Sein neues Projekt/Album „Unstatic“ stellt Manu Katché erstmals live in Bonn im Rahmen des Beethovenfestes am 6. Oktober in der Beethovenhalle vor.
Von Cem Akalin
Manu Katché trägt Mütze. Wie immer. Er ist viel zarter und kleiner, als er auf der Bühne hinter seinen Trommeln und Becken wirkt. Wir treffen den französischen Schlagzeuger Manu Katché in einem kleinen Büro von Q-rious Music im belgischen Viertel von Köln. Es ist bezeichnend für den bescheidenen Musiker, das Treffen nicht wie andere seiner Kollegen in einer repräsentativen Suite eines Hotels zu vereinbaren. Dabei ist Katché einer der bekanntesten unbekannten Stars der Musikszene. Kaum einer aus der Rock- und Popwelt, der Wert auf guten Sound und intelligente Zusammenarbeit legte, mochte in den vergangenen drei Dekaden nicht auf sein Drum- und Percussionspiel verzichten. Peter Gabriel, Sting, Joni Mitchell, Jeff Beck, Tears For Fears, Joe Satriani, Al Di Meola, Jan Garbarek. Die Liste ist lang.
Was Katché als Musiker ausmacht, das ist seine sehr authentische Fähigkeit zur Empathie, sich hineinzudenken in die Musik. Er ist nicht einfach Schlagwerker, er ist ein sensibler, kluger und verständiger Künstler. Peter Gabriel, so heißt es, hat er mit seinen Ideen aus der Klemme geholfen. Gabriel arbeitete gerade am Album „So“ und an dem Song „Sledgehammer“. Irgendwas wollte einfach nicht funktionieren. Ihm sei gleich aufgefallen, was für einen tollen Groove der Song gehabt habe. Katché kam und siegte: Nach drei Anläufen war der Song aufgenommen – und wurde zu einem der größten Erfolge Gabriels. Katché gehört bis heute zur Stammband des britischen Musikers.
In der Zwischenzeit hat er auf mehr als 300 Alben gewirkt: von Tori Amos, Dire Straits, den Eurhythmics, Herbie Hancock und vielen anderen. Und er hat seine Liebe zu unterschiedlichen Stilen in einer Reihe im Kulturfernsehen Arte ausspielen können: Da hat er ab 2008 in einer ganzen Reihe von Sendungen unter dem Titel „One Shot Not“ etliche Musiker zusammengebracht und mit ihnen gejammt. Selbst hat er in den vergangenen zehn Jahren gerademal fünf Alben unter eigenem Namen veröffentlicht. Auch wenn die ersten Arbeiten bei den renommierten Jazzlabels ECM und Act erschienen, richtig glücklich ist er mit seinem aktuellen Album. „Unstatic“.
Das neue Album klingt tatsächlich anders als die vorherigen. Es hat eine ganz andere Grundstimmung. Es klingt cooler, leichtfüßiger, lockerer. Manchmal funky, bisschen Latin. Songs wie „Ride MeUp“ haben geradezu gewisse Anklänge an den Fusion der 1970er Jahre. Und es steckt viel Seele drin. „Soulfood“, nennt das Katché. Da sind Melodien, die sofort ins Ohr gehen, wie etwa bei „Daze Days“ und „Rolling“.
„Genau darum geht’s“, sagt Katché. Er spricht akzentuiert, kann seine Gedanken klar in Worte fassen. Wir reden lange über Rhythmus, darüber welchen Stellenwert er in der Musik hat, wie Katché arbeitet, wie er komponiert. Das Erstaunliche: Der Rhythmus, die Drums und Percussion kommen bei ihm erst ganz am Schluss. „Ich komponiere immer am Piano“, erzählt er.
Die Melodie steht am Anfang. Akkorde und Harmonien spielen die Hauptrolle. „In einem sehr kleinen Teil meiner Gedanken höre ich den Rhythmus dazu. Er ist ja da. Irgendwo. Es geht ja mehr um eine Klarheit, einen Puls als einen ordentlichen Takt. Und wenn das alles steht, nehme ich mir den Bass vor. Aber nicht als Gimmick, sondern als Fundament. Ich schreibe dann häufig die Noten für die Bläser – nur um die Harmonien zu erkennen. Wenn ich das alles habe, dann kommt für mich der Rhythmus. Nichts Ausgearbeitetes. Einfach ein schneller Rhythmus, um das richtige Mittel zu haben. Wenn ich dann die Drums spiele, dann orientiere ich mich mehr an der Melodie als am Groove. Der Groove ist der Puls!“, erklärt er.
Und das ist das Geheimnis seines Erfolgs. Der Groove, das Spiel mit Trommeln und Percussionsmitteln sind für ihn keine reinen Taktinstrumente. Wenn Katché spielt, dann spielt er Melodie. In seinem musikalischen Denken gibt es keine Taktzahlen.
Und so fühlt sich auch sein aktuelles Album gegenüber den vorherigen – das letzte davor erschien 2012 – völlig befreit an. Und genauso fühlt er sich auch. Was ist inzwischen geschehen? „Ich werde alt“, sagt Katché lachend. „Nein, wirklich. Es ist ein Reifeprozess. Als ich 2005 ‚Neighborhood‘ gemacht habe, da kam ich aus der Rockindustrie und wollte nichts anderes, als einfach mal meine eigene Musik aufnehmen. Das war natürlich ein Risiko – und eine Herausforderung für mich. Und dann noch auf Manfred Eicher zuzugehen, der ja eine große Ikone des Jazz ist!“ Aber er sei nicht in der Lage gewesen, den Soul in sich zu äußern. Dafür hat er vier Alben gebraucht. „Ich habe ja 35 Jahre als Sideman gearbeitet“, erklärt er. „Da kann man nicht sofort auf Bandleader umschalten. Ich bin eben ein Spätentwickler“, witzelt er.
Aber das Wichtigste sei ja nicht, die Geschwindigkeit der Entwicklung, sondern der Prozess. „Deshalb ist mein aktuelles Album auch so wichtig. Nicht nur, weil ich es bei meinem eigenen Label herausgebracht habe. Sondern, weil die Drums den Raum bekommen, den ich ihnen zugestehe. Der Raum für die Drums ist die Marke, und die Marke ist der Sound! Die Beschaffenheit, die ich nachvollziehen kann. Und das gilt für den Sound der ganzen Band! Er inspiriert mich, weil er voller Soul ist. Solch ein Entwicklungsprozess ist unheimlich wichtig, sonst fühlst du dich niemals befreit!“
Und das tue er jetzt. „Aber was ich erreicht habe mit ECM und Act ist ja auch ein Teil von mir. Das war auch durchaus etwas Intimes. Aber ich fühle jetzt meine Seele, die du in der Musik hören kannst, und damit fühle ich mich befreit. Und ich weiß, wohin ich will. Ich weiß, es gibt Leute, die es zielsicher irgendwohin treibt. Aber ich bin einer, der Ruhephasen braucht und seine nächsten Schritte überlegt.“
Sein neues Projekt/Album „Unstatic“ stellt Katché erstmals live in Bonn im Rahmen des Beethovenfestes am 6. Oktober in der Beethovenhalle vor.