Moment maximaler Intimität: Foscor „Els Sepulcres Blancs“

Foscor FOTO: Promo

Eine subtile Melancholie transportiert die katalanische Band Foscor auf ihrem Album Els Sepulcres Blancs. Dunkler, fragiler Progressive-Rock aus der Schule des Art Nouveau voller entrückter Sounds.

Von Dylan Cem Akalin

Den Tipp zu diesem Album habe ich von einem Plattenhändler in Paris. Was er in dem Laden abspielte, machte mich neugierig. Umso erstaunter war ich, als ich las, dass es Foscor schon seit 1997 gibt. Els Sepulcres Blancs ist der zweite Teil eines als Trilogie konzipierten Projektes, das 2017 mit Les Irreals Visions startete.

Die Gruppe aus Barcelona gilt seit Jahren als eine der aufregendsten in Spanien. Die Metal-Band leitete mit „Les Irreals Visions“ einen Wendepunkt in der musikalischen Entwicklung der Band ein. Was sie mit „Els Sepulcres Blancs“ fortführen. J.F.Fiar meint, Foscor komme seiner eigenen musikalischen Sprache immer näher. Soundmäßig bleibt man beim klaren Gesang, und auch die Gitarren sind kaum noch verzerrt.

„Els Sepulcres Blancs“ ist der Titel eines Stücks des Dramatikers Jaume Brossa i Roger (1868-1919), eines Künstlers der Moderne. Das Drama entstand unter dem Einfluss von Henrik Ibsen und Gerhard Hauptmann und thematisiert auch die Engen und Abkehr von bürgerlichen Konventionen. Den Musikern geht es aber nicht darum, den Inhalt dieser Arbeit zu interpretieren, etwa so wie es Lou Reed mit Metallica mit Frank Wedekinds „Lulu“ gemacht haben. Vielmehr nutzen sie das Drama und den Titel als Metapher für den Verfall einer gesellschaftlichen Struktur, als Sinnbild für das Fin de Siècle, also einer kulturellen Epoche, die so sehr für den Übergang in die Moderne steht, verbunden mit einem gewissen dekadenten Eskapismus. Fiar selbst beschreibt in einem Interview, dass er lieber „vom Moment des Traums“ spreche.

Moment maximaler Intimität

Wenn eine katalanische Band den Moment der Erschütterung thematisiert und sich auf den Regenerationismus beruft, dann hat das aktuelle Gründe. Der Regenerationismus war eine intellektuelle und politische Bewegung im Spanien des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die nach objektiven Ursachen für den Niedergang Spaniens als Nation forschte, deren Ergebnisse auch wissenschaftlichen Forderungen gerecht werden sollte. Insofern ist dieses so verklärte Werk auch eine Reaktion auf den kulturellen Niedergang, der zu jener Zeit und heute in Katalonien erlebt wurde und wird.

Die Band betont immer wieder, dass ihre Musik keine Fantasy-Themen habe, sondern für eine „Metapher des Moments maximaler Intimität, durch den Sie die mögliche Veränderung, die Sie für die Gesellschaft suchen, aufdecken“. Auf diese Weise könnten sie eine subjektive Realität schaffen, „die Sie beeinflusst, durch Vorstellungskraft, Traum oder was auch immer“. „Die weißen Gräber sind also Gleichnisse für Träume, die darauf warten, in die reale Welt entlassen zu werden.

Echte Entdeckung

Dass das nicht ohne eine gewisse Traumhaftigkeit im musikalischen Ausdruck geht und eine bestimmte Morbidität gepflegt wird, dürfte klar sein. Hin und wieder, das stößt die alte Urkraft der Band sachte durch, indes hält sich insgesamt doch eine zu starke ätherische Gleichförmigkeit, die kaum Spannung erzeugt. Die Band muss bei all der intellektuellen und musikalischen Qualität auch darauf achten, dass die Ecken und Kanten, dass Dynamik und Energie nicht verloren gehen. Dennoch: eine echte Entdeckung.

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