Passenger Mike Rosenberg spielt am Donnerstag in Bonn: Wir trafen ihn zum Interview

Auf der Bühne: Mike "Passenger" Rosenberg. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Wir treffen Mike Rosenberg, den man nur unter dem Bandnamen Passenger kennt, hinter der Bühne beim Pinkpop-Festival im holländischen Landgraaf. Kurze Hose, Jeanshemd, Flip-Flops. Er sitzt vor seiner Künstlerkabine und klimpert auf der Gitarre. Er sieht aus wie einer dieser Surfer-Typen. Mit Rosenberg, der am 22. Juni 2017 mit seiner Band auf dem Kunst!Rasen Bonn auftritt, sprach Dylan Cem Akalin.

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Sorry, Mike, aber ich muss mit „Let Her Go“ begonnen. Fast 1,5 Milliarden Aufrufe auf Youtube! Dreht man da als Künstler nicht total durch?

Mike Rosenberg: Naja, das waren wahrscheinlich meine Eltern, die tagelang immer wieder auf das Video geklickt haben. (lacht)

Was macht dieses kleine, sanfte Lied zu einem so großen Erfolg? Hast du eine Erklärung?

Rosenberg: Ich glaube, dass das ein Song ist, bei dem jeder versteht, worum es darin geht. Egal, ob ich ihn in England, in Deutschland oder Thailand spiele, jeder versteht den Song.

Du meinst, dass er eine Art Universalsprache spricht?

Rosenberg: Ich bin überzeugt davon, dass Musik die einzige Sprache ist, die jeder versteht. Und die Harmonien, die kleine Melodie (stimmt sie kurz an) – das berührt die Menschen. Die Menschen fühlen, um was es in dem Song geht.

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

An wen ist das Lied gerichtet? Geht es da um eine bestimmte Person?

Rosenberg: Oh ja! Es geht um eine langjährige Beziehung, die ich hatte. Und es ist doch so: Du weißt oft Dinge oder eben Menschen erst zu schätzen, wenn sie weg sind. Und zu einer echten Liebe gehört meines Erachtens auch loszulassen.

Empfindest du es eigentlich noch als magischen Moment, wenn du auf der Bühne dieses Lied anspielst und die Leute flippen aus? Oder gewöhnt man sich dran?

Rosenberg: Jetzt wirklich ohne Scheiß: Es ist jedes Mal ein magischer Moment. Wenn ich da auf der Bühne bin und schlage das Intro an –  summt –, und die Leute fangen an zu klatschen und zu jubeln, ist das einfach großartig.

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Du kannst den Song immer noch voller Lust singen?

Rosenberg: Aber ja. Das ist doch ein Geschenk.

Ist das nicht auch ein enormer Druck, nach einem solch sagenhaften Erfolg weiter Songs zu schreiben? Was überwiegt mehr: Fluch oder Segen?

Rosenberg: Ich habe das noch nie so betrachtet. Denn es war ja auch ein Traum von meiner frühesten Jugend an, Musiker zu werden. Natürlich hofft man auch, einmal Erfolg zu haben mit einem Song. Und es ist ja nicht so, dass der Erfolg beim ersten Anlauf kam. Ich mache immerhin schon eine ganze Weile Musik…

Andere Musiker warten ihr ganzes Leben lang auf einen Erfolg…

Rosenberg: Das ist richtig. Ich habe offenbar den richtigen Punkt bei den Menschen berührt.

Nochmal: Ist das nicht ein irres Gefühl, dass fast jeder auf diesem Planeten dein Lied kennt?

Rosenberg: Ja, das ist krass. Und es ist schön zu wissen, dass ich mit meiner Musik Menschen erreichen kann. Das ist das, was du als Musiker willst.

Du wirkst völlig entspannt, läufst hier hinter der Bühne in Latschen rum, mit der Gitarre um den Hals und scheinst von deinem Erfolg völlig unbeeindruckt. Woher kommt diese Ruhe, diese innere Stärke, das Glauben an sich selbst?

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Rosenberg: Ich weiß nicht, ich denke, das hat viel mit meinem Leben als Straßenmusiker zu tun. Man lernt, bescheiden zu sein und dankbar für das, was man hat.

Das Leben hat sich für diesen Straßenmusiker aber ganz schön verändert. Wie war das?

Rosenberg: Plötzlich hast du einen Hit, und bis zu diesem Zeitpunkt warst du nur ein Kerl mit einer Gitarre. Und danach glaubt plötzlich jeder an dich. Und plötzlich gibt es ganz viele Leute, die schon immer an deinen Erfolg geglaubt haben. (lacht)

Wie bist du mit all dem umgegangen?

Rosenberg: Weißt du, du selbst brauchst schon sowas wie ein blindes Vertrauen in das, was du tust. In der Musik ist es nicht anders als im richtigen Leben. Du machst Musik,  und zwar so wie du es für richtig hältst, du spielst die Shows, und du bist glücklich, wenn es den Leuten gefällt. Und wenn nicht? (zuckt die Achseln) Was willst du da machen….?

Für dich ist also wichtig, einfach du selbst zu bleiben?

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Rosenberg: Unbedingt.

Als du damals losgezogen bis, um Straßenmusiker zu sein und fünf Jahre in England und Australien praktisch auf der Straße zu leben. Wie kam es zu diesem Entschluss? Wolltest du irgendwas zurücklassen?

Rosenberg: Nein, es ging nicht drum, irgendwas zu entfliehen. Für mich war schon ganz früh klar, dass ich Musik machen und von meiner Musik leben wollte. Irgendwie schien es nicht so recht voranzugehen, und da war das eigentlich sowas wie eine logische Konsequenz.

Ich habe dich letztes Jahr in Bonn gesehen. Nur deine Gitarre und du. Und ich hatte das Gefühl, dass du tatsächlich den letzten Mann, die letzte Frau in der hintersten Reihe erreicht hast. Was ist das Geheimnis?

Rosenberg: Also ich denke… Jetzt echt kein Bullshit!…Es gibt Shows mit jeder Menge Lichteffekten, Riesen Scheinwerfer, aber wenn du mit deiner Gitarre kommst und ehrliche Lieder singst, wenn du nicht jemanden vorgibst, der du gar nicht bist, wenn du nett und höflich mit deinem Publikum umgehst, dann fühlen sich die Leute auch willkommen. Die Menschen wollen Teil der Show sein.

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Da muss es noch etwas anderes geben! Ich habe mal George Ezra gesehen, hier auf der großen Bühne beim Pinkpop-Festival. Ihm ist es nicht gelungen, weit vorzudringen.

Rosenberg: Mhm, ich weiß nicht. Das hat sicher auch mit meinen Erfahrungen als Straßenmusiker zu tun.

Was hast du da gelernt?

Rosenberg: Es gibt viele, die meinen, die können sich einfach an die Straßenecke stellen und spielen. Straßenmusiker haben ja kein besonders positives Image. Weißt du, wenn du auf der Bühne stehst und vor Leuten ein Konzert gibst, von denen du weißt: Die haben deine CD gekauft und ein Ticket in der Tasche. Die werden auf jeden Fall bleiben und dir zuhören. Auf der Straße ist das anders. Du musst die Leute für dich gewinnen, sie dazu bringen stehenzubleiben, dir zuzuhören und Geld in deine Mütze zu werfen. Nach fünf Jahren, weißt du, wie’s läuft! (lacht) Das ist wie beim Journalismus, wie bei jedem anderen Job. Du bekommst Routine und hast es irgendwann raus. Und ich glaube echt, ich war ein Meister-Straßenmusikant!

Wie gehst du eigentlich mit diesen Terrornachrichten um? Terror in Manchester, in London, in Paris… Bist du ein Musiker, der diese Themen in seinen Songs aufnimmt?

Auf der Bühne: Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Rosenberg: Du musst manchmal mit solchen Inhalten vorsichtig umgehen, denke ich. Ich habe ja einen Anti-Trump-Song geschrieben. Das war ein Spaß, und er ist auch lustig gemeint. Ich nehme kaum politische Inhalte in meinen Songs auf, weil ich denke, dass es großartige politische Songwriter gibt, die das besser können als ich.

Wer denn zum Beispiel?

Rosenberg: Zum Beispiel Billy Bragg. Aber ich bin eben kein politischer Singer/Songwriter.

Aber du bist schon ein politisch denkender Mensch?

Rosenberg: Natürlich! Ich habe meine Einstellungen. Es kommt aufs Thema an und darauf, ob es meine Leidenschaft anfacht, ob ich eine gute Idee, eine Aussage habe, dann würde ich sie auch teilen. Aber ich finde auch, dass meine Meinung nicht mehr zählen sollte, als die Haltung von irgendjemandem anderen. Nur weil ich eine Plattform habe, nur weil ich eine Menge Leute erreiche, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass ich mich zu allen möglichen Dingen äußere. Aber um auf deine Grundfrage zu kommen: Ich bin tieftraurig, zutiefst betroffen von dem, was da gerade in Großbritannien passiert ist, was auf der ganzen Welt an Terror passiert. Musik ist eine Art von Flucht aus der Politik, eine Zuflucht vor der beängstigenden Welt, in der wir leben. Deshalb will ich dann nicht auch noch von Politik anfangen, weil meine Musik vielleicht sowas wie eine Zuflucht bietet.

Auf der Bühne: Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Was ist deine Botschaft? Was soll deine Musik rüberbringen? Einfach nur eine gute Zeit zu haben…?

Rosenberg: Nein, so war das nicht gemeint. Da gibt es eine ganze Reihe von Botschaften in meiner Musik. Sie steht für Empathie, Hoffnung, Humanität. Es geht mir schon drum, Musik zu machen, die jeder versteht und jeder fühlen kann. Wie „Let Her go.“ Vielleicht sind sie sowas wie Essays. So wie “Imagine” von John Lennon. Den Song versteht jeder! Man brauchte nur jemanden, der das zum Ausdruck brachte.

Mike, du bist grad 33 geworden, was noch sehr jung ist. Jedenfalls aus meiner Sicht. Was ging dir durch den Kopf, als du an diesem Geburtstagsmorgen aufgewacht bist?

Rosenberg: Ach, ich vergesse sowas immer schnell.

Na, komm schon!

Im Interview mit Mike „Passenger“ Rosenberg. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Rosenberg: Mhm, ich hätte niemals gedacht, dass ich mal so erfolgreich sein würde. Als Busker spielte ich manchmal vor 200 Leuten abends. Das fand ich cool. Ich weiß nicht… Ich bin immer noch völlig überrascht, über all das hier… Andererseits passen sich Menschen ihrer neuen Umgebung ja schnell an. Als ich diesen Hit hatte, da hatte ich diese sechs Monate, eine Zeit, wo ich manchmal nicht mal wusste, wo ich war. Und irgendwann dachte ich dann: Okay, das ist also dein neues Leben. Ich bin auch sehr stolz, und ich habe unglaubliches Glück mit meinem Management, den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite. Und ich finde es gut, dass ich bei unabhängigen Labels veröffentliche.

Dein größter Wunsch?

Rosenberg: Für die Welt, dass die Menschen nicht weiter auseinanderdriften. Trump ist eine ganz spezielle Sache, aber das beängstigendste ist doch, dass die Menschen sich weiter voneinander entfernen, statt sich näherzukommen.