den 90er Jahren, wieder in der neuen Besetzung. Nach einer ausgiebigen Tour durch ihre Heimat Neuseeland, sind sie jetzt wieder einmal in Europa. An diesem Miittwoch sind sie in der Live Music Hall. Die Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen.
Obwohl die Neuseeländer es am Samstag zunächst etwas gemächlicher angingen. Erst ab dem vierten Stück (bei „Fall At Your Feet“) hatten sie ihr Publikum erreicht. Bei dem Konzert wird deutlich, was für eine Hitmaschine Crowded House doch damals in den 90ern war. Man kennt praktisch jeden Song!
Royal Blood/Saint Phnx
Als Spätzünder erwies sich auch das britische Rock-Duo Royal Blood. Mike Kerr und Ben Thatcher schafften es jedenfalls selbst mit Songs wie „Typhoon“ und „Boilermaker“ kaum, das Publikum mitzureißen, Nummer drei auf der Setlist war „Lights Out“. Und ab da ging endlich die Post ab.
Das schottische Duo Saint PHNX überzeugte mit einem modernen Multi-Genre-Mix, einer Musik, die inspiriert ist von Imagine Dragons, Yungblud, Mumford And Sons und einer Reihe anderer erfolgreicher Bands. Die eingängigen Songs sorgten gleich für eine toll Stimmung. Das Alt-Pop-Bruderduo hatten zuletzt ja mit ihrer EP beeindruckt, auf der sie die letzten sechs Monate im Leben ihres Vaters musikalisch verarbeiten. Die Jungs bieten Musik voller Emotionen und erzählerischer Lyrik und introspektiver Momente. Schöner Auftritt.
Kaleo
Überrascht hat mich die isländische Band Kaleo mit ihrem eindringlichen Südstaaten-Bluesrock. Sänger und Gitarristen Jökull Júlíusson, Schlagzeuger Davíð Antonsson, Bassist Daníel Ægir Kristjánsson und Gitarrist Rubin Pollock haben dem Southern-Rock so einen skandinavischen Pop-Tritt verpasst, aber nicht was die Lasur betrifft. Die Melodien sind ausgeklügelt, die Grundhaltung bleibt bluesig. „Broken Bones“ hat diese Mississippi-Hitze bei einem tänzelnd leichten Rhythmus.
Frontmann „Julias JJ Son“ und seine Truppe punkten seit Jahren mit ihren eigenen Interpretation des Blues, insbesondere durch das Debütalbum A/B (2017). Son hat eine beeindruckende Stimme, tief in den guten und genug Schmelz für emotionale Momente.