Wieder ein Abend der wechselnden Gefühle, ein Jazzabend der überraschenden Wendungen. Das Hanno Busch Trio mit Claus Fischer am Bass und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug ist eine Combo, die mit rhythmischen Bewegungsspielräumen, mit gegensätzlichen Gestiken spielt und der. Technisch ist Hanno Busch, der auch zu den Heavy Tones von Stefan Raabs TV Total gehört, über jeden Zweifel erhaben.
Er gehört aber nicht zu den Saitenartisten, die ihre flinken Finger übers Drahtseil rasen lassen. Ihm ist der ausdrucksstarke Ton wichtig, und das kann mal eine rhythmische Figur sein, das können höchst dissonante Läufe, aber auch mal eine kleine zarte Melodie sein. Als Arrangeur zeigt sich Busch als einer, der seine beiden Mitspieler und ihre Persönlichkeiten genau einzuschätzen und ihre Stärken hervorragend für sein musikalischen Konzept zu nutzen weiß: der bodenständige Fischer hält die Truppe mit seinem kräftigen und bestimmten Spiel zusammen und spielt sich nur in den Vordergrund, wenn die solistische Virtuosität das Gesamtbild bereichert.
Burgwinkel ist ein feuerspeiender Drache am Schlagzeug, manchmal kaum zu halten. Er belässt es aber auch mal, den Rauch nur durch die Nüstern zu blasen. Es ist schon beeindruckend wie vielseitig er ist, wie er seinen Sound manchmal mit so profanen Hilfsmitteln wie einem Handtusch oder einer Schelle völlig verändern kann. Busch zeigt auf Stücken wie „Skizze I“, dass er Sinn für atmosphärische Collagen hat. Da lässt er auch mal aufbrausende Rockakkorde sprechen, mischt klassische Jazzsounds zu Funk-Fusion-Klängen, die wie aus den 80ern entliehen klingen („Maxi 1“), lässt Burgwinkel über vier Akkorde explodierende Schlagzeugwirbel spielen oder liefert ziemlich freie Gitarrenassoziationen zum großartigen Zusammenspiel von Drum und Bass. Eines ist jedenfalls klar: Die drei lassen sich in keine Jazzschublade packen. Was sie machen, sind Soundtracks für Kopf und Herz.
Der aus New York stammende Trompeter Peter Evans gilt als eine Art Anarchist der Jazzszene, und was er da mit John Hébert am Bass und Kassa Overall am Schlagzeug im zweiten Teil des Jazzfestabend in der Bonner
Brotfabrik ablieferte, das war geradezu ein berauschter Hexenritt durch die sonderbare und völlig aus den Angeln gehobene Bilderwelt des Zebulon Trios. Im Prinzip spielten sie in ihrem etwas mehr als einstündigen Konzert zwei Stücke.
Das Anarchische ist das völlige Negieren von herkömmlichen Mustern. Gleichzeitig gilt bei den Dreien das Prinzip der radikalen Demokratie. Alle sind gleich, nur hin und wieder hat einer eben das Wort. Keine Ahnung, wie die drei bei dem unsagbaren Tempo, mit dem sie ihre Ideen da abfeuern wie chinesisches Feuerwerk, überhaupt kommunizieren. Sie tun es aber, und das ist das unfassbare, dass der Zuschauer den Atem anhält. Überhaupt muss es auch eine kräftezehrende Angelegenheit sein, eine Stunde praktisch durchgehend an der Trompete bis zum Äußersten zu spielen.
Den Abend beginnt Evans mit einem nervösen, geradezu klagenden, Trompetensolo, das praktisch nur aus Doppelnoten besteht, während Bass und Schlagzeug ein sehr filigranes Netz um ihn spannen. Doch Brüche gehören zum Konzept, da knarrt der Bass, da kocht die Trompete wie ein Teekessel, da galoppiert das Schlagzeug. Strukturen verschwimmen und jedes Mal, wenn der Zuhörer glaubt, den Boden unter den Füßen zu verlieren, als würde sich alles auflösen, treffen die Drei zusammen, bauen merkwürdige Gebilde, die nur in Träumen halten können und jagen weiter durch rätselhafte Dimensionen. Hingerissener Applaus!
(Cem Akalin)