John Cale ist sauer. “Ich raff’s nicht – 50 Jahre lang rede ich über Lou, und The Telegraph beschließt, es so negativ darzustellen. Wenn du wirklich wissen willst, wie ich über den Verlust von Lou empfinde – dann erfahre es aus meinem Mund – ES SCHMERZT“, teilte Cale jetzt via Facebook mit und postete das Video zu „If You Were Still Around“.
Es ist eine Neuaufnahme des Songs, den er 1982 mit Sam Shepard geschrieben hat und auf dem Album „Musiv for a New Society“ veröffentlicht hatte. Ein Jahr nach dem Tod seines Bandkumpanen aus Velvet Underground-Zeiten nahm er den Song neu auf und drehte ein Video.
Auf der neuen Version beginnt der Song mit einem sägenden, ja, schmerzenden Ton. Man sieht Cale in Fötushaltung. Die Bilder sind dunkel und wirken wie Eindrücke aus dem Hades. Erinnerungsblasen mit Bildern von Lou Reed (siehe auch Lou Reed Interview), von all den anderen von The Factory, Andy Warhol, Sterling Morrison, Nico, Eddie Sedgwick schweben über dem kauernden, mal im weißen Anzug liegenden und immer wieder schreienden, weinenden John Cale. Er sieht verzweifelt aus, niedergeschlagen, unrettbar.
Und darüber läuft der Song, ruhig gesungen mit dieser bekannten tiefen, sonoren Stimme. „If you were still around/I’d hold you, I’d hold you”, Cale fällt auf die Knie: “I’d shake you by the knees/Blow hard in both ears/If you were still around”. Was für ein Text, den Cale und Shepard geschrieben haben: „You could write like a panther/Whatever got into your veins/What kind of green blood/Swung you to your doom/To your doom.”
The Telegraph beschreibt in dem Artikel, wie der Sohn eines walisischen Bergarbeiters aus Garnant in Carmarthenshire nach New York ging und Lou Reed ihn betrachtete, als käme er aus Moldawien. Anlass der Geschichte ist das Festival of Voice in Cardiff, das Cale gerade eröffnet hat. Der Artikel beschäftigt sich um Cales walisische Herkunft, um seine Kunst. Alles nichts Neues. Dann kommt die entscheidende Frage: Vermisst Cale Reed? Seine Antwort laut The Telegraph: “Nein, wir hatten uns auseinandergelebt. Um die Metallica-Zeit, habe ich versucht herauszufinden, warum mich diese Person so anschreit.“ Dann habe er erfahren, dass Reed trinke, und als er krank wurde, sei es Cale vorgekommen, wie ein „öffentlicher Suizid“.
Als es mit Reed zu Ende ging, nahmen die beiden E-Mail-Kontakt auf. „Ich glaube nicht, dass einer von uns dachte, dass Abschiede wichtig wären. Ich fand dieses Polizeifoto von Strawinsky. Er wurde wegen einer Anordnung festgenommen, wegen eines Arrangements von Star-Spangled Banner, das er für das Boston Symphony Orchestra geschrieben hatte. Also schickte ich es Lou und sagte: »Hey, du denkst, du hast Probleme.« Er mochte das.“
Das alles finde ich gar nicht so negativ, wie es Cale empfindet. Es gibt aber offensichtlich nicht den Schmerz wieder, den er tatsächlich wegen Lou Reeds Tod fühlt.