Vor drei Jahren kündigte die schwedische Dark Prog-Band Katatonia eine kreative Pause an, sogar die noch anstehenden Liveshows wurden abgesagt. Fans befürchteten das endgültige Aus der Band. Jetzt melden sich Jonas Renkse und seine Mannen mit „City Burials“ in gewohnter Stärke zurück.
Von Dylan Cem Akalin
Als sich Katatonia vor 29 Jahren gründeten, da hatte sich die Band noch eindeutig dem Doom Metal verschrieben. Und Brave Murder Day gehört immer noch zu meinen Lieblingsplatten. Seitdem überraschen die Schweden immer wieder mit ihrer Weiterentwicklung. Gemeinsam mit Gitarrist Anders Nyström bildet Jonas „Lord Seth“ Renkse (Leadgesang, Gitarre, Drums) den künstlerischen Kern der Band, zu der heute Niklas Sandin (Bass), Daniel Moilanen (Schlagzeug) und Roger Öjersson (Gitarre) gehören. Auf dem aktuellen Album wirken außerdem als Gäste Frank Default (Keyboards) und Anni Bernhard (Gesang) mit.
Renkse und Nyström sind zwei Musiker, die sich sehr intensiv mit ihrer Kunst und den Möglichkeiten des Ausdrucks auseinandersetzen. Sie kommen mir vor, wie Künstler, die sich immer stärker von der gegenständlichen Darstellung entfernen, die auf der Suche nach neuen Mitteln sind, um das Licht und die Dunkelheit auf die Leinwand zu bringen. Dass da zwischen Doom Metal und Dark Prog noch andere Genres Anwendung finden, um die vielen Schattierungen der Düsternis darzustellen, ist also logisch.
Tief in der seelischen Finsternis
„City Burials“ dringt somit noch tiefer in seelische Finsternisse als der Vorgänger „Fall Of Hearts“. Und „City Burials“ ist vielleicht auch noch kompromissloser als „Dead End Kings“, passagenweise sogar etwas härter. Und mysteriöser, wenn nicht abstrakter in den Arrangements. Dabei geht es mit dem Opener „Heart Set To Divide“ eher im melancholischen Post-Metal mit Anklängen an den avantgardistischen Post-Punk eines David Sylvian los. Es dauert nicht lang, da donnert die Band dann schon los, und Jonas Renkses Gesang ist stärker auf die Lyrics konzentriert, weniger auf eine Melodie, die sich beim Zuhörer festsetzt. In diesen lauten Passagen fällt übrigens das einzige Manko des Albums auf: die Produktion. Auf anderen Stücken ist es noch deutlicher, dass die Instrumente nicht immer klar ausgearbeitet sind, was auf Kosten der Gesamtdynamik geht. Renkse/Nyström hätten da etwas mehr Sorgfalt walten lassen können.
Katatonia bleibt im Kern den betrübten Klängen des Post-Metal treu. Die Songs winden sich um langsame, leise Melodien in Moll, wobei Renkses klare und beherrschte Stimme über dem instrumentalen Kampf schwebt. In den ahnungsvollen Passagen rauschen und lärmen die Gitarren zur intensiven Rhythmus-Arbeit. Dann wieder klingen sie spröde, kalt und mechanisch. Wir hören geschichtete Synthesizer und sogar programmierte Drums. Was diese Spannungen verbindet, sind ganz viele Gefühle zwischen aggressiver Melancholie und gedankenvoller Selbstreflektion.
Voller Gipfel und Täler
Insgesamt kennzeichnet „City Burials“ die Vielschichtigkeit aus, die überraschenden Wendungen. Tatsächlich mögen solche Unebenheiten in der Albumstruktur untypisch für Katatonia sein, aber je öfters man das Album hört, desto mehr weiß man das zu schätzen. Die Subtilität von „Lacquer“ ist hinreißend, „Rein“ hat Momente des klassischen Progrock, könnte aber auch durchaus von Opeth sein. Die Lyrik von „Lachesis“ zum 6/8-Groove von „Untrodden“ ist hinreißend. Und was für ein erstklassiger Metal bei „Behind The Blood“? Die Riffs sind fett, die Sologitarre aufpeitschend, der Gesang bleibt als tragende Säule des Songs ruhig. Ganz stark!
Dann wieder wiegt die Band mit den wunderschönen „Vanishers“, bei dem die Stockholmer Sängerin Anni Bernhard zu Gast ist, den Zuhörer sanft in den Armen. Es ist Album voller Gipfel und Täler. Noch ein Manko: Das Doppelalbum hätte ruhig die vierte Seite noch mit Musik füllen können. Ansonsten: ein Highlight dieses Frühjahrs.