Israel Nash im Kölner Stadtgarten: Ein etwas tapsig tanzender, fleischgewordener Engel

Israel Nash in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Israel Nash im Kölner Stadtgarten. Nichts gegen den Stadtgarten. Ganz im Gegenteil. Für mich einer der besten Musikclubs mit Schwerpunkt Jazz in Deutschland. Aber ich hätte in diesem Jahr erwartet, dass der Wahltexaner mit seinem Indie-Folk-Rock eine größere Halle füllt. Verdient hätte er es. Und die Fans, die am Dienstagabend den Konzertsaal des Stadtgartens füllten, waren hin und weg. Zu recht. Für mich auch eines der Konzerthighlights des Jahres. Ich freue mich schon auf Donnerstag – wenn ich die Band ein zweites Mal in London sehen werde.

Von Dylan Cem Akalin

Israel Nash in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Wow, ist es ruhig im Saal. Brent Cowles und seine Begleitsängerin Heidi Hamill, die als Vorband auftreten, sind sichtlich irritiert, wie ruhig das Publikum zuhört. Das ist nicht selbstverständlich. Man hört konzentriert zu und beklatscht die Künstler nach jedem Song umso engagierter.

Aber es ist klar, dass man wegen Israel Nash hier ist. Aus einer Kakophonie der Instrumente schält sich der Opener seines aktuellen Albums „Lifted“ heraus. Und “Rolling On” ist einer dieser typischen Nash-Songs mit einer stark an Neils Young erinnernden Country und Folk benetzten Rockmelodie. Selbst der Gesang erinnert bisweilen an den Kanadier, obgleich Israel Nash nicht mit so einer näselnden Fistelstimme singt, aber durchaus die hohen Lagen schätzt.

Zur falschen Zeit geboren

Israel Nash ist ein etwas tapsig tanzender, fleischgewordener Engel der Indierockszene. Der Mann mit dem langen, irgendwie ständig herumfliegenden Haar und dem Vollbart erreicht das Publikum beim ersten Akkordschlag. Seine  entrückten Gitarrenklänge, die er aus seiner schneeweißen Gretsch herausholt, sein Gesang, seine Musik, sein ganzes irgendwie unaufgeregtes Erscheinungsbild wirkt, als sei er komplett zur falschen Zeit geboren. Er gehört doch eher in die Galerie von Crosby, Stills, Nash and Young, von Creedence Clearwater Revival und James Taylor. Man könnte ihn sich gut in Woodstock vorstellen.

„Gripka“ ist weg

Roger Sollenberger in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Ich bin ein Mann mit vielen Namen“, singt Israel Nash auf seiner neuen Platte „Lifted“. Es ist eine scheinbar selbstbezogene Anspielung. Der Mann, der urspünglich aus Missouri stammt, hat kürzlich seinen Nachnamen (Gripka) fallen lassen. Und seine jüngste Veröffentlichung, seine fünfte, sei eine intime spirituelle Reinigung, sagt er.

„Lifted“ wurde in seinem Ranch-Heimstudio in der texanischen Stadt Dripping Springs aufgenommen und ist eine Mischung aus angenehmen Melodien, funkelnden Harmonien und glasigen Lead-Vocals, die an John Fogerty und  Neil Young erinnern.

Rauschende Gitarrensoli

Brent Cowles und Heidi Hamill in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Die Stimmung seiner Musik liegt an diesem Abend irgendwo zwischen Youngs Harvest-Phase, Heather Nova, Giant Sand in einer verbindlicheren Art und CCR, manches erinnert an dieses scheppernde Pathos von „Words“ oder „Alabama“, die Akkorde flattern metallisch wie bei Giant Sand, die Steel Guitar streicht über den Horizont wie flirrendes Wüstenlicht. Nash spielte eine Reihe alter Favoriten wie „LA Lately“ und neue Stücke wie „Northwest Stars (Out of Tacoma)“. Und jedes Lied klingt wie ein Tanz auf dem Kornfeld, irgendwie intensiver noch als auf den Platten. Rauschende Gitarrensoli und erweiterte Vocals machten „Mansions“ zu einem Highlight der Nacht.

Zur Zugabe gab es ein  Cover von Crosby, Stills, Nash und Youngs Song „Ohio“. Das Lied wurde ursprünglich 1970 als Reaktion auf die Erschießungen in Kent State aufgenommen und fühlte sich heute immer noch relevant an. Er erinnerte das Publikum daran, weiter „wach zu bleiben“. Wäre man gerne – mit ihm. Die Fans hätten ihm und seiner Band gerne noch länger zugehört.