Mitch Ryder wird 80: Die Rock-’n‘-Roll-Legende kehrt mit neuer Kraft zurück – am Sonntag in der Harmonie Bonn

Mitch Ryder, am 21. Februar 2016 in der Bonner Harmonie. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Seine Stimme ist rau, ungestüm und voller Leidenschaft – und auch mit 80 Jahren brennt Mitch Ryder noch für die Bühne. Am 26. Februar feiert die Rock-’n‘-Roll-Ikone einen runden Geburtstag und veröffentlicht mit „With Love“ ein neues Album. Am 23. Februar können Fans ihn live in der Harmonie erleben – Resttickets sind noch verfügbar.

Von Dylan C. Akalin

Mitch Ryders Stimme ist rau, durchdringend und voller Leidenschaft – eine Stimme, die an die Hochzeiten des Rock ’n‘ Roll erinnert und gleichzeitig tief in der Soul-Tradition verwurzelt ist. Wenn er singt, dann ahnt man eine intensive Dringlichkeit, die oft an die Grenzen der stimmlichen Belastbarkeit geht, ohne jedoch je an Ausdruckskraft zu verlieren. Der Mann besitzt die Fähigkeit, mit einem einzigen Schrei oder einer gedehnten Phrase die rohe Emotion eines Songs zu verdichten. Besonders auffällig ist sein exzessiver Einsatz von Shouts und growlenden Phrasen, die seine Songs antreiben und ihnen eine fast ungestüme Energie verleihen. 

Und diese Kraft hat er immer noch – vielleicht ein wenig anders, als vor 45 Jahren. Aber sie ist da. Am 26. Februar 2025 feiert Mitch Ryder seinen 80. Geburtstag. Als eine der prägendsten Figuren des Rock ’n‘ Roll hat er mit seiner unverwechselbaren Stimme und energiegeladenen Bühnenpräsenz Generationen von Musikliebhabern begeistert. Sein Lebensweg ist geprägt von beeindruckenden Erfolgen, persönlichen Herausforderungen und einer tiefen Verbundenheit zur Musik. Am Sonntag, 23. Februar, ist er ab 19 Uhr live in der Harmonie zu erleben. Es gibt noch Resttickets.

Frühe Jahre und Aufstieg mit den Detroit Wheels

Geboren als William S. Levise, Jr. in Hamtramck, Michigan, begann Mitch Ryder schon in jungen Jahren, sich für Musik zu begeistern. Während seiner Schulzeit sang er in der Band The Tempest und später in der Soul-Gruppe The Peps. Mit 17 Jahren nahm er die Single „That’s What It’s Going To Be/Fool For You“ auf dem Detroiter Label Carrie auf. 1962 gründete er die Band Billy Lee & The Rivieras, die sich 1965 auf Anraten ihres Managers in Mitch Ryder & The Detroit Wheels umbenannte. Mit Hits wie „Jenny Take A Ride!“, „C.C. Rider“ und dem Medley „Devil with a Blue Dress On/Good Golly Miss Molly“ erlangten sie nationale Bekanntheit. Ihre Musik verband den Motown-Soul Detroits mit energiegeladenem Rock ’n‘ Roll und legte den Grundstein für den Sound zukünftiger Rock-Acts.

Solokarriere und persönliche Herausforderungen

1967 entschied sich Ryder, auf Anraten seines Managers Bob Crewe, für eine Solokarriere. Doch die kommerziellen Erfolge blieben zunächst aus, und Auftritte in Las Vegas mit einer Big Band konnten nicht an frühere Triumphe anknüpfen. Enttäuscht zog er sich für einige Jahre aus dem Musikgeschäft zurück und widmete sich dem Schreiben und Malen in Colorado. In dieser Zeit reflektierte er über sein Leben und seine Karriere, was ihn letztlich zurück zur Musik führte.

Der legendäre Rockpalast-Auftritt 1979

Ein Wendepunkt in Ryders Karriere war sein Auftritt bei der fünften WDR-Rockpalast-Nacht im Oktober 1979 in der Essener Grugahalle. Trotz persönlicher Turbulenzen und offensichtlicher Betrunkenheit lieferte er eine Performance ab, die als eine der besten in die Geschichte des Rockpalasts einging. Der Moderator Alan Bangs beschrieb den Auftritt als „eine der besten Vorstellungen, die er je erlebt habe“. Dieses Konzert brachte Ryder eine treue Fangemeinde in Europa ein und markierte seinen Durchbruch auf dem Kontinent.

Zusammenarbeit mit Engerling und späte Anerkennung

Seit den 1990er Jahren tourt Ryder regelmäßig mit der deutschen Band Engerling durch Europa. Diese Zusammenarbeit führte zu mehreren Alben, darunter „Rite of Passage“ (1994) und „The Old Man Springs A Boner“ (2003). Im Jahr 2005 wurden Mitch Ryder & The Detroit Wheels in die Michigan Rock and Roll Legends Hall of Fame aufgenommen, 2009 folgte Ryders Aufnahme als Solo-Künstler.

Im vergangenen Jahr wechselte Mitch Ryder zum Label Ruf Records und veröffentlichte am 21. Februar 2025 sein neues Album „With Love“. Produziert von Don Was, zeigt dieses Album Ryders ungebrochene kreative Energie und seine Fähigkeit, rohe, persönliche Geschichten mit unverminderter Leidenschaft zu erzählen. Die Songs reichen von der entspannten Latin-Groove-Nummer „Oh What A Night“ über die satirische Partyhymne „Pass It To The Right“ bis hin zum rockigen „Wrong Hands“. In „One Monkey“ reflektiert er über die Überwindung von Sucht, während „Fly“ die Höhen und Tiefen seiner Karriere thematisiert.

Mit diesem Album und seiner neuen Band beweist Mitch Ryder, dass er auch mit 80 Jahren weiterhin musikalische Grenzen auslotet und seine Zuhörer mit authentischen und kraftvollen Darbietungen begeistert.

Ein Leben für die Musik

Mitch Ryders Leben war geprägt von Höhen und Tiefen, doch seine Leidenschaft für die Musik blieb stets unerschütterlich. Seine Fähigkeit, persönliche Herausforderungen in kreative Energie umzuwandeln, macht ihn zu einer inspirierenden Figur in der Musikgeschichte. Auch mit 80 Jahren steht er weiterhin auf der Bühne und begeistert Fans weltweit mit seiner unverwechselbaren Stimme und Präsenz.

Vergleichbar mit Little Richard oder Wilson Pickett  

In seiner Art zu singen erinnert er an die ungebändigte Kraft von Little Richard oder Wilson Pickett, doch während diese oft im Gospel verwurzelt waren, hat Ryder einen eindeutig rockigeren Ansatz. Besonders in seinen frühen Aufnahmen mit den Detroit Wheels hört man, wie er sich mit vollem Körpereinsatz in die Songs wirft – beispielsweise in „Devil with a Blue Dress On/Good Golly Miss Molly“, wo er mit hektischem Tempo durch die Strophen rast und dabei ein Gefühl von unkontrollierbarer Euphorie erzeugt. 

Der Groove in der Stimme 

Ein weiteres Markenzeichen ist seine Fähigkeit, Rhythmus und Groove allein durch seinen Gesang zu vermitteln. In „Jenny Take a Ride!“ setzt er punktierte Betonungen so geschickt ein, dass seine Stimme fast wie ein zusätzliches Rhythmusinstrument wirkt. Seine Phrasierung ist dabei oft überraschend – er spielt mit Tempowechseln, verzögert oder beschleunigt bestimmte Passagen und erzeugt so eine mitreißende Dynamik. 

Spätere Jahre: Mehr Tiefe, weniger Exzess 

In seinen späteren Jahren hat sich seine Stimme etwas verändert. Während die rohe Kraft geblieben ist, ist sein Gesang nuancierter geworden. Auf „How I Spent My Vacation“ (1978) und späteren Soloalben zeigt sich ein stärker bluesgetränkter Stil mit mehr Raum für Zwischentöne und eine gewisse Reife. Songs wie „Tough Kid“ oder „Ain’t Nobody White“ demonstrieren eine wärmere, reflektiertere Seite seines Gesangs. Hier hört man, wie er mit brüchigen Tönen arbeitet, Pausen nutzt und sich stärker auf Erzählkunst als auf stimmliche Explosionen verlässt. 

Seine Stimme heute 

Trotz seines Alters hat Mitch Ryder nichts von seiner expressiven Kraft verloren. Besonders auf seinem jüngsten Album „With Love“ (2025) zeigt er erneut, dass er noch immer diese feurige Intensität besitzt. Songs wie „Fly“ beweisen, dass seine Stimme noch immer die Energie hat, die ihn einst berühmt machte, nur mit mehr Reife und einem feinen Gespür für Emotionen. 

Sein Gesang ist und bleibt ein wilder Ritt – mal ekstatisch, mal melancholisch, aber immer voller Leidenschaft. Mitch Ryder ist ein lebendes Zeugnis dafür, dass wahre Leidenschaft und Hingabe zur Musik zeitlos sind. Sein Einfluss auf die Rock- und Blues-Szene ist unbestreitbar, und sein Vermächtnis wird noch lange nachklingen.

Die Texte von Mitch Ryders Songs sind oft von persönlichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Beobachtungen geprägt. In seinem 1978 erschienenen Album „How I Spent My Vacation“ präsentierte er neun Originalsongs mit weitgehend autobiografischen und bekenntnishaften Texten. Dieses Werk reflektiert seine inneren Kämpfe und bietet einen tiefen Einblick in sein Leben und seine Gedankenwelt.

„Devils & Blue Dresses: My Wild Ride as a Rock and Roll Legend“

In seiner Autobiografie „Devils & Blue Dresses: My Wild Ride as a Rock and Roll Legend“ hat Ryder sein bewegtes Leben und seine Karriere festgehalten. In diesem Werk schildert er seine frühen Jahre, den Aufstieg mit den Detroit Wheels und die Herausforderungen, denen er im Musikgeschäft begegnete. Ryder gewährt dabei tiefe Einblicke in die Höhen und Tiefen seines Lebens als Musiker und reflektiert über die persönlichen und beruflichen Erfahrungen, die ihn geprägt haben. Seine Erzählungen bieten nicht nur eine Chronik seines Lebens, sondern auch eine Reflexion über die Musikindustrie und die kulturellen Veränderungen seit den 1960er Jahren.

Zusätzlich zu seiner eigenen Autobiografie gibt es die Biografie „It Was All Right: Mitch Ryder’s Life in Music“ von James A. Mitchell. Dieses Buch zeichnet Ryders Leben und Karriere im Kontext der Entwicklungen in der populären Musik, Politik und amerikanischen Kultur nach. Mit reichhaltigen Kommentaren von Ryder selbst und einer flüssigen Erzählweise des Autors erhalten die Leser einen umfassenden Einblick in Ryders turbulente musikalische Reise, die bis heute andauert. Mitchell beleuchtet dabei nicht nur Ryders musikalische Errungenschaften, sondern auch seine persönlichen Kämpfe und seinen Einfluss auf die Musikszene.

Beide Bücher bieten einen tiefgehenden Blick auf das Leben eines Künstlers, der trotz zahlreicher Herausforderungen stets seiner Leidenschaft für die Musik treu geblieben ist.

Geschichten aus seinem Leben

In seiner Autobiografie teilt Mitch Ryder zahlreiche persönliche Anekdoten, die sein bewegtes Leben und seine Karriere beleuchten. Er schildert offen seine Erfahrungen mit den Höhen und Tiefen des Ruhms, den Versuchungen des Rock ’n‘ Roll-Lebensstils und den Herausforderungen innerhalb der Musikindustrie. Ryder reflektiert dabei auch über seine oft selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und die Auswirkungen auf sein persönliches Umfeld. Seine ehrlichen Einblicke bieten den Lesern ein authentisches Bild eines Künstlers, der trotz vieler Widrigkeiten seiner Leidenschaft für die Musik treu geblieben ist.

Eine besonders bemerkenswerte Episode beschreibt Ryders letzten gemeinsamen Auftritt mit Otis Redding am 9. Dezember 1967 in Cleveland, Ohio. Sie performten zusammen den Song „Knock On Wood“ in der TV-Show „Upbeat“. Tragischerweise verunglückte Redding am folgenden Tag bei einem Flugzeugabsturz. Diese Erfahrung hinterließ bei Ryder einen bleibenden Eindruck und verdeutlicht die Flüchtigkeit des Lebens im Musikbusiness.

Erfahrungen mit Drogen und Alkohol

Er beschreibt sehr offen seine Erfahrungen mit Drogen und Alkohol. Er schildert, wie der schnelle Aufstieg zum Ruhm in den 1960er Jahren ihn in einen Lebensstil voller Versuchungen führte, einschließlich des exzessiven Konsums von Substanzen. Diese Phase seines Lebens war geprägt von intensiven Tourneen, dem Druck der Musikindustrie und persönlichen Herausforderungen, die ihn tiefer in den Missbrauch von Drogen und Alkohol trieben.

Ein besonders prägnantes Ereignis war seine Begegnung mit John Lennon, die ihm half, von einem Selbstmordversuch abzusehen. In einem Interview erzählte Ryder, dass Lennon ihn in einer schwierigen Phase seines Lebens unterstützte und ihm neuen Lebensmut gab. Diese Erfahrung war ein Wendepunkt für ihn und half ihm, seine Suchtprobleme zu erkennen und anzugehen.

Darüber hinaus nutzt Ryder seine Autobiografie, um seine anhaltende Wut auf die Musikindustrie und bestimmte Persönlichkeiten wie Bob Crewe, Robert Stigwood und Bud Prager auszudrücken, die seiner Meinung nach seine Karriere negativ beeinflusst haben. Seine Schilderungen bieten einen tiefen Einblick in die oft harten Realitäten des Musikgeschäfts und die Kämpfe eines Künstlers, der versucht, seinen eigenen Weg zu finden.

Das Buch zeichnet ein lebendiges Bild von Mitch Ryders Leben, geprägt von Leidenschaft, Verlusten und einem unerschütterlichen Engagement für die Musik.

Long may you live!

Ryder reflektiert auch über die finanziellen Tiefpunkte, die durch seinen Substanzmissbrauch verursacht wurden. Er berichtet von Schulden in Millionenhöhe und den Auswirkungen auf seine Beziehungen und seine Karriere. Trotz dieser Herausforderungen gelang es ihm, sich von seinen Abhängigkeiten zu befreien und einen Weg zur Genesung zu finden. Seit fast zehn Jahren lebt er nun drogenfrei und konzentriert sich auf seine Musik und seine Familie.

Diese Erfahrungen haben nicht nur sein persönliches Leben, sondern auch seine Musik tief beeinflusst. Sie spiegeln sich in seinen Liedtexten wider und verleihen seinen Auftritten eine authentische emotionale Tiefe. Ryders Geschichte ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die Herausforderungen und den Triumph über die Widrigkeiten im Leben eines Rockmusikers. Vielen Dank, Mr. Ryder für deine Geschichten und deine Musik, deine tollen Konzerte. Long may you live!