Palace bringen mit „Shoals“ ihr drittes Studioalbum heraus

Palace FOTO: Daniel Harris

Generell neigen wir ja nun einmal dazu, unsere Ängste pauschal als schlecht einzustufen: Angst, das ist diese finstere, schwer greifbare Kraft, die in uns allen schlummert und immer genau dann durchbricht, wenn man sie gerade am wenigsten gebrauchen kann. Nicht selten schieben wir sie weg, versuchen sie auszuklammern oder kleinzureden. Palace jedoch haben sich auf Shoals, ihrem dritten Studioalbum, ganz bewusst auf dieses Gefühl eingelassen – sie wollten ihre Ängste packen, ihnen entgegentreten, diesem ungeliebten Phänomen in all seinen Formen zu Leibe rücken.

Von zittriger Bangigkeit bis zu nächtlichem Grauen, von der Sorge ums eigene Ich bis hin zu universellen, existentiellen Bedrohungen, umspült Shoals sämtliche Facetten der Angst; es ist ein Trip durchs Land der Phobien, bis einen ganz am Schluss doch noch so etwas wie Linderung und Erlösung erwartet. Dort steht die Einsicht, dass Angst durchaus gut für uns sein kann, dass sie aus gutem Grund ständiger Begleiter und fester Bestandteil unseres Lebens ist. „Es ist fast schon eine Art Liebesbrief an die Angst – und an alle Menschen, die sie spüren“, sagt Leo Wyndham, Sänger der Band, über Shoals.  

Palace im Homeoffice

Eine Einsicht, zu der Palace erst mal gelangen mussten. Schließlich war den Bandmitgliedern keineswegs klar, dass sie einen derartigen Trip aufnehmen würden, als sie im vergangenen Jahr die Arbeit am dritten Album begannen. Der erste Lockdown hatte gerade erst alles verändert, sie saßen in ihren Wohnungen fest, jeder für sich, verteilt über ganz London. Anstatt also wie sonst ein Studio aufzusuchen und dort die Köpfe zusammenzustecken, hielt jeder von ihnen – Wyndham, Gitarrist Rupert Turner und Schlagzeuger Matt Hodges – die Füße in den eigenen vier Wänden still, und man schickte sich erste Ideen hin und her. Palace im Homeoffice.  

Aber auch etwas durchaus Befreiendes hatte diese neue Arbeitsweise, kommentiert die Band rückblickend das Versenden und Empfangen von Voice-Messages, das Hoch- und Runterladen von Dateien, die dann individuell erweitert und ergänzt wurden, immer neue Formen annahmen, bis aus drei individuellen Ansätzen schließlich ein Ganzes wurde. „Wenn man nicht zusammen im selben Raum sitzt, zerbricht man sich auch nicht so leicht den Kopf – und man hinterfragt auch nicht immer alles“, berichtet Wyndham. „Man schreibt halt seinen Part und schickt ihn weiter zum nächsten. Echt seltsam, aber das war auch irgendwie erfrischend, so zu arbeiten. Die Songs fühlten sich wirklich gut an, weil sie von Anfang an so klar definierte Konturen hatten.“  

Als das komplette Album dann mehr oder weniger im Kasten war und sie die Resultate noch mal als Ganzes durchhörten, erkannten sie den roten Faden: Den Angstfaktor. Die anfängliche Klarheit der Songideen sei sehr wichtig gewesen, um die Gefühle aufzudröseln, die kombiniert den Kern des Albums ergeben, sagt Hodges. „Ja, die meisten dieser Stücke handeln von komplexen Gefühlen, die Menschen nun mal haben. Und manchmal ist es eben ganz schön schwer, sie zu artikulieren. Bis wir also bei der Angst landeten: Sie wurde zu einer Art Aufhänger, um durch sie all diese Dinge herauslassen zu können.“  

Realität und Traumwelt

Die Worte wiederum formten und beeinflussten die Musik, die nicht selten aus der verschwommenen Grenzregion zwischen Wachsamkeit und Schlaf stammt, aus jenem Dämmerzustand, der unsere Furcht und Sorgen an die Oberfläche treten lässt. So seien die neuen Songs „von den seltsamen Dingen inspiriert, die mir kurz vor dem Einschlafen in den Sinn kommen“, wie Wyndham es formuliert. „Da bildet sich dann eine Art Förderband im Inneren, das all diese Emotionen ans Licht bringt. Das neue Album entfaltet sich in jenem Raum, in dem Realität und Traumwelt ineinandergreifen und nicht mehr zu unterscheiden sind.  

Wie der Titel Shoals – Untiefen – vermuten lässt, spielt das Meer im Verlauf des Albums immer wieder eine zentrale Rolle. In nahezu allen Songs taucht dieses Motiv auf. „Mich zieht’s schon mein ganzes Leben zum Ozean, zum Meer. Ich habe es schon immer geliebt, im Meer zu sein“, so Wyndham, der den wässrigen Teil der Welt auch immer wieder als Metapher für die unterschiedlichsten Geistes- und Gemütszustände heranzieht. „Das Meer ist so ein geheimnisvoller Ort – aber auch so wunderschön. Und natürlich ist der Ozean zugleich extrem gefährlich, schließlich kann er dich auch verschlucken.“  

Palace FOTO: Daniel Harris

Auch die Musik erinnert an so ein riesiges Gewässer: Mal liegt sie ganz ruhig und reflektierend da, mal geht es stürmisch und turbulent zu, wenn die ganze Kraft dieser Wassermassen durchbricht. Sprich: Die dezenten Surf-Vibes der ersten beiden Palace-Alben sind nicht gänzlich abhandengekommen, aber dieses Mal ist zugleich deutlich mehr Respekt für die Kraft des Ozeans zu spüren. „Surf-Psych meets Shoegaze“, könnte man vielleicht sagen, zumindest beschreiben diese Begriffe den neuen, experimentellen Sound von Palace recht gut. Fürs dritte Album konnten Palace auch endlich ihren Wunschproduzenten Leo Abrahams gewinnen – bekannt für seine Arbeiten mit Brian Eno, Jon Hopkins oder auch Imogen Heap.  

Palace haben während der Arbeit an Shoals sehr viel gelernt, sie war auch ein innerer Reifeprozess: „Was das Thema Angst angeht, sehe ich da inzwischen ganz klar ein Bedürfnis“, sagt Wyndham. „Ganz egal, ob jemand stirbt, ob mit dir Schluss gemacht wird oder was auch immer: Man braucht diese Rückschläge und diese Erfahrungen, um sich lebendig zu fühlen. Um überhaupt das Gefühl zu haben, dass man noch atmet. Es geht also nicht darum, sich vor diesem Gefühl zu fürchten – sondern darum, sich einzugestehen, dass man sich stärker darauf einlassen muss.“ (Quelle: Virginmusic)

Palace Live

19.02. Köln – Luxor

25.02. München – Strom

02.03. Berlin – Heimathafen

05.03. Hamburg – Mojo