Kann wirklich irgendjemand noch „The House of the Rising Sun“ hören? Das Traditional ist so abgenudelt, dass es abgeschafft gehört. Aus jeder Setlist. Aus jeder? Nein! Eine von unbeugsamen Musikern bestehende Band hört nicht auf, dem Mainstream Widerstand zu leisten. Pete York’s Rock & Blues Circus ist vielleicht die einzige Combo, die es sich erlauben können, diesen Song zu spielen. Mit Miller Anderson (Guitar, Vocals), Roger Glover (Bass), Albie Donnelly (Saxophon, Vocals) und Keyboarder Zoot Money sorgten die alten Haudegen um den Wahlmünchner Drummer für einen legendären Abend in der Harmonie.
Von Dylan Cem Akalin
Ich schätze mal, die Mehrheit der Fans in der schon seit Wochen ausverkauften Harmonie war gekommen, um den Deep Purple-Bassisten Roger Glover in Clubatmosphäre zu erleben. Was soll’s. Sie dürften überrascht gewesen sein, wieviel Spielfreude und Lust am Entertainment an den längst ergrauten Rockern steckt.
Pete York kennen wir Bonner als Stammgast, seine Konzerte in der Harmonie und früher in der Jazzgalerie in wechselnden Besetzungen sind legendär – und unvergessen. Der ehemalige Drummer der Spencer Davis Group startete den Abend denn auch mit dem Hit “Keep On Running”. „So viele Persönlichkeiten auf einer Bühne“, ruft er aus und macht dabei ein Gesicht wie Yogi Bär.
Der Schotte mit dem Wahnsinnssound
Da sind erst einmal Miller Anderson, der Schotte mit dem Wahnsinnssound auf der Gitarre, der sogar so eine schreckliche Nummer wie „Risig Sun“ spielen kann, wie man’s eben noch nie gehört hat. Albie Donnelly, Saxophonist und Leadsänger der Band Supercharge spielt sein Horn mit einem Sound, dass es einem wie warmes Olivenöl den Rücken runterläuft. Roger Glover, klar, der Mann ist eine Legende, und er kann nicht nur Songs schreiben, er kann einen Bass spielen, der einen mit der Zunge schnalzen lässt – und der Mann hat überhaupt keine Starallüren.
Auf seiner Webseite schreibt Glover: „Ich kenne Pete York und Miller Anderson seit den späten 60ern. Einige frühe DP-Touren waren mit Hardin / York, und wir haben uns seitdem oft getroffen. Im Laufe der Jahre hat Pete viele dieser besonderen Events mit einer Phalanx großartiger Musiker organisiert. 1970 nahmen Ian Paice, Miller und ich an Peters erstem teil (ich habe immer noch die Plakatwerbung „Super Drumming“ im Bumper´s Club in London).“
Da scheppern die Whiskeygläser
Zoot Money, früher unter anderem als Mitglied von The Animals sehr erfolgreich mit Eric Burdon unterwegs, ist nicht nur ein Zauberer an Piano und Hammondorgel, der Mann singt so dreckig, dass man die Whiskeygläser scheppern hört.
„Smoke On The Water“
Ums vorwegzunehmen. Ja, sie haben „Smoke On The Water“ gespielt – als Zugabe. Mehr beeindruckt hat mich indes „When A Blind Man Cries“. Nicht nur deswegen, weil ich den Song liebe. Miller Anderson hat ihn hervorragend interpretiert. Ich finde eh, dass er ein klasse Sänger ist. Klar gab es einen kurzen Auftritt des Basses, die Gitarre kam weinend zum Einsatz. Schöne Nummer.
„I’m Still Alive“ trägt plötzlich die sprichwörtliche Bedeutung des Songs. Irgendwie weniger Soul, Money schreit weniger, er krächzt, aber mit der trotzigen Freude eines Draufgängers. Sein Dialog auf dem Keyboard mit dem Sax ist einfach hinreißend, so dass York danach belustigt ausruft: „Sowas hat es seit Cindy und Bert nicht mehr gegeben!“
„I’m Your Hoochie Coochie Man“
Willie Dixons „I’m Your Hoochie Coochie Man“ wird getragen von einer erstklassigen Bluesgitarre und den hackenden Pianoakkorden und einem spektakulären Saxophoneinsatz zum Schluss. Dass den hohen Ton am Ende nicht auf Anhieb trifft… Geschenkt. Der kommt dann später doch noch.
„Thank You, Mama“ hat Pete York seinem Freund Money auf den Leib geschrieben. So eine Rock’n’Roll-Nummer, die zwar irgendwie bieder ist, aber ungeheuer viel Rotz hat. Ein brüllender Gesang mit leichter Ironie in der Stimme, die Hammond XK-3c klingt besser als ich gedacht hätte.
Das Jimmy Liggins cover „Boogie Woogie King“ hat mich an Elvis erinnert. „My Turn“ hat was von Captain Beefheart.
„High Tide And High Water“
Besonders gefallen hat mir „High Tide And High Water“, eine 14-Minuten-Version mit einer verzerrten, ziemlich rockigen Gitarre, einem flüsternden Sax und einer jazzigen Orgel – immer vorwärtstreibend! Faszinierend ist zudem das Zusammenspiel der Musiker, es fühlt sich immer an wie ein maßgeschneiderter Anzug. „Thunder“ erinnert tatsächlich, wie Money vorher witzelte, an die psychedelischen Sixties in Soho, „where all human life was“, an Pete Brown und Drogen. Und der Eddie Cochran-Song „Something Else“ hielt uns noch ein wenig in den Sixties. Aber nicht lange. Der Abend wurde noch mit Blues und Rock gefüllt, bevor die total begeisterten Fans mit dem Rockklassiker schlechthin „Smoke On The Water“ glücklich in die Nach entlassen wurden.
Mit Ginger Baker und Herman Rarebell
Und wer von Pete York noch nicht genug hat, der muss am 12. April 2019 ins englische Brighton fahren. Da teilt er sich mitzwei anderen Drummern, Ginger Baker (Cream) und Herman Rarebell (Scorpions), die Bühne, begleitet von ihrer Begleitband und einer Sängerin, um Hits aus jeder ihrer herausragenden Karrieren wie „White Room“, „Gimme Some Lovin‘“, „Rock You Like A Hurricane“ und „Sunshine Of Your Love“ zu präsentieren.