KunstRasen Bonn: Interview mit Hartz über Preise und Sex & Drugs & Rock’n’Roll

Veranstalter Ernst-Ludwig Hartz in seinem Bonner Büro mit Gästebuch. FOTO: Dylan Akalin

Am 15. Juni starten Santiano die zwölfte Kunst!Rasen-Saison in der Bonner Gronau. Wie läuft der Vorverkauf?

Ernst-Ludwig Hartz: Insgesamt sind wir ganz zufrieden, ca. 75.000 Karten sind bis jetzt verkauft. Bei dem Überangebot, was wir in unserer Region haben, ist das gut. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass steigende Energiekosten und die Inflation auch das Kaufverhalten der Musikfans beeinträchtigt und das Geld nicht mehr so locker sitzt.

Wie ist das Preisgefüge beim Kunst!Rasen?

Hartz: Wir versuchen, die Preise im Rahmen zu halten, was aufgrund der deutlich gestiegenen Produktionskosten und auch der Gagen schwierig ist. Dennoch: Die Karten kosten bei uns zwischen 55 und 75,50 Euro für einen Stehplatz( inklusive aller Gebühren). Eine Ausnahme sind Brings, die ihre Karten deutlich günstiger angeboten haben. Außerdem gibt es neben dem Klassik!Picknick eine weitere Veranstaltung, bei denen wir keinen Eintritt nehmen – das Folk!Picknick. Carmen Emmert hat im zweiten Jahr wieder ein schönes Programm für den 8. Juli zusammengestellt – von Estrela Gomes über Zero Point Five oder Broom Bezzums.

Insgesamt rührt sich in der Szene eine gewisse Unzufriedenheit: Die Preise gehen steil nach oben. Man hat den Eindruck, da wird ordentlich die Schmerzgrenze der Fans getestet. Das Zwei-Tages-Ticket für einen Stehplatz bei Metallica in Hamburg kostete 238,60 Euro. Für die sogenannte Snake Pit-Experience, also den Platz direkt vor der Stegbühne haben Fans 3200 bis 4000 Euro gezahlt. 400 Euro für einen mittelmäßigen Platz bei Bruce Springsteen… Da sind die Tickets für Wacken und Rock am Ring mit rund 300 Euro ja noch fast moderat. Werden Rock und Pop zum Event für Superreiche?

Hartz: Ich hoffe nicht! Das sollte nicht passieren. Aber es ist tatsächlich auch ein Problem für Veranstalter wir uns, dass Konzertbesucher, die so immens teurere Tickets für eine Stadionshow kaufen am Ende kein Geld mehr für ein Konzert bei uns und anderen kleineren Konzerten haben.

Die ersten Reihen für Topkünstler sind für den normalen Musikfan geschweige denn für junge Leute kaum noch zu bezahlen. Sogar Band wie Tool nehmen mittlerweile astronomische Ticketpreise. In den USA sieht man, dass das Ende der Preisspirale offenbar noch nicht erreicht ist. Das „Power Trip“-Festival im Oktober 2023 in Indio, Kalifornien, mit Metallica, AC/DC, Iron Maiden, Ozzy Osbourne, Guns N’ Roses und Tool startet seine Tickets bei 664 US-Dollar mit Stehplätzen ganz hinten. Ich meine, das ist Heavy Metal. Wer in den ersten Reihen headbangen will, soll 1749 Dollar zahlen? Das ist doch Irrsinn. Wie siehst du das? Werden Wacken, Hurricane und Rock am Ring bald auch 1000 Euro und mehr für Front of Stage nehmen? Wie wird das in der Branche diskutiert?

Hartz: Ich finde die Kartenpreise auch zu hoch, aber Angebot und Nachfrage bestimmen halt den Preis, und solange die Besucher die Kartenpreise bezahlen, wird sich da nicht viel ändern. Das ist auf jeden Fall ein Thema unter den Kolleg*innen…

… die Gagen schießen in den Himmel…

Hartz: Ja, bei manchen Angeboten muss ich dann auch passen, wenn die Garantien zu hoch sind und sich diese finanziellen Risiken in Bonn nicht einspielen lassen. Mit einigen Bands und deren Agenturen versuchen wir, die Preise im Rahmen zu halten – ähnliche Preise wie im Vorjahr zum Beispiel. Aber aufgrund der deutlich gestiegenen örtlichen Kosten mussten wir die Kartenpreise in einigen Fällen anheben.  Aber es soll sich jeder einen Konzertbesuch bei uns leisten können.

Yes hat zuletzt ihre Tour abgesagt, weil sie die Versicherungssumme zu hoch empfand beziehungsweise das finanzielle Risiko bei Ausfällen nicht tragen wollte. Was ist das denn nun für eine neue Entwicklung?

Hartz: Zum speziellen Fall kann ich nichts sagen, wenn aber die Wirtschaftlichkeit einer Tour nicht gegeben ist, dann bleiben die zu Hause. Wenn der Veranstalter das Risiko nicht tragen will und der Künstler auch nicht, dann lassen die das lieber.

Steve Howe – Yes 2016 in Bonn FOTO: JaR

Zurück zum KunstRasen: Die Konzerte erfolgen in drei Blöcken mit einigem Leerlauf dazwischen. Warum ist das so?

Hartz: Das hängt oft mit der Verfügbarkeit der Künstler zusammen und den Festivals wo einige auftreten. Inzwischen fängt der Festivalsommer ja schon Anfang Juni an und geht bis in den September. Die meisten Tourneen sind im Juni und im August.

Bedeutet das für dich nicht höhere Kosten, wenn du die Bühne etc. Die ganze Zeit vorhalten musst?

Hartz: Ja, natürlich. Aber wir wollen das attraktivste Programm anbieten, und das geht dann nicht anders, als es in solchen Blöcken anzubieten.

Gibt es Shows, die ausverkauft oder fast ausverkauft sind? Bei welchen Konzerten müssen sich Fans sputen?

Hartz: Stand jetzt sind die Broilers ja seit längerem ausverkauft, Brings ist fast voll ,und sehr gut verkaufen sich Roland Kaiser, Simply Red, Placebo oder BAP. Wenn es den Front of Stage-Bereich gibt, ist der bei fast allen Terminen inzwischen ausverkauft.

Porcupine Tree 2022 in Oberhausen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Worauf freust du dich am meisten?

Hartz: Ich freue mich sehr auf Procupine Tree, Bon Iver, Placebo mit The Murder Capital und auf die Dropkick Murphys.

Das Programm reicht diesmal vom Schlagermonarch Roland Kaiser bis zu den Progrock-Königen Porcupine Tree: Dieses Konzept des breiten Angebots hast du im vergangenen Jahr auch schon verfolgt. Warum?

Hartz:  Wir wollen weiterhin für fast jeden Geschmack etwas anbieten, das Konzept hat sich inzwischen bewährt, und daran wollen wir auch festhalten. Und wie gesagt, es geht nach Verfügbarkeit der Künstler und Terminen, warum vielleicht der ein oder andere in diesem Jahr nicht nach Bonn kommen kann.

Ist Rock nicht mehr attraktiv beziehungsweise lukrativ genug? Oder ist die für den Platz vorgeschriebene Lautstärkeobergrenze ein Problem für Rockbands?

Hartz: Natürlich ist Rock weiterhin attraktiv und damit auch lukrativ, bei einigen Bands haben die Termine einfach nicht gepasst. Die Lautstärkebegrenzungen sind nicht nur auf dem Kunst!Rasen ein Thema. Da wir diese Problematik im Vorfeld aber mit den Künstlern klären, haben wir dann vor Ort keine Probleme und die Techniker halten sich an die Vorgaben.

Wie wirkt sich die zurzeit laufende Diskussion um Missbrauch- und Übergriffe-Vorwürfe bei Rammstein auf die Branche beziehungsweise die Ticketverkäufe aus? 

Hartz: Bis jetzt gottseidank noch nicht.    

Row Zero – das bieten nicht viele Künstler an, oder?

Hartz: Ich habe davon vorher noch nie gehört. Unsere Konzerte sind unbestuhlt, und in der Bühnenabsperrung steht nur die Security und keine Fans oder so!

Aufbauarbeiten auf dem KunstRasen 2019 FOTO: Dylan Cem Akalin

Groupies gibt es wahrscheinlich seit es die massentaugliche Populärmusik gibt. Welche Erfahrungen und Erlebnisse haben Sie mit diesen Fans gemacht, die ihrem angeschwärmten Star auch körperlich nah sein wollen?

Hartz: Wir erleben begeisterte Fans, aber in den Backstagebereich kommen die nicht. Vielleicht versuchen die Fans dann die Musiker im Hotel anzutreffen.

Du bist so lange in der Branche. Sex, Drugs and Rock ‚n‘ Roll ist ja nicht nur ein so hingeworfener Spruch, sondern auch Realität. Unterschätzen junge Mädchen und Frauen das, was in sogenannten After-Show-Partys abgeht? 

Hartz: Die wilden 70er oder 80er Jahre sind vorbei – heute fährt die Band meistens nach der Show direkt weiter zur nächsten Stadt. Natürlich wird auch gefeiert, bei den jungen Bands mehr als bei den älteren. Aber der Tourstress ist heute ein ganz anderer. Meistens fahren sie noch in der Nacht nach der Show schon wieder zum nächsten Act.

Aber es gab die? Details bitte!

Hartz: Nein, das möchte ich nicht.

Welche unorthodoxen Sonderwünsche haben Künstlerinnen und Künstler für Backstage? Von Paul McCartney weiß man zum Beispiel, dass der überzeugte Vegetarier Fleisch ist im gesamten Backstage-Bereich verboten ließ, ebenso wie lederbezogene Sofas. Aber das ist wahrscheinlich noch harmlos? Wer sind die härtesten und in der Branche gefürchtetsten Jungs und Mädchen?

Hartz: Die Sonderwünsche halten sich 2023 in Grenzen, bei Sting zum Beispiel wurden letztes Jahr mehr Garderoben benötigt, da mussten wir ein Produktionsbüro umbauen. Andere Künstler fragen nach einem Fitnessstudio in der Nähe, nach dem nächsten Golfplatz oder gehen in das Beethovenhaus. Oder der Künstler bringt seinen eigenen Koch mit der nur für ihn kocht – da musste im Backstage-Bereich auch schon mal eine extra Küche aufgebaut werden. Natürlich gibt es in der Cateringanforderung manchmal besondere Anforderungen nach speziellen Weinen oder Bieren – Christine und ihr Team der Food Armada versucht die Sonderwünsche soweit es möglich ist, zu erfüllen.

Ziehen Veranstalter jetzt Konsequenzen aus der Diskussion um Rammstein?

Hartz: Bis jetzt ist uns das nicht bekannt. Klar ist aber, dass die Security bei uns in diesem Jahr ganz besonders auf die Sicherheit junger Frauen achten wird – was sie aber eigentlich eh tut.

Was ist mit den Hardcorefans, die schon früh zum Konzert kommen?

Hartz: Das Härteste, was ich erlebt habe, war bei Konzerten der Kelly Family in den 90er Jahren. Ich habe die zweimal auf der Loreley veranstaltet. Da haben Fans Tage zuvor vor dem Eingang gezeltet. Heute wie damals gilt für uns als Veranstalter: Sicherheit geht vor. Bei Events wie Robbie Williams im vergangenen Jahr im Hofgarten haben wir für die Fans, die Front-of-Stage-Tickets hatten, einen besonderen von der Security begleiteten Einlass gehabt, damit das entzerrt wird.