Mein Gott , ist das heiß! Die Luft ist zum Löffeln. Doch das macht den Fans von Midnight Oil nichts. Immerhin haben sie 15 Jahre lang gewartet, um die australischen Rocker wiederzusehen. Und Köln ist der Auftakt ihrer Europatour. Um’s vorwegzunehmen: Die Band ist trotz der langen Pause nicht im geringsten eingerostet.
Von Dylan Cem Akalin
und Mike H. Claan
Irgendwie hat das was von einem Deja vu, als Frontmann Peter Garrett, Martin Rotsey, Jim Moginie, Rob Hirst und Dwayne „Bones“ Hillman auf der Bühne mit „Redneck Wonderland“ recht rockig loslegen. Vor allem „Brave Faces“ vom 1981er Album „Place Without a Postcard“ klingt eben doch sehr eightiesmäßig.
Auch „Sometimes“ steht eher in der Tradition von Postpunk-Hymnen, die Gitarre könnte auch gut zu einem Cure-Song passen – und ist die definitive Aufforderung zum Springen und Tanzen. Spätestens jetzt wurde auch Garretts nach wie vor dominierende Bühnenpräsenz deutlich. „Say your prayers“ lebt vom durchdringenden Schlagzeugbeat und treibenden Basslauf, zu dem Garrett seinen rotzigen Gesang liefert. Die Band setzte diese kollektive Pulsfrequenz gleich ziemlich hoch und hielt sie dort auch für die nächsten zwei Stunden.
Aber es ist ja nicht nur dieser flegelhafte Independent-Rock, der die Fans begeistert, sondern auch die Message der sozialkritischen und politischen Texte. Und ja, natürlich bekommt auch Donald Trump, der sogenannte Präsident der USA, sein Fett weg: Er sei „der größte Idiot von allen“, ruft Garrett der johlenden Gemeinde zu. Nur wenige Bands der 80er oder 90er Jahre tragen noch die Clash-Fackel der Ideologie und der sozialen Gerechtigkeit mit so unerschütterlicher Überzeugung hoch wie Midnight Oil. Peter Garrett verbrachte sogar die letzten Jahre in der australischen Labour Party und war Minister für Umwelt, Kulturerbe und Kunst.
Spätestens bei „Forgotten years“ aus dem Album „Blue Sky Mining“ (1990) muss auch der letzte Skeptiker im ausverkauften E-Werk überzeugt gewesen sein, dass diese Band immer noch was zu sagen hat und immer noch aus vollster Seele rockt. Zeilen wie „Hearts have been hard, our hands have been clenched in a fist too long/Our sons will never be soldiers, our daughters will never need guns” gehen einem unter die schwitzende Haut, an der eh schon längst das T-Shirt klebt.
Und es geht weiter gegen Diskriminierung und Kriege, gegen Hass und Unterdrückung, etwa mit „Put down the weapon“. Nach anderthalb Stunden kommt dann endlich der Welthit „Beds are burning“ (1988) – der Song der Australier als leidenschaftliches Engagement für die Rechte der Aborigines.
Garrett ist ein perfekter Frontmann, um eine ausverkaufte Menge ins Land der klanglichen Transzendenz zu führen. Der Mann hat schon eine stattliche Erscheinung: groß und kahl steht er da, teils Dirigent der Band, teils sozialer Evangelist. Er scheint seine eigene Gravitationskraft zu haben, wenn er seine wortlosen Anweisungen an die Band richtet und das Publikum in Bewegung hält. Und der Rest der Band? Klasse Musiker, die ohne Ego-Eitelkeit auszukommen scheinen, irgendwie pragmatisch, wie sie Garrett da unterstützen. Martin Rotsey und Jim Moginie boten einen Dual-Gitarren-Angriff von komplementärem Gepolter und Gejaule, klanglichen Abstürzen und heiligen Akkorden, die etwa bei „Truganini“ durch den Afrobeat-Shuffle glitten. Was für ein Hammerabend!