James Hetfield (55), Lars Ulrich (55), Kirk Hammett (56) und Robert Trujillo (54) beweisen am Donnerstagabend im Rheinenergiestadion Köln, dass sie ihre Metall-Krone auch als Dinosaurier dieses Genre immer noch zu recht tragen. Rund 60.000 Fans feierten Metallica, und Metallica feierte Köln – mit einer Performance von „Viva Colonia“ und einem Abschlussfeuerwerk.
Von Dylan Cem Akalin
Natürlich hat Metallica großartig abgeliefert. Eins muss man den vier Metaltronikern lassen: Sie spielen mit einer überzeugenden Hingabe, dass kein Fan den Eindruck hat, dass das Quartett aus Los Angeles die Show schon unendliche Mal absolviert hat.
Und doch: Über den Sound auf der Tribüne bin ich schier entsetzt. Später war ich mal im Innenraum, wo er zwar wesentlich besser war. Aber weit von einem Klangvergnügen entfernt. „Here Comes Revenge“ (das sechste Stück im Set) kam so grottig rüber, dass ich am liebsten mein Eintrittsgeld von 121,15 Euro zurückverlangt hätte. Ab „Moth Into Flame“ hatte ich den Eindruck, dass endlich nachgebessert wurde. Bei den drei Zugaben war entweder der Sound deutlich besser – oder ich hatte mich daran gewöhnt.
Keine Toleranz für Rechts!
Noch etwas ist mir sauer aufgestoßen. Klar, wie viele andere Bands betonte auch James Hetfield von der Bühne, dass Metallica für Vielfalt und Toleranz steht, dass es egal sei, welche Hautfarbe, welche Religion oder welche politische Einstellung habe: „What do care is music and the celebrating of life – as a family.“ Ist Hetfield wirklich so naiv? Für rechtes Gedankengut gibt es meiner Meinung nach null Toleranz!
Und klar ist Metallica, denen die Tour nach Branchenkennern schon mehr als 150 Millionen Dollar eingespielt hat, mittlerweile ein Wirtschaftsunternehmen, das seine „Kunden“ mit Mails und Kaufangebote beschießt, wie kaum ein anderer Künstler. Vor dem Stadion werden Devotionalien (und eigenes Bier) verkauft wie weiland bei Wallfahrten im Mittelalter. Und weil Metallica organisiert ist wie der Apple-Konzern, gibt es auch keine offiziellen Publikumszahlen. Aber 60.000 werden es wohl in Köln gewesen sein.
Die Band beginnt mit „Hardwired“
Die Bühne mit den überdimensionalen Screens im Hintergrund ist gefühlte zwei Kilometer breit, tatsächlich fast 60 Meter. Das Schlagzeug in der Mitte sieht ziemlich verloren aus. Es gibt leider nur zwei Laufstege an der Vorderseite und keinen Steg, der tief ins Stadion ragt. Das bekannte Intro „The Ecstacy Of Gold“, der Ennio Moricone-Soundtrack zu „The Good, The Bad and the Ugly“ beginnt um 20:20 Uhr. Über die Leinwand flimmert offensichtlich ein altes VHS-Videoband. Die Qualität dieses Videos ist wirklich mies. Zum Glück sind die restlichen Bilder auf der Leinwand an diesem Abend besser.
Die Band beginnt mit „Hardwired“. Später in der Show erscheinen weitere Songs des letzten Albums, wie zum Beispiel „Moth Into Flame“ und „Spit Out The Bone“ in der Zugabe. Diese neuen Songs passen perfekt in die Show mit vielen alten Metallica-Stücken, die von den Hardcore-Fans Wort für Wort mitgesungen werden. Im Chorus von „Master Of Puppets“ muss James nichts tun, weil das ganze Stadion den Text schreit.
Metallica singt „Viva Colonia“
In „No Leaf Clover“ (aus dem 1999er Album S&M – Live), baut die Band den Höhner-Song „Viva Colonia“ ein und singen ihn auf Kölsch. Eine echte Gaudi und Gänsehautstimmung, als das ganze Stadion ihn mitsingt. Außerdem spielen sie noch „ManUNkind“ und „Orion“ an. Zum letzteren spielt Rob Trujillo ein tolles Basssolo – als schöne Hommage an den schon 1986 verstorbenen Cliff Burton, begleitet von altem Videomaterial in Zeitlupe. Wirklich toll gemacht.
Natürlich fehlen die großen Hits nicht. „The Memory Remains“ und „The Unforgiven“ kommen schon ziemlich zu Beginn des Konzertes. Einer der Höhepunkte ist „One“ – mit verrückter Pyro und Bildern wie von einem Bombenangriff. „For Whom The Bell Tolls“ beginnt etwas spacy mit Kriegsbildern im Hintergrund. Am Ende läutet die halb zerstörte Glocke zum aggressiven Gitarrenspiel von Kirk, der das Stück mit Donnergrollen beschließt.
Die Gitarren des Kirk Hammett
Und das sitzt Lars Ulrich plötzlich an einem Schlagzeug vorna auf dem Steg. Rote bedrohliche Landschaften begleiten im Hintergrund „Creeping Death“, zu dem Kirk ein fantastisches Solo spielt. Überhaupt ist der Mann ziemlich gut drauf und wechselt häufiger seine Gitarren mit fantasievollen Designs mit „Dracula“ oder „Boris Karloff“. Bei „Seek & Destroy“ schmettert das ganze Stadion mit. Eine tolle und überlange Version, die das reguläre Set schließt, aber gerade als jeder dachte, der Song sei beendet, dann nochmal für gut drei Minuten mit einem irren musikalischen Nachschlag fortgesetzt wird.
Natürlich kommen die Männer für ein paar zusätzliche Songs zurück. Immerhin sind zwei der bekanntesten Songs noch nicht gespielt worden. Nach dem harten „Spit Out The Bone“ kommt ein Lied, auf das viele warten: „Nothing Else Matters“ führt Kirk mit einem bluesigen Solo ein. Darauf folgt ein hervorragender Abschluss in Form von „Enter Sandman“ und jeder Menge Feuerwerk.
Starke Ausstrahlung und Energie
Wenn irgendjemand Zweifel daran hatte, ob Metallica immer noch schwer rocken kann, wurde am Donnerstag eines Besseren belehrt. Die vier Männer haben ihrem Kampfgeist noch nicht verloren. Es ist kaum zu glauben, dass es fast 30 Jahre her ist, dass ihr selbstbetiteltes Album, auch bekannt als The Black Album, die Thrash-Metal-Band in die Stratosphäre getrieben hat. In den folgenden drei Jahrzehnten mussten sie jedoch hart daran arbeiten, um an ihrem Glauben festzuhalten. Es gibt einen tollen Film über die eigenen Dämonen (Some Kind of Monster). Und auch ein sehr öffentlicher Streit mit dem Musik-Sharing-Service Napster hat ihnen bei manchen Fans die Sympathie verspielt. Aber die Zeit – und der nahe Zusammenbruch der Musikindustrie – haben gezeigt, dass Metallica Recht hatte.
Jetzt, fast 40 Jahre nach ihrer Gründung, haben James Hetfield, Lars Ulrich, Kirk Hammett und Robert Trujillo vor 60.000 Fans noch einmal eindrucksvoll die Faust erhoben, und sie klingen immer noch großartig – wie gesagt, etwas mehr Mühe beim Sound hätten sie sich (auch angesichts der irren Eintrittspreise) ruhig geben können. Dass es anders geht, haben erst kürzlich Bands wie The Cure oder Fleetwood Mac vor ähnlich großer Kulisse gezeigt.
Dennoch: Metallica betritt die Bühne mit einer Ausstrahlung und Energie, die man sich von vielen jüngeren Bands wünschen würde. Und Hetfields Gesang ist so kraftvoll wie auf den frühen Platten der Band.
Videos von Metallica in Köln
Setlist Metallica Köln 2019
The Ecstasy of Gold (Ennio Morricone song)
Hardwired Intro
Hardwired
The Memory Remains
Ride the Lightning
The Thing That Should Not Be
The Unforgiven
Here Comes Revenge
Moth Into Flame
Sad but True
No Leaf Clover (mit Solos von Kirk und Rob mit Viva Colonia, ManUNkind &
Orion)
Frantic
One
Master of Puppets
For Whom the Bell Tolls
Creeping Death
Seek & Destroy
Encore:
Spit Out the Bone
Nothing Else Matters
Enter Sandman