Ein bisschen absurd ist es schon, auf dem Weg zum Konzert der Bonner Band Lygo durch die Menschenmassen in der Düsseldorfer Altstadt zu ziehen, wo vor den Pubs und schnieken Gaststätten Glühwein und Aperol Spritz getrunken wird.
Von Freda Ressel
Aber das Tube liegt nun mal mittendrin, und retrospektiv wird man vom Weg bereits gut vorbereitet auf das Konzert. Das ist nämlich ausverkauft, was in der Location mit der schmalen schlauchförmigen Bar direkt hinter dem Eingang schon spürbar ist, bevor die Vorband überhaupt spielt. Auch der Platz vor der Bühne ist gut gefüllt, die Kölner*innen von Spion Spion, die den Abend eröffnen, können sich über ein großes Publikum freuen.
Mit deutschen Texten zwischen Tomte, Clickclickdecker und Tigeryouth und einem poppigen Sound bringen sie zwar den Saal nicht zum Kochen, doch man sieht schon einige Bewegung in der Menge.
Dann wird es allerdings richtig eng. Lygo starten ihr Set mit „Schockstarre“, der Mutter aller Opener. Der Song, der den Abschied aus der Lethargie als musikgewordene Koffeintablette zelebriert, funktionierte schon als erstes Stück auf dem Ende 2021 erschienenen Album „Lygophobie“ als die Bombe, die die langjährige Funkstille der Band mit großem Knall beendete. Live werden nach dem kurzen ruhigen Intro im Saal alle Kräfte freigesetzt, die vorderen Reihen pogen sofort los, der ganze Saal ist in Bewegung, was laut Text schließlich auch „das beste Schmerzmittel ist“.
„Uwe, Erdgeschoss links“
Gegen einige der anderen Clubs der Lygophobie-Tour, wie das Kölner Artheater und das Hamburger Hafenklang, wirkt das Tube doch etwas knapp bemessen für die Band, und tatsächlich fängt es bereits nach wenigen Songs an, von der Decke zu tropfen. Es ist klar – erspielen muss sich die Band das Publikum heute nicht, da werden nur offene Türen eingerissen. Atempausen werden auch kaum gelassen – selbst die ruhigeren Stücke wie „Uwe, Erdgeschoss links“ brechen immer wieder aus und werden lauthals aus dem Publikum mitgebrüllt. Wo wir grad beim Thema sind – wie Gitarrist Simon Meier und Bassist Jan Heidebrecht es schaffen, auf Konzertlänge mit solcher Kraft durchzubrüllen, wird sich wohl für immer meiner Vorstellungskraft entziehen. Meiers Gesangsmikrofon, das im Laufe des Sets den Geist aufgibt, stellt da eine zusätzliche Schwierigkeitsstufe dar – das Problem wird aber zum Glück recht bald gelöst.
Drummer Daniel Roesbergs ganz eigene spielerische Mischung aus enormer Kraft und Präzision ist auch heute ungebrochen, ihm beim Spielen zuzuschauen ist immer wieder eine Freude. Apropos Freude: Die sieht man der Band heute merklich an. Nicht nur mit dem Publikum, sondern vor allem auch untereinander gibt es schöne Momente der Interaktion während der Songs. Die Heimatstadt bleibt auch nicht unerwähnt, als Meier die Entstehungsgeschichte des Songs „Für immer wach sein“ erzählt – und wie er sich auf der Kennedybrücke im Nachtbus vorgestellt hat, statt der Bonner Skyline wäre es New York. An den Düsseldorfern prallt diese Anekdote gefühlt ungehört ab, mich als Exilbonnerin freut (und belustigt) es natürlich.
Fast das ganze „Lygophobie“-Album wird heute gespielt, zudem noch ein paar ältere Songs – das eindringliche „Keine Leichtigkeit“ und der Hit der ersten Stunde „Störche“ etwa dürfen natürlich nicht fehlen und werden frenetisch gefeiert.
Nach dem letzten Ton leert der Saal sich allerdings recht schnell, da die Luft im Raum kaum noch ertragbar ist. Ein kleines Gefühl von Déjà-vu von „vor der Pandemie“ hat den Abend durchzogen, aber man merkt schon, dass wir das alle nicht mehr gewohnt sind. Für diese Band lohnt es sich aber allemal, sich dem mal wieder auszusetzen.