Wer erinnert sich noch an die letzte R(h)einkultur in Bonn? 2011 spielte Razorlight in Bonn, ansonsten herrschte zehn Jahre Sendepause. Johnny Borrell war mal einst für Rockstar-Exzesse bekannt, jetzt präsentiert er mit Olympus Sleeping die erste neue Razorlight-Platte nach zehn Jahren – und ziemlich unverhohlenen Gitarren-Pop, aber immer noch mit vielen Anklängen an den Punkrock der frühen 80er Jahre.
Von Dylan Cem Akalin
Die Stimme zu Beginn des Albums klingt unbeteiligt: „Genie, this is Aladdin. Give me a Razorlight album that doesn’t totally suck.” Nun, total scheiße ist das Album freilich nicht. Und „Indie Big Mouth“ Johnny Borrell zeigt tatsächlich wieder einige Songwriterqualitäten, und dass er singen kann wird ja auch keiner bestreiten.
Der Mann, der einst mit seinem Rüpel-Image kokettierte, gerne auf einer Harley Davidson einen Rockstar aus den 70ern mimte, hätte auch gut wie Pete Doherty abstürzen können, mit dem der Razorlight-Frontman kurzzeitig bei den Libertines zusammengespielt hat. Und tatsächlich schienen sich die beiden zwischen Genie und Wahnsinn wankenden Briten gerne in nichts nachzustehen. 2004 verschwand Borrell während einer Show in Denver einfach von der Bühne, weil er keine Lust mehr hatte, und die Musikmagazine liebten den Rock-Asi, weil er auch mit rustikalen Kommentaren über Kollegen nicht geizte, die Freundin von Strokes-Gitarrist Albert Hammond Jr. als Hure beschimpfte oder die Musik der Kooks als „das Furchtbarste, was ich je gehört habe“ bezeichnete.
Vice, The Cure und Kings of Leon
Nun ist er also zurück. Und dem NME verriet er, dass es ihm diesmal darum gehe, „den englischen Indie-Gitarren-Pop zu umarmen. Das ist es, was ich liebe.“ In den Nullerjahren hätte er jedem ins Gesicht geschlagen, der Razorlight als Indiepop-Band bezeichnet hätte. Und jetzt verneigt sich der Mann gar vor Bands wie Vice, The Cure und Kings of Leon. „Dieses Album ist quasi mein Liebesbrief an diese ganz bestimmte Art von Musik, nämlich jene, die so viele Menschen inspiriert hat, Bands zu gründen oder zu folgen“, erzählte Borrell im Presseinfo zu „Olympus Sleeping“
Augenzwinkernd und ergreifend
Auch wenn es zunächst mit „Got to Let the Good Times Back into Your Life“ zunächst relativ monoton dahintreibt. „Good Night“ ist glatt und schnell und relativ simpel gestrickt, mit eingängigem Schreien und einem Sprechgesang, während „Iceman“ – „Yeah I sing for weddings, I do bar mitzvahs too“ – gleichzeitig augenzwinkernd und ergreifend ist.
„Iceman“ und das letzte Stück „City of Women“ zeigen dagegen die Vielseitigkeit der Londoner Band, die einen etwas langsameren Ansatz pflegt, was das Mitsingen erleichtert. Das sind dann die Songs, warum wir einst Razorlight geliebt haben.
Die vielen Gesichter von Razorlight
Sie waren vielleicht schon über ein Jahrzehnt weg, aber das Album klingt wie ihr Debüt. Vielleicht auch, weil es so viele Gesichter zeigt, vom etwas punkrockigen „Good Night“, dem Garagerock „Japanrock“, über den Popsong „Carry Yourself“, den an The Clash erinnernden Song „Midsummer Girl“ bis zum wirklich schönen, leicht hymnenhaften „Razorchild“. Bleibt die Hoffnung, dass es Borrell nicht vergeigt…