Mit „The Absence of Presence“ ist das sechzehnte Studioalbum von Kansas erschienen. Das Progressive-Rock-Album, das von InsideOut Music veröffentlicht wurde, knüpft an das 2016 erschienene Album „The Prelude Implicit“ an. Aber da steckt noch mehr in dem Werk.
Von Dylan Cem Akalin
Der neue Gitarrist Zak Rizvi war für Kansas („Dust in the Wind“) offenbar ein Glücksgriff. Als die Prog-Pioniere vor vier Jahren nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder mit „The Prelude Implicit“ ein neues Werk vorlegten, staunte die Szene, wieviel Kraft in den alten Männern noch steckt – und Rizvi hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran, wieder neues Material einzuspielen. Jetzt legen die US-Amerikaner „The Absence of Presence“ vor – und damit eines ihrer stärksten Alben seit langem.
Rizvis Geschichte ist ein Traum, den wohl viele Anhänger einer Band haben: Er wurde vom Fan zum Gitarristen und Hauptkomponisten. Und dass das neue Album in weiten Strecken an „Leftoverture“ (1976) erinnert ist kein Zufall. Es ist eines seiner Lieblingsalben. „The Absence of Presence“ strotzt voller Ideen, Melodien, die in komplexe Songstrukturen eingebettet sind, voll leidenschaftlicher Geigen-Einlagen und rockiger Gitarren. Und erstaunlicherweise vermisst man nicht einmal Steve Walsh, der 2014 von dem wunderbaren Ronnie Platt ersetzt wurde.
Mit einer legendären Karriere von fast fünf Jahrzehnten hat sich Kansas fest als eine der klassischen Rockbands Amerikas etabliert. Diese „Garage Band“ aus Topeka veröffentlichte 1974 ihr Debütalbum, nachdem sie von Wally Gold entdeckt wurde, der für Don Kirshner arbeitete und weltweit mehr als 30 Millionen Alben verkaufte. Ihre Discography umfasst 16 Studioalben und fünf Live-Alben, darunter acht Goldalben, drei Sextuple-Platinum-Alben (Leftoverture, Point of Know Return, Best of KANSAS) und ein Platin-Live-Album (Two for the Show) und die Vierfach-Platin-Single „Carry On Wayward Son“ sowie eine weitere Dreifach-Platin-Single „Dust in the Wind“.
Kansas mit Phil Ehart und anderen
Kansas erschien in den 70er und 80er Jahren über 200 Wochen lang in den Billboard-Charts und spielte in ausverkauften Arenen und Stadien Nordamerika, Europa und Japan. „Carry On Wayward Son“ ist weiterhin einer der fünf meistgespielten Songs im klassischen Rockradio, und „Dust In the Wind“ wurde mehr als drei Millionen Mal im Radio gespielt. Die Band besteht derzeit aus dem ursprünglichen Schlagzeuger Phil Ehart, dem Bassisten / Sänger Billy Greer, dem Sänger / Keyboarder Ronnie Platt, dem Geiger / Gitarristen David Ragsdale, dem Keyboarder / Sänger Tom Brislin, dem Gitarristen Zak Rizvi und dem ursprünglichen Gitarristen Richard Williams.
Umso schönes ist es für die Fans, dass der alte Geist dieser Prog-Pioniere in dem neuen Album weht. Der Titelsong „The Absence of Presence“ eröffnet das Album mit hellen Klavierklängen und dann natürlich der Geige. Mutige, Bass- und Lead-E-Gitarren, unterstützt von schweren Drums, und Ronnie Platt singt: „I can see reflections drifting into space. Always through a mirror, never face to face. I know you’re here, but you’re not really there” Platt ist stimmlich näher bei John Elefante als bei Steve Walsh. Aber er ist gut, richtig gut. Vermisst wird Walsh wohl vor allem von den Hardcore-Fans.
„Throwing Mountains“
Eine sanfte Welle aus satten Synthesizern, weichen Trommeln und Bässen fließt über die Klanglandschaft, und Tom Brislin spielt ein fantastisches Synthiesolo. Überhaupt ist er auf dem gesamten Albums sehr präsent. Die führenden E-Gitarren betreten die Bühne, aber Brislins Orgelspiel ist hier nicht zu übertreffen. Die folgenden instrumentellen Duelle sind die ersten Highlights auf der Platte.
„Throwing Mountains“ ist ein unglaublich starker Song, wobei die Keyboards dem Sound mehr Kraft verleihen und sich perfekt mit den Gitarren verflechten. Mit einem leicht verständlichen Refrain und dem geschickten Einsatz von Violine, Keyboard und Gitarre kombiniert es die Klänge der 70er Jahre mit dem modernen Prog. Die Tempowechsel sind bemerkenswert und reichen von mehr symphonischen Eröffnungen zu heavyrockigen, kraftvollen Performances mit exzellenten Instrumentalabschnitten. „Jets Overhead“ eingängiger und die Struktur linearer. Die Schichten der Keyboards und der Geige entwickeln sich zu einer soliden rhythmischen Session, ein Stück, das sicherlich im Ohr bleibt.
„Memories Down the Line“
Sehr interessant mit melodischer Webarbeit von feiner Verarbeitung ist das Instrumental „Propulsion 1“. „Memories Down the Line“ bietet dem Zuhörer diese süßen verträumten Melodien im klassischen Kansas-Stil. „Animals on the Roof“ ist ein weiterer massiver Prog-Song, der mit superfeiner Qualität und Technik an die alte Schule erinnert. Die Keyboards sorgen wie im Rest des Albums für Energie und erzeugen mit der Gitarre köstliche Soundeinlagen. Der Gesang ist eine Stärke, da die Band uns über die Jahre gewöhnt hat, insgesamt einer der besten Songs auf dem Album.
„Never“ ist eine weitere Ballade, wie ihn nur Kansas bieten kann: ein einziges Sound-Kuscheln. Großartig: „The Song the River Sang“ ist so ein Stück, bei dem die Band ihre Vielseitigkeit ausspielt. Das Album zeigt eine Band in Topform und begeistert mit technisch sehr aufwändigem Sound, der den alten Kansas-Stil mit der neuen Progressive-Schule verbindet. Die Markenzeichen der Band sind gut erkennbar und Tom Brislins Einstieg als Keyboarder brachte einen Hauch von Frische und Energie hinzu. Dieses Album ist sicherlich eine der besten Veröffentlichungen der letzten Zeit, ein echtes Meisterwerk.