Alleine Noah Hunt als Sänger ist ja schon eine sichere Aktie. Aber Kenny Wayne Shepherd ist selbstverständlich ein genialer Gitarrist und ein hervorragender Songwriter. Insofern: Das neue Album „The Traveler“ geht von der ersten bis letzten Sekunde sofort rein in unseren Geist und nistet sich dort beständig ein.
Von Dylan Cem Akalin
Noah Hunt ist seit 1997 die Stimme der Kenny Wayne Shepherd Band seit 1997, seit dem zweiten Album des in Shreveport geborenen Bluesgitarristen „Trouble Is“. Wir wissen viel über den Blondschopf, der Stevie Ray Vaughan mit nur wenigen Zupfbewegungen einer Gitarrensaite kanalisieren kann. Aber was wissen wir eigentlich über den dunkelhaarigen Mann mit diesen rauen Stimmbändern, der dem Bluesrock von Shepherd so seinen Stempel aufdrückt?
Er wuchs in Cincinnati, Ohio, auf und soll schon als Dreijähriger selbstständig Lieder erfunden haben, so dass ihn seine Eltern schon mit vier Jahren zum Klavierunterricht schickten. Auf seinem Kinder-Plattenspieler hörte er sich die Beatles-Platten seiner Eltern an. Später hörte er die Stones und Pink Floyd, die Allman Brothers und Grateful Dead. Mit 16 brachte er sich das Gitarrenspielen bei, um sich beim Singen zu begleiten. Er spielte in Schul- und Collegebands, nebenbei in Bars. Irgendwann entdeckte ihn Bill Scull, einer der größten unabhängigen Platter-Promoter des Landes. Ab 1994/1995 stand Hunt unter Vertrag von RCA – mit einem sogenannten Spec-Deal, bei dem man sich als Künstler entwickeln kann.
Kraft, Soul und Dynamik
Anfang 1997 erhielt er einen Anruf von Bill Williams. Der Fotograf, der schon für Stevie Ray Vaughan und BB King Aufnahmen gemacht hatte, war ein Freund aus Cincinnati. Er sagte ihm, dass Kenny Wayne Shepherd einen Sänger sucht. Schon am nächsten Tag traf er sich mit Kenny Wayne Shepherd und seiner Band, sie probten etwas und merkten schnell, dass die Chemie stimmte. Ein paar Wochen später machten sie „Trouble Is“.
Wie gesagt, Noah Hunt ist das erste, was einem auf dem ersten Stück auf dem neuen Album auffällt. „Woman Like You“ hat viel Kraft, Soul und Dynamik. Das fröhliche Upbeat-Stück bietet zudem eine Horn-Sektion, die schmetternd den Ton angibt. In besseren Zeiten des Plattenverkaufs wäre dieses Stück ein Hit geworden.
Direkt auf die Highway
„Long Time Running“ drückt aus, wie es ist, ein kompliziertes Dasein zu führen, erklärte Shepherd selbst. Es ist ein geradliniger, treibender Rocksong, der die Energie noch weiter steigert und uns über ein äußerst gut formuliertes Gitarrensolo von Kenny Wayne Shepherd direkt auf die Highway schickt.
„I Want You“ bringt die Band mit stolzer Haltung zurück zum Blues und gibt Shepherd die Möglichkeit, Heißblütigkeit und Schwere auszudrücken. Seine Stratocaster klingt voll, und sie treibt ihn immer weiter nach vorne.
Auf „Tailwind“ steht Noah Hunts Gesang im Mittelpunkt. Und Hunt hat eine außergewöhnliche Präsenz in seiner Stimme. Der Song hat eine Menge Southernrock und einen gewissen County-Vibe. Ein echter Radiohit für die US-Sender.
Zeitloses Songjuwel
„Gravity“ ist bereits als Single veröffentlicht. Da zeigt Kenny, dass er auch ein wirklich guter Sänger ist, der mit seiner Stimme unter die Haut gehen kann. Sehr modern, ein zeitloses Songjuwel. Stephen Stills soll ihn ermuntert haben, mehr zu singen. Er hatte recht. Er kann’s!
Das zeigt er auch auf „Better With Time“, ein Song, der viel Countrypop in sich trägt, und dem Countryrockstück „Take It On Home“. Auf „We All Alright“ wechseln sich Kenny und Noah im Gesang ab.
Das Album enthält zwei Cover: Buffalo Springfields „Mr. Soul “ und Joe Walshs „Turn To Stone “, das das Album abschließt. Beim letzteren schwingt Kenny wirklich seine Flügel aus, um auf den Gitarrenschwingen davonzufliegen. Ein starker Schlusspunkt.
Prädikat: Erstklassig!
„The Traveller“ hat natürlich viele Blues-Elemente, aber auch Country-Feelings, und es ist durchweg songorientiert. Der Gitarrist, von dem wir wissen, dass er ziemlich flinke Finger hat, hält sich auf den Sechs-Saitern zurück. Auf dem neuen Album ist der Song der König, und die Gitarre dient dazu, ihn zu unterstützen. Zur aktuellen KWS-Band gehören außerdem noch der Schlagzeuger Chris „Whipper“ Layton (ehemals Stevie Ray Vaughans Double Trouble), Bassist Kevin McCormick sowie die Keyboarder Jimmy McGorman und Joe Krown. Die Band harmoniert glänzend und hat ein Album produziert, auf dem sie sich sehr leicht in verschieden Stilrichtungen hinbewegen. Das Beste an „The Traveller“ ist, dass alle zehn Songs eine eigene Hauptrolle spielen. Erstklassig!