Das Beste kam zum Schluss. Zu Beginn von „A_Track“ klingen die Hörner, als würden sie rückwärts spielen. Es entsteht eine merkwürdige Stimmung zwischen bedrohlich aufsteigenden, gemäßigten Fanfaren, tanzbaren Drum-and Bass-Schlagzeugpatterns und sich wiederholenden Klangmustern, bis Norbert Scholly mit seiner E-Gitarre ein hinreißendes Jazzrock-Solo spielt. Fackelnd, beflügelt, stürmisch und fingerfertig. Er reißt die ganze Truppe mit! Und dann legt die Band von Oliver Leicht zur Zugabe mit „Hymn“ nochmal einen drauf. Hendrik Soll spielt so beschwingt und leichtfüßig wie Lyle Mays und selbst das Euphoniumsolo von Christian Jaksjø entwickelt sich zu einem charmanten Ausruf des Glücks. Was für ein Ende des Konzertes von Oliver Leicht und seiner [Acht.]!
Von Dylan Cem Akalin
Schon die Instrumentierung mit Cello, Euphonium, Bass-Posaune, Tuba und Französischem Horn geht über ein herkömmliches Jazz-Oktett hinaus. Wobei es sich um die Band Oliver Leicht [Acht.] richtigerweise um ein Nonett handelt – auch wenn der Bandleader immer wieder Aufgaben des Dirigenten einnimmt, ist er mit seiner Klarinette, der ungewöhnlichen Altklarinette, der elektrischen Klarinette und den elektronischen Effektmaschinen, die er gelegentlich bedient, ebenso Mitglied der Truppe.
Leicht geht es mit diesen hochkarätigen Musikern eindeutig darum, stilistische Grenzen aufzubrechen, dazu hilft ihm nicht nur, dass er kammermusikalische und sinfonische Mittel und Instrumentierungen sowie moderne elektronische und Jazz-Elemente einsetzt. Seine komplexen, mitunter recht intellektuell ausgeheckten Arrangements sind auch eine Herausforderung für die Improvisationen. Leicht setzt melodischen Linien gerne dissonante Bläserformationen entgegen, die sich immer weiter ausbreiten.
„6-5-7“
Mit „6-5-7“ und dem großartigen Klaviersolo von Handrik Soll beginnt das Konzert am Sonntagabend im ausverkauften Bonner Pantheon noch recht konventionell – für die Maßstäbe dieser Formation. Dabei geht es in dem Stück um ein ebenso intelligentes wie humorvolles Spiel mit Sexten, Quinten und Septimen. Besonders gut hörte man dieses Spiel im E-Gitarrensolo von Norbert Scholly, vor allem bei den kleinen und großen Septimen. Bei der kleinen Septime hört sich ein Lauf etwas bluesig an, die große Septime wird in der Popularmusik selten verwendet, die norwegische Band A-ha nutzt sie indes ganz gerne.
„Strange“ bezieht sich auf eben die ungewöhnlichen Instrumente der Band. Das Intro spielt Bassist Matthias Eichhorn auf dem Cello, der Einsatz der Bläser kommt mir hier etwas konstruierter vor als auf der CD, und das Euphonium, das vom Klang her tiefer als eine Trompete, höher als eine Tuba und eher mit dem Waldhorn verwandt ist, klingt beim Solo von Christian Jaksjø wie durch eine Kissenschicht geblasen, der Sound ist stumpf – wie das Tröten eines Elefanten mit Asthma, der Schnupfen hat. Deshalb ist man am Ende völlig überrascht, weil es völlig anders, wie befreit ertönt.
„Believer“
Den Unterschied bemerkt das Publikum dann nämlich beim nächsten Stück. Bei „Raise“ hat Jan Schreiner nämlich einen Soloauftritt mit der Tuba. Voluminös, aufgebrochen und erstaunlich tänzerisch gibt sich Schreiner mit dem eher schwerfälligen Instrument. Ein toller Moment, den der Bandleader mit der Klarinette fortträgt. Die Gitarre spielt dazu wiederholende Muster voller Echos – ein herrlicher Bruch im Verlauf des Stückes.
Vergleicht man „Believer“ mit der CD-Fassung, dann ist die Live-Version um einiges wilder und dynamischer. Spannend ist das Spiel des Bandleaders mit der elektrischen Klarinette, aus der er allerlei verfremdete Sounds herausholt. Das Stück, das wie ein Requiem beginnt, nimmt ein überaus leidenschaftliches Ende.