„Music is“ ist ein unverfälschter Blick in Bill Frisells Seele

Bill Frisell. Foto aus dem CD Booklet

Bill Frisell: Music is
VÖ: 16. März 2018
Label: Okeh/Sony Masterworks

Copyright: (P) 2018 Songtone LLC, under exclusive license to Sony Music Entertainment

Wie Regentropfen auf dem Blechdach fallen die Töne beim Eröffnungsstück „Change In The Air“. Sanft und in einem beruhigenden Rhythmus. Da geht es bei „Go Happy Lucky“ schon etwas sperriger zu. Aber so kennen wir Bill Frisell. Der Gitarrist mit den vielen Gesichtern hat sich 18 Jahre nach seinem Solo-Projekt Ghost Town (Nonesuch) wieder  alleine ins Studio begeben. Damals spielte Frisell elektrische und akustische Gitarren, 6-saitiges Banjo, nutzte Loops und spielte auch den Bass ein. Auf das Banjo verzichtet er diesmal, dafür arbeitet er aber mit Ukulele und Spieluhren. „Music is“ klingt wie eine Suche nach sich selbst, ein Freischwimmen durch das weite Universum seiner musikalischen Vorstellungen.

Von Dylan Cem Akalin

Und dabei geht er zaghaft und spielerisch vor. Meistens legt Frisell eine kleine Gitarrenmelodie vor und ergänzt sie dann raffiniert über zwei bis sechs Minuten mit überlagerter Gitarre, Bass oder anderen Saitensounds. Seit Ghost Town scheint in Bill Frisell etwas vorgegangen zu sein. Der Musiker lässt sich Zeit, geht sehr viel überlegter an die Sache ran. Und er belässt es bei prägnanten Statements. So ein vielschichtiges Werk wie „Kentucky Derby“ ist mit 2:05 eigentlich schon viel zu kurz. Andere Musiker würden die wunderbaren Ideen, die er da vereint, auswalzen bis zum geht-nicht-mehr. Frisell ist da selbstbewusst und wendet sich dann lieber neuen Aufgaben zu.

Und die Abwechslung ist Programm – wie es der Titel ja schon andeutet. „Made To Shine“ klingt fast wie ein Traditionel, „Miss You“ wie eine Referenz an Les Paul. Das Album ist wie eine Stoffsammlung seiner Ideen, wie eine musikalische Farbpalette aus dem Atelier.  Das 2000er Album bestand zwar auch hauptsächlich aus eigenen Kompositionen, einem Hank Williams Stück, einer Komposition von John McLaughlin und ein paar Standards. „Music is“ ist wie ein unverfälschter Blick in Frisells Seele, durch dessen melodische und harmonische Arterien Country, Americana Folk, Surf-Gitarrenrock, Gospel und natürlich Jazz fließen.

Fast jeden Tag steht Bill Frisell morgens auf, trinkt Kaffee und schreibt Musik, erzählt er. „Ich weiß nicht, woher die Melodien kommen“, sagt Frisell. „Ich versuche, nichts zu urteilen und lass es einfach geschehen.“ Und so hat man bei diesem Album tatsächlich das Gefühl, als würde man neben Frisell sitzen und dem in sich versunkenen Musiker beim Spielen zuhören.

Frisells Motto sozusagen ist „Musik ist gut“ – eine Aussage, die sein lieber Freund und großartiger Banjospieler Danny Barnes mal traf. „Das ist etwas, von dem ich sagen kann, dass es immer wahr ist. Es ist so perfekt. Alles, was ich wissen muss, ist der Satz ‚Musik ist gut‘. Ich habe das Album fast so genannt, aber dann dachte ich, dass das zu wörtlich sein könnte. Es ist gut, es offen zu lassen.“

„Solo spielen ist immer eine Herausforderung“, sagt Frisell. „Für mich war Musik schon immer etwas, dass man mit anderen Leuten macht. So wie eben ein Gespräch zu führen. Call and response. Alleine zu spielen ist eine Reise. Ich muss dabei wirklich anders denken.“ In Vorbereitung auf diese Aufnahmen spielte Frisell  eine Woche lang im The Stone in New York und probierte jede Nacht neue Musik aus den vielen Stapeln von persönlichen Aufzeichnungen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt hatten.“ Ich versuchte absichtlich ein wenig aus dem Gleichgewicht zu geraten. Unbequem. Unsicher. Ich wollte nicht auf die Muster zurückfallen, in denen ich mich sicher fühle. Und diesen Prozess wollte ich ins Studio übertragen. Ich wollte nicht, dass irgendwas vorher geplant war.“

So erklärt sich die breite Auswahl an Stilen. „Winslow Homer“  etwa klingt etwas beklemmend, und durch den schrägen Rhythmus so wie ein von Thelonious Monk beeinflusster Counry-Song. „Ron Carter“ wird getragen von einem durchgehenden Drei-Klang-Thema und hat eine Melancholie, wie man sie am frühen Morgen zum Ende einer langen Partynacht hat. Auf „What Do You Want?“ setzt er eine fast schüchterne elektrische Gitarre gegen elektrische Ambient-Geräusch ein. Das Ergebnis klingt wie ein ungemütlicher Frieden. Bei  „In Line“ umhüllen die Sounds einen perkussiven Abstecher, der sich in eine sanft scheuernde Klangwand aufbaut. Dröhnendes Piepen verwandeln den volkstümlichen „Rambler“ in eine abgedrehte Cowboy-Melancholie.

Die Sounds auf diesem fesselnden Album sind elektrischer, tiefer, klarer und nachhaltiger als bei Ghost Town, auf der er sich oft auf die akustische Gitarre stützte. Frisell zeigt uns, dass er und seine Gitarre nicht alleine sind, auch wenn er alleine spielt. Es ist ein Album zum immer wieder hören!