Lange galt er vor allem als Genie im Hintergrund, sei es bei den Orsons, Mine oder Cro. Spätestens mit dem 2021er Album „Am Rest“ zeigte er, dass er zu den interessantesten Songwriter*innen des Landes gehört. In der Kulturkirche in Köln spielt Brusch die Songs im reduzierten Gewand und rührt den Saal gut gelaunt zu Tränen.
Von Freda Ressel
Das Vorprogramm bestreitet Dennis Kiss, aus der Schweiz, der, etwas entnervt von der Deutschen Bahn, mit seinen melancholischen Texten und einer schön voll klingenden Akustikgitarre den Abend passend eröffnet und beim Publikum gut ankommt.
Auf Jeans und T-Shirt folgen Anzug, Schlangenlederschuhe und Seidenschal in Leopardenmuster – Tristan Brusch gibt sich optisch wie musikalisch wie ein Chansonnier der alten Schule, eher Cohen als Dylan, eher Udo Jürgens als Gisbert zu Knyphausen. Vor allem aber immer sehr eigen.
Mit „Am Rest“ hat er sein nahbarstes Album herausgebracht, live eingespielt mit vielen Texten über schmerzhafte persönliche Erlebnisse, und diese Nahbarkeit bringt er auch auf die Bühne. Dazu gehört auch das anfängliche Geständnis, dass er zwar sehr viele tieftraurige Lieder spielen werde, aber gleichzeitig am heutigen Abend unpassenderweise eine vorzügliche Laune habe. Statt sich also der Kunstfigur des leidenden Künstlers zu verschreiben, erzählt er zwischen den Songs launige Anekdoten, spielt zwischendurch auf dem E-Piano auch mal mit flachen Händen wie ein Kind, das das erste Mal am Klavier sitzt (natürlich nicht, ohne beim nächsten Song sofort wieder in die ernsthafte Virtuosität zu wechseln, wenn das Stück es verlangt). Einmal erinnert er gar an den großen Helge Schneider, als er schrecklich schief eine Pfeifeinlage macht und sich dabei über sich selbst kaputtlacht.
Tolle Kirchenakustik
Mit Haifischlächeln und einer bezaubernden Nonchalance führt er durch den Abend, obwohl bei all der guten Laune die Melancholie wirklich nicht zu kurz kommt. Mit einem Arsenal von drei Akustikgitarren, einer E-Gitarre dem erwähnten E-Piano spielt er die Songs im reduzierten Gewand, was bei den ohnehin eher etwas spartanischer arrangierten Stücken von „Am Rest“ eine noch stärkere Direktheit verleiht. Bei früheren Songs wie „Zuckerwatte“ vom 2018er Album „Das Paradies“, der in der Studioversion sehr überbordend und zuckrig klingt, bringt das reduzierte Setup die Stücke nochmal ganz anders auf den Punkt, vor allem, wenn Brusch einen Schritt zurücknimmt und das leise mitsingende Publikum in den Vordergrund treten lässt.
Die Kirchenakustik und die fantastische auf den Kirchensaal zugeschnittene Lichtshow tun ihr Übriges, sodass sicher kaum jemand im Raum ohne Gänsehaut oder feuchte Augen durch den Abend gekommen sein dürfte – spätestens bei „2006“, dem Stück über den Tod einer Jugendliebe, über deren besondere Beziehung Brusch noch einige berührende und ehrliche Worte verliert. Der Song, dessen etwas kitschiges Albumarrangement an Rio Reisers „Für immer und dich“ erinnert, hat diese sonderbare Art von Pathetik, die einem bei jedem anderen Künstler zu viel wäre. Brusch wiederum schafft es hier, seine Liebe perfekt auf den Punkt zu bringen – was wiederum eine Gemeinsamkeit mit Reiser ist.
Bittersüße Ballade
Im Anschluss präsentiert er einige neue Lieder, die Lust aufs nächste Album machen – vor allem die bitterdüstere Ballade „Am Herz vorbei“ bleibt hier in Erinnerung. Nach dem letzten Song „Das Leben ist so schön“, mit dem auch das Album schließt, gibt es noch zwei Zugaben, besonders schön hier, dass „Bleib doch einfach hier“ von der „Fisch“-EP den Abend abschließt, dessen Chöre das Publikum singt. Man merkt im Anschluss, dass viele den Songtitel wörtlich nehmen: am Merchandisestand suchen noch viele den Kontakt zu Tristan Brusch, lassen sich Platten signieren und mit kleinen Kunstwerken versehen. Ein perfektes Konzert für einen kalten Herbstabend.