Jazzfest Bonn mit zwei Duos: Aki Takase & Daniel Erdmann und Heidi Bayer & Sebastian Scobel

Aki Takase und Daniel Erdmann sowie Heidi Bayer und Sebastian Scobel Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de

Von Dylan Cem Akalin

Die Dame mit dem auffallend schicken Federhut und der eleganten Robe kann auch anders. Am Klavier dreht sie bisweilen derart auf, dass sie jede Metalband zum Erstarren bringen würde. Was für eine Kraft! Was für eine harmonische Energie! Und in den Zwischenansagen beweist sie auch noch, dass sie über einen herrlichen Witz verfügt. Das Aki Takase & Daniel Erdmann Duo eroberte das Publikum im Kammermusiksaal im Beethovenhaus Bonn im Sturm. Im wahrsten Sinne.

Der zweite Abend des Jazzfest Bonn 2022 stand im Zeichen der Piano-Duos. Und Intendant Peter Materna konnte kaum gegensätzlichere Protagonisten für diesen Abend finden. Auch das Heidi Bayer & Sebastian Scobel Duo, das den Abend eröffnete, arbeitet mit Brüchen und stilistischen Wendungen. Doch die Trompeterin/Flügelhornistin und Pianist Sebastian Scobel setzen mehr auf einträchtige Harmonien, auf Ausgeglichenheit in der Interaktion. Schon die Körperspannung zwischen den beiden Bläsern sagt alles: Wo Bayer in sich gekehrt und in sich ruhend im Spiel versunken scheint, kann Erdmann kaum auf einem Fleck stehen, wenn er abwechselnd das Tenor oder das Sopran spielt. Der große, schlaksige Körper krümmt und windet sich, jeder Muskel scheint angestrengt.

Aki Takase und Daniel Erdmann Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de

Es gibt kein Vorgeplänkel, kein Warmspielen, der Start des Takase/Erdmann Duos mit einer von Saxofon und Klavier unisono gespielten, rumpelnd-rasenden Linie, aus der die zierliche Pianistin kräftige Akkorde entwickelt, lässt keine Spielräume für Kompromisse erkennen. „Voodoo Girl“ lässt keine Zweifel aufkommen, dass das Duo mit uns eine Reise ins Ungewisse antritt.

Atemberaubende Manöver

Es ist ein ungewöhnliches Duo, hier die die 74-jährige in Berlin lebende Japanerin, die längst zu den Legenden des Jazz gehört, dort der im französischen Reims lebende 48-jährige Saxofonist, die offenbar denselben Humor teilen und vor allem sehr ähnliche Grundverständnisse für die Musik haben. Da steckt so viel Witz, so viel Kenntnis der Jazzliteratur und ein schier maßloses Verlangen nach Ausdruck und Experimentieren. Und was haben die beiden für ein Timing! Der Dialog von Takase und Erdmann erinnert mitunter an die atemberaubenden Manöver von Staren. Mal kreisen sie um ein Thema, um dann auf ein nicht erkennbares Signal hin plötzlich in neue Höhen aufzusteigen. Dabei erzeugt Takase auch schon mal dumpfe, fast unheimlich dröhnende Akkorde, so wild, so eruptiv, dass der Saal fast zu klein und eng wirkt für ihre Ausdrucksstärke.

Heidi Bayer und Sebastian Scobel Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de

Überwältigend, mit welcher Präzision sie dann wieder Silhouetten von luftiger Schönheit erarbeiten, die wie festgebannt in der Luft zu hängen scheinen, dann wiederum weht das Piano zarte Blüten über wie aus Glassplitter gestreute Motive des Saxofons. Ein anderes Mal entstehen aus einer Kakophonie von Gefühlen synchronisierte Flugbewegungen, die das Duo wie einen geschlossenen Organismus wirken lassen. Da entstehen flüsternde melodische Augenblicke, brüchige Mosaike aus freiem Spiel, schalkhaftem Ragtime, flatterhaftem Boogie und brachialen Akkorden. Das alles ist sensationell. Kein Wunder, dass das Publikum zwei Zugaben erklatscht.

Das Flügelhorn von Heidi Bayer hat einen warmen, überzeugten, leicht gedämpften, lyrischen Grundsound. Doch die 34-jährige mehrfach ausgezeichnete Musikerin ist nicht der Typ, der mit diesem Wohlklang umschmeicheln will. Sie sucht die Bruchstellen in den musikalischen Grundfesten, und da wird eine schöne Linie auch mal von quietschendem Flattern durchkreuzt. Wenn das nachfolgende Duo durch energetische Wandlungsfähigkeit beeindruckte, faszinierten Bayer und Scobel mit den ruhigen, fast zerbrechlichen Dialogen – so wie bei „Thin Curtain“, ein Song über eine verregnete Nacht in Kopenhagen, wo man jeden Regentropfen zu spüren meinte. Auf der Trompete überzeugte Bayer nicht nur mit einer exzellenten Improvisation, sondern auch den vielfältigen Sounds, die sie erzeugte. Mal klang sie wie ein wimmerndes Cello, dann wieder wie ein klar scheinendes Signalfeuer.

Hervorragend: „No Symphony“ – ein Stück, mit dem das Duo auch mal zornig, kantige Klänge anschlug, dunkle Register zog, schräge, abstrakte Melodiefetzen in pulsierende, energische Ausbrüche einbaute. Großartig.

Aki Takase und Daniel Erdmann Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Aki Takase und Daniel Erdmann Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Aki Takase und Daniel Erdmann Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Aki Takase und Daniel Erdmann Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Heidi Bayer und Sebastian Scobel Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Heidi Bayer und Sebastian Scobel Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de
Heidi Bayer und Sebastian Scobel Duo am 08.05.2022 im Beethovenhaus Bonn ©www.heikefischer-fotografie.de