Über zweieinhalb Stunden pures Vergnügen. Little Steven and the Disciples of Soul überzeugen am Mittwochabend im Kölner E-Werk. Ein fantastischer Abend.
Von Richard Bongartz
Wir lassen die verrückte Welt da draußen, das Einzige, was hier zählt, ist die Musik: Mit seinen Soul-Jüngern im Rücken spielt Little Steven gern die Rolle des Rock’n’Roll-Predigers. Zu Recht: Denn was die Band den Fans im Kölner E-Werk in mehr als zweieinhalb Stunden um die Ohren haut, ist ein perfekt arrangierter Trip durch die Geschichte des Blues und Rock – die der 67-jährige Steven Van Zandt maßgeblich mitgeschrieben hat – unter anderem als Gitarrist seines Kumpels Bruce Springsteen, mit dem er schon als Jugendlicher befreundet war. (siehe Interview)
Peter Rüchel sagt Little Steven an
Er ist es auch mit WDR-Rockpalastbegründer Peter Rüchel, der am Anfang mit seinem langen, schneeweißen Haar vom Balkon aus einen ganz besonderen Abend verspricht und nachher das Konzert entspannt vom Mischpult aus verfolgt. Die 15 Musiker starten mit „Sweet Soul Music“ von Arthur Conley, und gleich fühlt man sich an die Blues Brothers erinnert. Steven hat fünf Bläser an Bord, deren Zusammenspiel er mit seiner Erfahrung meisterlich arrangiert hat und die – wie alle anderen auch – mehrfach bei Soli brillieren.
Der Sound ist von Anfang an voller Druck, vorn an der Bühne vielleicht fast schon zu kraftvoll. Hinten sind alle Instrumente einzeln und klar auszumachen. Schwamm drüber, dass hin und wieder die Boxen kurz aussetzen.
Viele Fans tragen Bandanas
Wie zu erwarten, ist das Publikum eher älteren Semesters, viele tragen wie ihr Idol ein Bandana auf dem Kopf. Steven widmet seine Auftritte den meist „blassen Lehrern“, denen er Freikarten verteilt und Lehrpläne für die Jugend mit auf den Weg gibt. Bei einem der jüngeren Aufseher sind die guten alten Zeiten allerdings noch nicht angekommen, er bewacht gelangweilt die Behindertenempore. Währenddessen lobt Steven Van Zandt Motown und den mehrstimmigen Gesang der Temptations und huldigt mit „Down and Out in New York City“ James Brown –das verspielteste Stück des Abends, in dem die 70er durch die markante Querflöte voll durchscheinen.
Zum Retrocharme tragen auch JaQuita May, Sara Devine und Tania Jones bei, die tanzend ihre Background-Vocals in der ersten Reihe singen dürfen, und dabei an Chiffon, Crystal und Ronette aus der Verfilmung des „Kleinen Horroladens“ erinnern – inklusive einiger Schubidus bei „The city weeps tonight“. Wem das zu kitschig ist, wird mit der krachenden Gitarre à la Ennio Morricone bei „Standing in the line of fire“ entschädigt. Das Publikum hat Spaß, die Band auch, wie es am stets lächelnden Lowell “Banana” Levinger von den Youngbloods zu sehen ist. Beim wunderschönen „Princess of little Italy“ lässt er mal die Finger von den Tasten und greift zur Mandoline.
Little Steven ant the Disciples of Soul spielen sich durch ihre Bandgeschichte. „Bitter Fruit“ und „Out of the Darkness“ (im ZDF früher übrigens Titelmelodie von „Na siehste“ mit Günther Jauch) dürfen nicht fehlen. Mit „Out of Control“ gibt es noch ein U2-Cover, das übrigens auf dem Live-Album vom April fehlt. Ein kluger Schachzug, das bei laufender Tour rauszubringen. Am Merchandising-Stand war es schnell ausverkauft. Ein schöne Erinnerung an ein grandioses Konzert.