Neues auf Vinyl: Jutta Hipp und The Allman Brothers Band

Jutta Hipp: With Zoot Sims Lp [Vinyl LP]
Label: Lasgo

The Allman Brothers Band: Live at Cow Palace [Vinyl LP] Doppel-LP, Volume 1-3
Label: Import (MFG Entertainment Service)

Zugreifen 1:

Jutta Hipp: With Zoot Sims: Vergessen und verschollen. Die deutsche Jazzpianistin Jutta Hipp war eine Sensation. Beim renommierten Jazzlabel Blue Note, war sie die erste ausländische und die zweite weiße Künstlerin überhaupt, die Blue Note unter Vertrag nahm. Jetzt ist eines ihrer seltenen Aufnahmen erneut auf Vinyl verlegt worden. Und das besondere von „Jutta Hipp With Zoot Sims“ ist, die am 28. Juli 1956 erschienene Platte sollte auch ihre letzte sein.

jutta-hippThe Allmusic gab dem Album zu Recht 4½ von fünf Sternen und merkte an: „as a whole, this recording is so wonderfully executed, one has to wonder why Hipp simply dropped out of the jazz world“. Richtig: Der coole Hard Bop kommt so authentisch rüber, die Band ist in einem solch mühelosen Fluss, dass es eine Freude ist. Doch was der Zuhörer kaum ahnt. Hipp hatte sich musikalisch immer mehr dem Rhythm & Blues verschrieben. War ihr Stil zunächst noch stark vom Swing geprägt, so veränderte er sich in den USA immer mehr – bis hin zum Rhythm & Blues. Hier auf der Aufnahme hört man auch noch den starken Einfluss von Horace Silver, weswegen sie damals sogar kritisiert worden war. Man kann aber ihren immer noch swingenden Bop genießen.

Hervorsticht indes besonders der großartige Tenorsaxophonist Zoot Sims, der gegenüber dem zu zögerlich wirkenden Trompeter Jerry Lloyd, der sich wohl eigentlich schon in den Ruhestand verabschiedet hatte, deutlich Kontur zeigt. Durchaus auch dominierend: die Rhythmusgruppe mit Bassist Ahmed Abdul-Malik und Schlagzeuger Ed Thigpen. Eine tolle Aufnahme, die in keiner Jazzsammlung fehlen darf.

Hipp selbst klingt einfach hinreißend mit einigen Originalwerken und Standards wie „Violets for Your Furs,“ „Almost Like Being in Love,“ and J.J. Johnsons „Wee Dot.“ Das Album verlässt bei mir zurzeit kaum den Plattenteller.

Zugreifen 2-4:

ab3The Allman Brothers Band: Live at Cow Palace: Das Donnern und Knallen ist kein Fehler auf der Platte. Es ist das Silvesterfeuerwerk, mit dem das Jahr 1974 begrüßt wird. Auf drei Doppelalben ist das Silvesterkonzert der Allman Brothers Band „Live at Cow Palace“ zusammengefasst – ein Schatz nicht nur für hartgesottene Allman-Fans. Das zweite Set der Headliner Allman Brothers beginnt etwa fünf Minuten vor der Mitternacht und leitet in den Eve Countdown des neuen Jahres über. Nach dem Countdown geht die Band mit dem Kick-off Lied „Statesboro Blues“ ins Neue Jahr.

Schon die Besetzung ist mehr als nur eine edle Garnitur: Neben der Kernband um Gregg Allman (lead vocals, organ, electric piano), Dickey Betts (lead guitar, slide guitar), Lamar Williams (bass), Chuck Leavell (piano), Butch Trucks (drums, percussion), Jai Johanson (drums) stehen Greadful Dead-Legende Jerry Garcia (guitar), Bill Kreutzmann (drums) und Boz Scaggs (vocals, guitar) auf der Bühne.

Die Aufnahme ist auch deshalb von Interesse, weil es den Höhepunkt der Popularität der Band darstellt. Im Sommer 1973 hatten die Allman Brothers mit Greatful Dead und The Band einen Rekord aufgestellt: Zum Summer Jam at Watkins Glen waren rund 600.000 Zuschauer gekommen, um die dato erfolgreichsten und beliebtesten Rockbands live zu erleben. Die Allmans verstanden es hervorragend den Southern Rock mit dem modalen Jazz zu verbinden. Der Jamfaktor stand bei ihnen ebenso hoch im Kurs wie bei den Dead.

ab2Silvester 1973 wollten sie unbedingt das San Francisco Konzertevent sein. Das Problem war indes, dass in Bill Graham’s Cow Palace traditionell die Dead spielten. Also tat man sich zusammen. Problem gelöst.

Nach Mitternacht konzentriert sich Band hauptsächlich auf Material aus “Eat a Peach” und ihrem damals neuen Album „Brothers and Sisters“. Sie spielen „Southbound,“ „Come And Go Blues,“ „Ramblin‘ Man“ und eine herausragende 13-Minuten Version von „Jessica“.

Einer der Höhepunkte dieser ganzen Nacht ist eine seltene Live-Aufführung von „Les Brers In A Minor“. Diese monumentale Melodie auf der zweiten Platte von Volume 2 leitet in eine ungewöhnliche Version von „Whipping Post“ über, wo sich die Band beginnt richtig ausstrecken und sich immer wieder und immer weiter in unbekanntes Terrain wagt. So ausgelassen und experimentierfreudig hat man die Allman Brothers, wohl auch dank Jerry Garcias musikalische Einlassungen, selten auf einer Aufnahme gehört.

ab1Boz Scaggs leitet dann dieses ungewöhnliche Konglomerat aus nachdenklichen und geradezu aggressiven Spielweisen eine weitere rund eine Stunde durch Jamsessions über Klassiker wie „Hideaway“ und „Bo Diddley“. Drei gar hervorragende Doppelalben, die man auf jedenfall alle hintereinander hören muss. Ein Hochgenuss!

(Dylan Cem Akalin)

Alle Vinyl-Alben sind übrigens bei Mr. Music in Bonn erhältlich oder

hier: Allman Brothers Jutta Hipp