Das Cover alleine ist schon ein Hammer. Beth Hart sitzt an einem Klavier. An irgendeiner verlassenen Straße, die bewaldeten Hügel im Hintergrund verschwinden im Nebel. Aus ihrem Kopf dringen schwarze Wolken und ein gewaltiger Blitz. Es gibt Künstler, die ihre Gefühle zeigen, und dann ist da noch Beth Hart, die ihr Inneren nach außen kehrt. Ich weiß nicht, ob das eine Art persönliche Therapie ist. Sie hat schon so manche Beichte musikalisch abgelegt. Aber ihr neues Album War in My Mind bricht wohl alles.
Von Dylan Cem Akalin
Beim ersten Durchhören, waren mir manche Songs ein wenig zu dramatisch. Beim zweiten Hören entdeckte ich mehr Nuancen. Natürlich ist es ein Beth-Hart-Werk, doch etwas ist anders.
Die Singer-Songwriterin Beth Hart hat seit ihrem Debüt Mitte der 90er Jahre so manche berufliche und persönliche Höhen und Tiefen durchgemacht. Egal ob ihren Drogenmissbrauch, bipolare Probleme oder häusliche Gewalt – Hart hat alles auf den Tisch gelegt. Mit manchmal brutaler, meistens aber berührender Offenheit. Sie hat immer wieder ihre Seele entlarvt. Jetzt auf ihrem neunten Solo-Studioalbum (vergessen wir nicht die drei Blues-Veröffentlichungen mit Joe Bonamassa) gräbt sich Hart noch tiefer in ihr Herz und liefert ein verdammt intensives Set ab.
Bittersüß und dramatisch
Harts Musik drückt jeden Knopf auf der Klaviatur der Dramatik, manchmal auch der Melodramatik. Dabei bewegt sie sich elegant zwischen Blues, Jazz, Gospel und Rock, und es ist einzig ihr kraftvoller, heiserer Gesang, der die Waage hält. Anders als sonst, steht diesmal weniger die Gitarre als tragende Säule. Ihr dynamisches, klassisch beeinflusstes Klavier treibt die meisten Songs an, einschließlich der Balladen. So wie auf dem Titeltrack „War In My Mind“, in dem es heißt: „Es ist schwarz in meiner Seele / Und ich ernte genau das, was ich säte / Und es ist hässlich, wenn ich weine / Also weine ich die ganze Zeit.“ Das ist schon starker Tobak, den die 47-Jährige da auspackt. Und in diesem Stil geht es so ziemlich durchs ganze Album. Sehr persönlich, sicherlich auch aufschlussreich, manchmal aber eine Spur too much. Mit der bittersüßen Ballade „Sister Dear“ entschuldigt sie sich bei ihrer an Aids gestorbenen Schwester mit den Zeilen „Ich habe mich so lange geirrt / Könntest du mir jemals vergeben?“
Den Anfang macht „Bad Woman Blues“ an, ein Rhythm ‚n‘ Blues mit einem unwiderstehlichen Groove und einem gospelartigen Gesang. Einer der auffälligsten Songs des Albums ist „Woman Down“, der eine fast klassische, beruhigende Melodie hat. Der Track baut die Instrumentierung nur langsam auf und beginnt zunächst mit dem eindringlichen Gesang und dem sachten Klavierspiel. Ihre Stimme ist verzweifelt konzentriert und intensiv. Die Bluesgitarre am Ende ist weder rockig noch popig, sondern einfach nur gut.
Pure Leidenschaft
„Let it Grow“ packt den Zuhörer gleich mit der Spannung aufbauenden Melodie. Und wenn sie ruft „Hear me roar“, der Gospelchor über einem klopfenden Klavier singt, dann spürt man die pure Leidenschaft der Hart. Dagegen ist das relativ unbeschwerte „Sugar Shack“ mit dem Disco-Beat schon fast ein Pop-Stück.
Das wäre es dann aber auch mit den verspielten Stücken auf diesem Album. Hart ist hier nicht zum Lustwandeln da, sondern will mit ihren Songs aufrütteln, tief bewegen. Dennoch: Ein paar lockere Bluesrock-Tracks hätten das Hörerlebnis etwas abwechslungsreicher gemacht. Die Wahrheit ist aber auch, dass Beth Hart eine Frau ist, die offen zu ihren Narben steht, dass Integrität und der grobe Realismus ihr Leben geprägt haben. Und da gibt es offenbar eine Menge innerer Dämonen, denen sie mit Kühnheit begegnet. Sie ist eine Frau, die ihre rohen, intimen Gefühle nicht hinterm Berg hält. „Ich habe einen langen Weg mit Heilung hinter mir und fühle mich wohl mit meiner Dunkelheit, Verrücktheit und Dingen, für die ich mich schäme – sowie mit all den Dingen, die mir ein gutes Gefühl geben“, sagt sie selbst. Insofern ist auch dieses Album, das eine starke Poporientierung hat, aber auch fest im Blues verwurzelt ist, wieder ein absolut authentisches Werk.
Ergebnis harter Arbeit
Ich bin tatsächlich ein wenig hin und hergerissen. Wer die letzten Alben von Beth Hart kennt und weiß, dass sie diesen kompromisslosen Weg schon eine Weile geht, der wünschte sich auch eine leichte Seite der Künstlerin zu sehen.
Ungeachtet dessen hat die talentierte Musikerin einige Jahrzehnte gebraucht, um das Selbstbewusstsein und die Sicherheit zu finden, um sich so bedingungslos zu offenbaren. Der angemessen betitelte und kompromisslos entschlossene „War in My Mind“ ist jedenfalls das Ergebnis harter Arbeit – an sich, aber auch im Musikbusiness. Wie gesagt, ich klage hier auf hohem Niveau. Von anderen Künstlern wünschte man sich mehr Beth Hart, mehr Emotionen und Ehrlichkeit.
“Rub Me for Luck” ist ein weitläufiges Stück, sogar mit einer Streichersektion. Es hat zwar den Flair eines souligen Rockstücks („Deine Gitarre ist ein blutendes Herz / Du spielst mich so, wie du dieses Ding spielst“), doch der Gesang hat etwas verletztes, ebenso wie ihr Klavierspiel, das sich oft in wilde, klassische Schnörkel verwandelt. Beth Hart schüttelt bei jedem Stück ihr Herz und ihre Seele aus. Hört es Euch an.