Petter Bergander landet mit seinem ersten Trio-Album einen Volltreffer. Die Züricher Jazz-Combo Ikarus trifft nicht meinen Geschmack.
Petter Bergander: The Grand Dance
Label: Herbie Martin Music (Edel)
Veröffentlichung: 4. November 2016
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Die Skandinavier haben’s irgendwie raus: Und auch Petter Bergander, der aus der schwedischen Kleinstadt Flen südlich von Stockholm stammt, legt mit seinem ersten Album seines Trios ein Werk vor, das alles hat, was ein Dauerbrenner im CD-Player braucht: grenzenüberschreitender Jazz mit Mut zur Eingängigkeit ohne beliebig zu werden, melodische Ideen, die schnell ins Ohr gehen, dramatische Höhepunkte, Rock- und Folkeinflüsse, ein dichtes Triogeflecht, das seine Soundmöglichkeiten ausweitet.
„Ich schrieb die meisten der Songs für dieses Album im Herbst 2012 als ich für einige Monate in Bangkok lebte“, erzählt Bergander über die Entstehung des Albums. „Diese große Stadt ist voller Menschen aus der ganzen Welt. Ich beobachtete sie, wie sie sich miteinander unterhielten und ihre Körper bewegten sich, als ob sie tanzen wollten. Ich begann darüber nachzudenken, was die Menschen wirklich wollen und wonach sie sich sehnen ist andere Menschen zu treffen und ein wenig zu tanzen. Tango mit Worten oder sich einfach miteinander bewegen. Es gab mir den Eindruck, dass wir alle nur Teil des The Grand Dance sind.“
Als Keyboarder von Nils Landgrens Funk Unit oder musikalischer Begleiter der Bluessängerin Louise Hoffsten, der Singer-Songwriterin Amanda Jenssen und vielen anderen gehört Bergander zu den meist beschäftigten Pianisten seiner Heimat und hat schon über diese Verbindungen Zugang zu unterschiedlichen musikalischen Ansätzen. Referenzen an die Musik seines verstorbenen Landsmannes Esbjörn Svensson oder Pat Metheny sind sicherlich gewollt. Neben dem Jazz studierte Bergander auch das afroamerikanische Musikprogramm an der Königlichen Hochschule für Musik in Stockholm, wo er den Bandoneon-Spieler Mikael Augustsson traf. Gemeinsam waren sie Mitglieder von Criminal Tango, einer Gruppe, die argentinischen Tango spielte und durch Schweden und Europa tourte. Mit Kaah taucht er in die schwedische Soul-, R’n’B- und Hip-Hop-Szene ein. Das alles spiegelt sich in dem sehr eleganten Spiel Berganders wider: Klassische Ansätze („One“), das Tänzerische des Tangos („El Encuentro“), Raffinesse und Fusionspiele wie beim Titelstück.
Mit dem Landgren-Kollegen und Schlagzeuger Robert Mehmet Sinan Ikiz und mit Martin Höper am Bass hat er Gleichgesinnte gefunden, die nicht nur in die Vollen hauen können, sondern auch mal pastellfarbene Landschaften entstehen lassen, so wie etwa im wunderschönen „Rapida Mountain“. Uneingeschränkte Kaufempfehlung. (Cem Akalin)
Ikarus: Chronosome
Label: Ronin Rhythm Records
Veröffentlichung: 25.11.2016
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Der Opener „Caliph“ beginnt mit einer ungewissen Sambaartigen Solostimme, ein wenig an Flora Purim erinnernd. Der Vokalpart wird von der Band in komplizierten überlappenden Metern aufgenommen, ändert es im Mittelteil zu starken pulsierenden, recht dramatischen Höhepunkten. Die Züricher Combo Ikarus schafft auf ihrem neuen Album „Chronosome“ mystische Stimmungen trotz gelegentlich brasilianischer Rhythmen. Die Verspieltheit im Rhythmischen, die Intensität des abstrakten Gesangs von Stefanie Suhner und Andreas Lareida ist hingegen bisweilen von unerträgliche Präsenz.
Ikarus besteht außerdem aus Ramón Oliveras (Komposition und Schlagzeug), Lucca Fries (Piano) und Mo Meyer (Bass). Das Quintett zählt als Einflüsse Math Metal, Free Jazz, Elektronika, Pop und neue klassische Musik auf, das sie tatsächlich zu einer eigenen musikalischen Sprache gebündelt haben. „Evocativ Jazz“ nennen sie ihren Stil, in das Minimal Grooves, Polyrhythmen, nordische Soundscapes und Prog Jazz-Ausschweifungen eingearbeitet sind. Fries spielt zwar ein wunderschönes Piano und Meyer einen sehr einfühlsamen Bass, doch der dominierende Gesang übertüncht leider jeden Genuss. Das ist Musik für Freunde des rätselhaften Taktes und der verschrobenen Soundästhetik. (Cem Akalin)