Von Cem Akalin
Die Family-Gemeinde im Dauerrausch – auch wenn Roger Chapman nicht mit der legendären britischen Rockgruppe, die gerade in England ihre Wiedervereinigung feierte, auf Deutschlandtour ist, so enttäuschte der 70-jährige sympathische Sänger die Erwartungen seiner Fans in der ausverkauften Harmonie nicht. Seine nicht minder sagenhafte Band „Shortlist“ ließ er eine ganze Reihe Family-Stücke aus den 60ern und Anfang der 70er aufspielen: das inhaltlich immer noch aktuelle „Hung Up Down“ etwa oder das folkorientierte „Holding the Compass“.
Mit „Moth to a Flame“ ließ es der bekennende Gummibärchen-Fan zunächst ganz gemächlich angehen. Gut, das Vibrato in der rauchigen Stimme ist nicht mehr das, was es mal war. Und dennoch: Es war hundert Prozent Roger Chapman. Diese absolute Präsenz, diese Lässigkeit, die Ironie, mit der er bei seinem fast zweistündigen Konzert seinen teilweise fast 45 Jahre alten Stücken neues Leben einhauchte, war mehr als beeindruckend. Keine Frage: Auf der Bühne stand eine Band, die sich in brüderlicher Zuneigung geradezu blind verstand. Und ja, er spielte selbstredend seinen wohl kommerziell größten Erfolg „Shadow on the Wall“, den Geoff Whitehorn zunächst mit einem Jimi Hendrix-Riff begann und in dessen Mittelteil die Truppe noch die Hymne „Everybody’s on the Shortlist“ einflocht.
Überhaupt Whitehorn, der Chapman schon seit vielen Jahren an der Gitarre begleitet. Der 61-Jährige war in ausgezeichneter Spiellaune und zauberte Sounds und Soli von geadelter Güte. Von der Band musste sich aber keiner hinter Whitehorn verstecken: Nicholas Payn lieferte mit Querflöte und Saxofon wunderbare Bläserbegleitungen und Soli, dazu Multiinstrumentalist Paul Hirsh am Keyboard und die Rhythmustruppe mit Bassist Gary Twigg und John Lingwood am Schlagzeug. Ein unvergesslicher Abend.