Jesper Munk begeistert beim Crossroads Festival in Bonn: Zwischen Neo-Soul, Blues und urbanem Jazz

Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Jesper Munk liefert am ersten Abend des Crossroads Festivals in der Harmonie Bonn eine fesselnde Performance zwischen Neo-Soul, Blues und urbanem Jazz. Mit seiner Band The Cassette Heads verleiht er Klassikern eine neue Tiefe und begeistert mit eigenständigen Kompositionen. Matze Rossi hingegen bleibt mit seinen eingängigen, aber lyrisch wenig raffinierten Songs zwischen Folk und Indie blass – authentisch, aber ohne die ganz große Strahlkraft.

Von Dylan C. Akalin

Die Gitarre klingt seltsam entrückt, etwas metallisch, als würde der Klang von einem fernen Containerhafen durch die Nacht zum anderen Ufer dringen. Schleierhaft. Der Gesang ist cool, einige Zeilen verzerrt wie durch eine Flüstertüte aus oxidiertem Messing gerufen, sehr lässig und dennoch eindringlich. Jesper Munk, einst als Wunderkind des Blues gefeiert, ist eine erstaunliche Entdeckung an diesem ersten Abend des Crossroads Festivals, das der WDR Rockpalast in der Harmonie Bonn, veranstaltet.

Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Schon der erste Song „Clean“ mit der sparsamen Instrumentierung von E-Piano und Gitarre, dem angenehm einrückenden Bass und den pointiert gespielten Schlagwerk und dem geradezu saloppen Gesang, der mit viel Hallunterstützt wird, fesselt die Zuhörer.

Mischung aus Urban Soul, Blues, Jazz, Chanson und Rock

Jesper Munk präsentiert uns heute eine eigenwillige, gelegentlich eleusinische, doch sehr ansprechende Mischung aus Urban Soul, Blues, Jazz, Chanson und Rock. Der 32-Jährige in München als Sohn der Dänin Helle Munk und des deutschen Musikers Rainer Germann Geborene begann schon früh Gitarre zu spielen und als Straßenmusiker in München aufzutreten. Sein Debütalbum „For in My Way It Lies“ (2013) etablierte ihn zunächst als aufstrebenden Künstler in der deutschen Musikszene. Mit seinem zweiten Album „Claim“ (2015) erweiterte er sein musikalisches Spektrum und arbeitete mit namhaften Produzenten wie Jon Spencer und Mocky zusammen.

The Cassette Heads

2018 zog Munk nach Berlin und veröffentlichte sein drittes Album „Favourite Stranger“, das eine stilistische Wende hin zu Soul, Jazz und Indie-Pop markierte. Das Album „Taped Heart Sounds“ (2022), eine Sammlung von Cover-Songs, brachte er mit der Band The Cassette Heads heraus, die ihn an diesem Abend begleiten. Die Zusammenarbeit mit Hal Strewe (Bass), Ziggy Zeitgeist (Schlagzeug) und Tim Granbacka (Piano, Keyboard) brachte diese neue Klangtiefe in seine Musik, die so fasziniert.

Man hat das Gefühl, dass er sich im Laufe des Abends kontinuierlich neu erfindet, so manches wirkt spontan, insbesondere seine Soloperformance und der zweite Teil des Abends mit Band, was die Intensität der Songs nur noch stärken macht.

Tiefgründige Emotionen

Seine Texte sind geprägt von tiefgründigen Emotionen und persönlichen Erfahrungen. Sie spiegeln Themen wie Liebe, Verlust und Selbstreflexion wider, wobei er eine poetische und zugleich authentische Sprache verwendet. Seine ausgereiften Texte und die deutlich älter anmutende Stimme fesseln durchgängig bis zum letzten Song.

Die Willie Dixon-Nummer „My Babe“ bekommt ein komplett neues, modernes und unter die Haut gehendes Gewand, ebenso der Ricky Nelson-Song „Lonesome Town“. Aus seinem aktuellen Album hören wir unter anderem den Titelsong „Yesterdaze“, etwas rockiger als die übrigen Stücke, aber such durchdrungen von diesem funky, Slow Soul, der Prince begeistert hätte, weil die Art, wie Munk damit umgeht, so eine ruhige, bedachte Art hat, die ungeheure Spannung erzeugt. Es sind Songs zwischen urbanem Neo-Soul, entschleunigtem Electro Wave, edlem Barock-Pop und coolem Jazz – irgendwie modern, aber gleichzeitig aus der Zeit gefallen. Richtig richtig stark!

Matze Rossi eröffnet das Crossroads Festival

Davor hören wir Matze Rossi, mit bürgerlichem Namen Matthias Nürnberger. Der Singer-Songwriter präsentiert Songs mit deutschen Texten und eingängigen Melodien im Spannungsfeld zwischen Folk, Punk und Indie. Der Opener „Gitarre Stift Papier“ zeigt schon, dass hier einer ist, der sich selbt und seine Umgebung auf augenzwinkernde Art durchleuchtet: „manchmal kriege ich den Mund nicht zu und kann mich selbst nicht ertragen.“ In „Askaban“ ist eine Art Liebeslied über einen, der den Kopf voller Schrott hat und schon mal am Boden liegt, aber mit der Angebeteten alles überleben kann.

Matze Rossi FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Milliarden“

In seinen Songs fragt er sich, „Was zur Hölle“ nicht mit ihm stimmt oder er erzählt, warum er der „Glücklichste Mensch“ auf der Welt ist. Durchweg vermittelt er uns Songs, in denen es darum geht, nicht alles ernst zu nehmen und das Leben in vollen Zügen zu genießen, auch wenn es mal melancholisch wird, überwiegt die Hoffnung. Er thematisiert übertriebene Aufregung um belanglose Dinge, verarbeitet oft Alltagssituationen oder -beobachtungen. Er macht indes auch gesellschaftliche Beobachtungen. Zum Beispiel sein Song „Milliarden“, in dem er politische und soziale Missstände thematisiert. Er selbst bezeichnete mal in einem Interview den Song als sein erstes politisches Lied seit 22 Jahren und betonte die Notwendigkeit, Stellung zu beziehen. Der Text kritisiert die Gleichgültigkeit gegenüber globalen Problemen und ruft zu mehr Achtsamkeit und Engagement auf. Musikalisch bleibt Rossi seinem akustischen Stil treu, wobei die Melodie den ernsten Ton des Liedes unterstreicht.

Die Texte von Matze Rossi zeichnen sich durch ihre Einfachheit und Direktheit aus, allerding lassen sie dadurch manchmal an Tiefe und Raffinesse vermissen. Die Verwendung einfacher Metaphern und direkter Sprache führt zwar dazu, dass die Lieder leicht zugänglich sind, es fehlt ihnen aber an lyrischer Komplexität. Dennoch: Das Publikum feiert seine Authentizität und Bodenständigkeit.

Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jesper Munk & The Cassette Heads FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Matze Rossi FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Matze Rossi FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Matze Rossi FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski