Pat Metheny hat sich sechs Jahre Zeit gelassen, um wieder ein neues Album herauszugeben. „From This Place“ enthält zehn neue Kompositionen – und es ist das erste mit Orchesterbegleitung. Es erscheint am 21. Februar 2020.
Von Dylan Cem Akalin
Sinfonieorchester üben eine magische Anziehungskraft auf Musiker aus. Ob Charlie Parker oder Metallica – einmal mit großer Orchesterbegleitung zu spielen, scheint der große Traum vieler Musiker zu sein. Auch von Pat Metheny. „‘From This Place‘ ist eines dieser Alben, die ich schon mein gesamtes Leben machen wollte“, sagt der Gitarrist.
In der Brust des wunderbaren Musikers schlagen bekanntlich (mindestens) zwei Herzen. Das eine, mit dem er neue Wege im Land des modernen Jazz beschritt und mit dem er mit Künstlern wie Charlie Haden, Ornette Coleman, Michael Brecker, Dewey Redman und vielen anderen Projekte umsetzte. Und dann ist da das Herz, das mit der Pat Metheny Group (PMG) eine schwärmerische Form des jazzigen Festgesangs erforschte, wo Metheny mit seinem kongenialen Partner, dem gerade verstorbenen Pianisten/Keyboarder Lyle Mays, Kopf und Herz zu einer Einheit werden ließ, Melodien für die Ewigkeit schuf, eine die puristische Jazz-Welt leicht verwirrende Melange aus Jazz, Weltrhythmen, Synthiesounds, perkussivem Flitter und hingebungsvollen, wortlosen Gesangslinien mit sensationellen Soli hervorbrachte.
Das neue Metheny-Album liegt stilistisch vielleicht wieder etwas näher an diesen für ihn so typischen Werken, und wir hören wieder dieses schreiende Urgetier, das er mit der Gitarre bändigt. Der Opener ist zugleich das längste. In mehr als dreizehn Minuten wechselt bei „America Undefined“ eine Mischung aus wogenden Streichern und Soundeffekten mit der beweglichen Aktion von Metheny, der Bassistin Linda May Han Oh, der Metheny eine besondere Rolle zuweist und deren Bass wie eine Sternwarte ins Zentrum der Musik zu deuten scheint. Als Pianisten hat er Gwylim Simcock dabei und am Schlagzeug seinen langjährigen Begleiter Antonio Sanchez.
Üppige Instrumentierung
Die Rhythmussektion ist (wieder einmal) genauso wichtig wie die Melodieinstrumentalisten. Antonio Sanchez‘ Präsenz ist durchweg praktisch unterschwellig, aber unverkennbar. Und durch seine erstaunliche Technik teilt er einen Auftrieb mit dem Spiel seiner Bandkollegen und verleiht Tracks wie „Pathmaker“ eine Spontaneität, die jeden Sinn ausschließt, den die Kerngruppe zu sorgfältig für sich selbst spielt.
Der Kontrast in den unterschiedlichen Ansätzen des Gitarristen/Komponisten zeigt, wie er Räume schafft. So wie bei „You Are“, wo die üppige Instrumentierung seine Gitarrenlinien erst zum Strahlen bringen, aber auch Simcocks Klavierspiel wie klares Quellwasser durchscheinbar machen.
Ich muss sagen, das Orchester hätte ich nicht gebraucht. Und auch Metheny nicht. Was er mit seinem Spiel und seinen raffinierten Arrangements schafft, ist schon so vielschichtig, dass ein Orchester unnötig wäre. Und so belässt er es auch weitgehend bei eher zurückhaltender Orchestrierung.
Brillanter Tanz
Methenys Gitarrenspiel ist wieder einmal so erhaben und weit, wie der Himmel über Missouri, und seine so offene, ja positive Art des Ausdrucks, steht in einer angeregten Spannung zu Simcocks intimer Melancholie. Geradezu ekstatisch ist das Zusammenspiel von Simcock und Sanchez bei „Everything Explained“, es ist wie ein brillanter Tanz von Fred Astraire und Ginger Roberts, bei denen jeder Schwierigkeitsgrad in Perfektion und Leichtigkeit nicht zu überbieten war – und der Zuschauer den Atem anhielt.
Der Titeltrack, wunderschön gesungen von Meshell Ndegeocello, ist geschrieben von Alison Riley zur Metheny-Musik: „Von diesem Ort aus kann ich nicht sehen / Herz ist dunkel / Unter steigenden Meeren“ heißt es da und später „Angst und Schmerz / Wieder bluten wir“. Natürlich geht es da um Trumps Amerika. Doch Metheny verbreitet bei all den dunklen Wolken auf dem Cover auch Hoffnung: „Von diesem Ort aus muss ich fortfahren / auf die Liebe vertrauen, / die Wahrheit ist meine Führung“ und endet mit diesem Solidaritätsversprechen: „Von hier aus werde ich bei dir stehen / bis die Herzen wirklich frei sind“.
Pat Metheny Side-Eye –
Termine im Rahmen der JazzNights von Karsten Jahnke:
17.05.2020 MÜNCHEN, Philharmonie
19.05.2020 STUTTGART, Liederhalle, Beethoven-Saal
20.05.2020 DORTMUND, Konzerthaus
23.05.2020 DÜSSELDORF, Tonhalle
24.05.2020 HAMBURG, Laeiszhalle
29.05.2020 FRANKFURT, Alte Oper
30.05.2020 BREMEN, Glocke
31.05.2020 BERLIN, Philharmonie
Live Line-Up: Pat Metheny, James Francies (key,p), Marcus Gilmore (dr).
[Kenntnisstand vom 20.02.2020; Termine wie vom Veranstalter mitgeteilt;
Änderungen und Irrtum vorbehalten].