Der Bösendorfer Konzertflügel auf der Bühne des Pantheons muss ganz schön was aushalten. Und dem Publikum in den ersten Reihen klingeln wahrscheinlich die Ohren. Denn an diesem Abend des Jazzfest Bonn ist Jacky Terrasson zu Gast. Der Pianist ist sowas wie der James Caan unter den Jazzpianisten. Ein tougher, gut aussehender Kraftprotz, der ewig jung zu bleiben scheint und voller Energie ist. Am Ende des Konzerts jubelt das glückliche Publikum, aufgepumpt von 64 Minuten eines atemberaubenden Konzerts, das Lust auf mehr macht.
Von Dylan Cem Akalin
Dieser Mann kann gleichzeitig vulkanisch-impulsiv sein, kraftvoll, perkussiv und zugleich sinnlich und zartfühlend. Aber gleichgültig, ob das Klavier flüstert, fließt, zittert, bebt oder schreit, jeder Ton trägt ein Ausrufezeichen in sich, egal ob groß oder klein. Und das Faszinierende an diesem franko-amerikanischen Musiker ist: Das alles passiert manchmal im ein und demselben Song. Wenn Jacky Terrasson spielt, wird das Instrument zur Erweiterung seines Seins. Und dann hört man ihn bis in die letzte Reihe knurren, summen, keuchen und ächzen. Er reckt sich, steht auf und setzt sich wieder, seine Ellbogen rudern, schwingen um ihn herum, und die Hände seinen mit der Tastatur eins zu werden. Jacky Terrasson ist ein Gebirge.
Der überwiegende Teil des Repertoires an diesem Abend entstammt seinem aktuellen Album „53“. Der Opener „The Call“ ist für seine Verhältnisse schon fast filigran. „Kiss Jannett For Me“ ist von seltenem melodischem und rhythmischem Reichtum, voller kraftvoller Ansätze, was seine Rhythmusgruppe hervorragend unterstützt. Überhaupt: Sylvain Romano spielt einen bewundernswerten Doublebass, liefert immer wieder fesselnde Riffs oder schimmernde Impsovisationen, und Lukmil Perez ist ein vielseitiger, eleganter Schlagzeuger mit empathischer Hingabe für die Komposition und subtilem Geschmack. Das erste Basssolo: zum Zunge schnalzen!
Hymne an die Schönheit
In „Mirror“ und „Jump“ verarbeitet Terrasson diese für ihn bekannten Kontraste und feinen Nuancen des Spiels mit vielen Brüchen, schönen Zwiegesprächen der einzelnen Instrumente und Wechsel von Stilen. Da blitzt an einigen Stellen gar ein Swing a la Oscar Peterson aus Terrassons Finger, dann wird es wieder kubanisch-feurig, in Cole Porters „Love For Sale“ erklingen gar surreale französische Romantiker durch, und später baut er das Thema von „Over The Rainbow“ als ausnehmend zartes Zwischenspiel ein.
Terrasson gehört zu den Pianisten, die die Musikalität des Klaviers in seiner Gesamtheit erforschen, mit der einen Hand die Saiten dämpft oder aufs Holz klopft. Aber vor allem ist er ein Musiker, der auch Emotionen zu wecken versteht. Die überarbeitete Version von „Smile (Charlie Chaplin)“ ist solch ein hymnischer Moment des Abends. Das Hauptthema spielt er scheinbar in epischer Wiederholung und gibt Perez Gelegenheit für ein Drumsolo. „Baby Plum“ kommt als kratzbürstiger Swing daher. Mit einer wunderschönen Version von „Leonie“, einem sensiblen musikalischen Aufwallen mit dramatischer Wendung, verabschiedet sich das Trio – eine Hymne an die Schönheit.