Brad Mehldau kommt nach Bonn. Er wird sicherlich das Krönchen auf dem nächsten Jazzfest Bonn bilden, das vom 12. bis 27. Mai 2017 stattfinden wird. Der künstlerische Leiter des Jazzfest, Peter Materna, und Pressesprecherin Anke Steinbeck präsentierten am Mittwoch das Programm. Mehr zum Jazzfest 2017 gibt es hier.
Von Cem Akalin
Er hat einen der unverwechselbarsten Instrumentalstimmen des Jazz und hat sowohl die Möglichkeiten eines klassischen Trios erweitert wie die rhythmischen Chancen des Pianos: Brad Mehldau hat früh Furore gemacht, bereits mit seinem Debüt 1995. Und mit den Jahren hat er sich zu einem der rätselhaftesten, magischsten Musiker des Jazz entwickelt. Im Songbook des Jazz hat er neue Kapitel aufgeschlagen und sie mit Werken von Radiohead, Nirvana, Rolling Stones, Pink Floyd, Massive Attack, Coldplay oder Nick Drake gefüllt.
Jetzt kommt der fabelhafte Pianist nach Bonn. Am 22. Mai tritt er mit seinem Trio in der Bonner Oper auf. Wer ein Ticket für Brad Mehldau haben will, muss sich am 1. Dezember 2017 sputen. Dann startet der Vorverkauf. Drei Jahre habe er daran gearbeitet, Mehldau nach Bonn zu holen, sagte Materna. Und es wird das erste Einzelkonzert beim Jazzfest Bonn.
Der Mann mit den erstaunlichen Händen. Auf „Marthy My Dear“, der DVD zur mehrfach preisgekrönten CD „Live In Marciac“ zeigt die Kamera Mehldaus Hände. Sie sehen irgendwie klein aus. Klein für einen Pianisten. Bei der Aufnahme beginnt die rechte Hand die bekannte Beatles-Melodie zu spielen, doch die Linke spielt nicht etwa eine erwartete parallele Harmonie. Sie schält vielmehr eine lebhafte, absteigende Melodie, die gar nicht der Rechten zu erwidern scheint, aber die Melodie dennoch perfekt ergänzt. Ein paar Takte später formt die Rechte ein paar Variationen der Melodie, während die Linke diesmal Arpeggien aus acht Noten zirkulieren lässt. Wer das beobachtet, kann sich einfach nicht vorstellen, dass ein Pianist solch unterschiedliche Linien so völlig autark voneinander spielen kann.
Als er damals als 25-Jähriger sein Album „Introducing Brad Mehldau“ herausbrachte, wurde er selbst von zurückhaltenden Kritikern als der neue Bill Evans gefeiert. Mehldau indes hörte das nie gerne, weil Evans schlicht keinen Einfluss auf ihn geübt habe. Doch die Kritiker meinten mehr Evans‘ stilbildende Rolle im Jazz. Denn Mehldau gilt ähnlich wie Evans als der wohl einflussreichste Jazzmusiker seiner Generation. „Ich bin nicht gerade verrückt nach seinem Spiel, und ich kann ehrlich gesagt gar nicht verstehen, warum man ihn auf solch ein Podest stellt“, sagte Mehldau mal provozierend.
Tatsächlich sieht sich Mehldau sehr viel stärker von klassischen Komponisten wie etwa Brahms und Thelonious Monk beeinflusst. An Brahms liebe er diese vielen melodischen Linien in den tiefen Registern, sagte er einmal. Und beide hat er immer wieder gerne im Live-Programm. Gut möglich, dass Monk im kommenden Jahr eine größere Rolle spielt. Es ist der 100. Geburtstag des charismatischen Pianisten und Komponisten, der Mehldau auch von der rhythmischen Ausgefallenheit viel näher steht als Evans. Und Art Tatum liebt er wohl auch, weil dieser so viel melodische Substanz aus dem Spiel von Daumen und kleinem Finger erzeugte.
Für den Saxophonisten Joshua Redman, mit dem Mehldau gerade ein fantastisches Duo-Album veröffentlicht hat, ist Mehldau nicht weniger als ein „Genie“. Tatsächlich sieht Redman auch nie besser aus, als im Spiel mit Mehdau. „Nearness“ haben sie bezeichnenderweise ihr Werk genannt. Und das passt hervorragend. Die beiden scheinen sich auf mysteriöse Art zu verstehen, sie kommunizieren jedenfalls auf eine intensive, intime und harmonische Art, die das Album zu einem traumhaften Musikerlebnis macht.
Mehldau verfügt über einen perfekten Anschlag, ein herausragendes Timing, eine flüssige Technik und, wie seine Bandkollegen immer wieder staunend feststellen, ein phänomenales Gedächtnis. Mehldau hat einen sehr eigenen Ansatz, mit Melodien und Harmonien umzugehen, und das ohne auch nur im geringsten angestrengt technisch zu wirken. Mit Bassist Larry Grenadier spielt er ja schon lange, Drummer Jeff Ballard stieß 2004 dazu, nachdem er zuvor Jorge Rossy am Schlagzeug hatte. Das Trio bricht immer aus. Egal, ob sie sich den Blues vornehmen („Blues And Ballads“) oder Standards. Und das tun sie vornehmlich über das Metrum.
Geboren in Florida, aufgewachsen in West Hartford, Connecticut, begann er als 18-Jähriger in New York an der New Scholl for Jazz and Contemporary Music zu studieren – bei Musikern wie Fred Hersch, Kenny Werner und Juior Mance.
Nach seinem Abschluss spielte er mit bekannten Größen wie Jackie McLean und Jimmy Cobb. Entscheidend für seine weitere Karriere und Entwicklung war das Engagement in der Band des ein Jahr älteren, aber damals schon angesagten Joshua Redman. Der Beginn einer langen Freundschaft. „Er hatte diesen Sinn für Souligkeit und Groove und swingt auch noch so unglaublich hart“, sagte Redman mal in einem Interview. „Brad weiß immer was er spielt, er trifft immer die richtigen musikalischen Entscheidungen.“
Was er damit meint, hört man am besten auf „10 Years Solo Live“. Die vier CDs vereinen 300 Minuten Liveaufnahmen, die einfach nie langweilig, nie beliebig werden. Und das Erstaunliche: Nach 300 Minuten will man tatsächlich mehr.