Die Bühne ist dunkel. Nur einzelne Spots lassen die Akteure wie Schatten erscheinen. Und das rote Licht lässt die Musiker in ihren ebenso roten Klamotten noch weiter verschwinden. Keno Langbein wird spärlich beleuchtet, so wie ein Suchscheinwerfer auf offener See. Basstöne dominieren. Als Moop Mama ihr Konzert am Donnerstagabend im Bonner Brückenforum mit „Meermenschen“ eröffnen, erleben die Fans kollektive Gänsehautstimmung. Es sollte aber nicht bei bedächtlicher Stimmung bleiben. Moop Mama und ihre 1400 Gäste feiern Party. Und wie!
Von Dylan Cem Akalin
„Der Volksmund schreit, das Boot sei voll, doch das Boot ist voller Lecks/Zu viele sind der Sache auf den Grund gegangen/Und Vater Staat verrichtet weiterhin sein großes Geschäft verteidigt den Tellerrand um unser Land.“ Ich schaue mich um. 98 Prozent junges Publikum. Studentisches Klientel, würde ich sagen. Junge Frauen und Männer, die jede Zeile mitsingen. Der Song drückt aus, was viele denken, was sie alle beschäftigt. Und mit anderen Stücken sieht es nicht anders aus.
Was die Musik der zehnköpfigen Blaskapelle aber so ausmacht, das ist der Stil, das Lebensgefühl zwischen Zirkusarena, Partymeile und Protesthaltung. Sie selber nennen ihre Musik „Urban Brass“ und sehen sich selbst in der Tradition der Marching Bands. Und deshalb tragen sie – natürlich persiflierte – Uniformen. Und besingen tun sie das ja auch: „Wir sind eine Marchingband/Tauchen auf einmal an Ecken auf wie ne Straßengang/Haben es auf dich abgesehn wie Uncle Sam.“ Der Text bezieht sich die die Ursprünge der ursprünglich Münchner Truppe: Moop Mama wurde ja bekannt mit ihren Guerilla-Gigs. Sie tauchten regelmäßig ohne Ankündigung auf irgendwelchen öffentlichen Plätzen auf und spielten so lange, bis die Polizei auftauchte. Moop steht schließlich für „Matter Out of Place“.
Was eben wirklich niemanden ungerührt lassen kann, ist die bizarre Mischung aus Blasmusik, Hip-Hop, Soul und Funk, das Ganze übertragen auf Rockprinzipien. Da hauen die Bläser auch schon mal fette Hooks wie laute E-Gitarren raus. Und der Jazz spielt selbstredend auch eine nicht unbedeutende Rolle – besonders, wenn die Bläser zu Soli ansetzen. Vor allem wenn Menzel Mutzke (Bruder von Max!) seine Trompete zu den Lippen führt. Und dann kann sich ein Stück schon mal vom poppigen Hip-Hop zu einem Psychedelic Rock-Stück entwickeln. Am Ende aber bleibt alles ein ganz großer tanzbarer Spaß.
Liebe zwischen einem Polizisten und einer Aktivistin
MC Keno rappt über ein Megaphon, läuft über die Bühne, steigt auf ein Kinderfahrrad, feuert die Musiker gleichsam wie das Publikum immer wieder an. Derweil sorgen die Bläser und Drummer/Percussionisten für ungebremste Fanfaren, klingen auch schon mal wie die frühen Chicago oder scratchen über ihre Instrumente wie über den Turntable.
Klar, sie singen auch ihren neuen Song „Molotow“, ein Stück über die Liebe zwischen einem Polizisten und einer Aktivistin. Die Idee dazu sei ihm bei den G20-Krawallen in Hamburg gekommen, so Sänger und Rapper Keno Langbein, der seit einiger Zeit dort lebt. Gründer und Saxofonist Marcus Kesselbauer ist eher einer, der die Jungs laufen lässt und sich hin und wieder auf seinem Instrument austobt. Aber was zählt, ist das Gesamtbild mit den Posaunisten, Saxofonisten, Trompetern, dem auffälligen Sousafonist, der dem Sänger manchmal wie ein Tieftöner auf zwei Beinen wie ein Schatten folgt. Zwei Schlagzeuger und ein Walking Bass komplettieren die Kapelle. Man mag denken, dass es MC Keno nicht leicht hat, sich gegen die Gebirge aus Brass-Sounds stimmlich durchzusetzen. Tut er aber. Und es sieht federleicht aus.
So leicht, wie der ganze Saal von mehr als 1400 Leuten wie auf Knopfdruck von Anfang an mitgeht – und zwar bis in die letzte Reihe. Vorne ist eh die Hölle los, vor allem, wenn Sänger Keno Langbein ins Publikum geht. Von der Empore aus sieht es aus, als würde er in ein tosendes Meer steigen. Die Stimmung? 1400 machen Krach wie 10.000. Tanzen. Singen. Kein Wunder, dass die Herzen schneller schlagen, als man denken kann („25/8“): „Und es wird Zeit mir selber Beine zu machen“, heißt es da. Schön wär’s. Oder spricht die Band die wenigen Alten an im Publikum? „Jahrelang für andere gearbeitet wie Heinzelmänner/Ich hab noch viele Pläne…“
„Party mit Haltung, Spaß fürs gute Gewissen“
Es ist wohl diese Kombi aus Guter-Laune-Musik und aufrüttelnden Texten, die Moop Mama zu einer so angesagten Band macht. Vieles aus den Texten kommt einem selbst bekannt vor. „Herr der Lage“ ist solch ein Song, der in jede deutsche Stadt passt, in jedes Wohnviertel in den Vororten: „Wer beschloss, dass Häuser kalte Glaskästen sind/Als ob die alle von einem einzigen Architekten sind.“ Und dazu diese leicht psychedelic-rockige Grundstimmung. „“Moop Mama“ macht Party mit Haltung, Spaß fürs gute Gewissen“, schrieb der Darmstädter Echo mal so treffend.
Ob Seenotrettung für Flüchtlinge im Mittelmeer, Glaspfand für die Trinkwasser-Entwicklungshilfe, Fahrverbote für Diesel oder die freie Liebe. Die Truppe küsst sich, wackelt über die Bühne, springt und verbreitet gute Laune. Gelernt ist gelernt. Bei ihren Guerilla-Konzerten hatte Moop Mama schließlich auch nicht viel Zeit, um das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Davon müsste es mehr geben. Schließlich ging es der Band auch darum, den öffentlichen Raum für sich zurückzuerobern. „Wir sind die, die die Bewegung starteten/Und ihr könnt jetzt anfangen uns nachzurennen“, singt die „Hardrockband unter den Blaskapellen“. Man möchte so sehr, dass sie es tun, die jungen Leute.