Interview mit Laura Cox über ihr neues, sehr persönliches Album „Head Above Water“

Laura Cox in der Harmonie Bonn 2020 FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Mit „Head Above Water“ hat die aus Paris stammende Sängerin und Gitarristin Laura Cox ein reifes und abwechslungsreiches neues Album herausgebracht. Ihr drittes Album enthält elf großartige Rocksongs voller Energie, die auch eine sehr persönliche und verletzliche Seite der 32-Jährigen zeigen. Aufgenommen wurde „Head Above Water“ in den ICP Studios in Brüssel von Erwin Autrique – gemastert vom mehrfachen GRAMMY-Gewinner Ted Jensen (Eagles, Norah Jones, Green Day). Laura Cox ist im März auf Tour, unter anderem auch wieder in Bonn (Daten unten). Ich spreche mit ihr über Zoom.

Von Dylan Cem Akalin

Mein erster Eindruck: Ihr neues Album „Head Above Water“ ist musikalisch reifer und vielschichtiger. Der Einstieg mit dieser sägenden Gitarre in „Set Me Free“ ist atemberaubend. Wie siehst du das? Was war deine musikalische Intention bei diesem Album?

Laura Cox: Ich wollte etwas anderes machen, etwas, das weniger hart als die vorherigen Alben ist. Es sollte natürlich sein und aus mir herauskommen. Ich habe aufgehört, auf mein Team zu hören und gemacht, was ich selbst wollte. Es ist auch etwas Country-beeinflusst, etwas leichter. Ich bin sehr glücklich mit dem Ergebnis. Denn es klingt nach mir.

Immerhin singst du auch, dass du weiser und etwas älter, auch etwas klüger und stärker geworden bist. Das klingt danach, als wärst du in eine neue Lebensphase eingetreten? Was hat sich geändert?

Cox: So ist es tatsächlich. Es begann mit den Lockdowns, die mir viel Zeit gegeben haben, über mich nachzudenken. Darüber woher ich komme und wohin ich wollte. Diese Lockdowns haben mir gutgetan, weil sie mich zum Nachdenken gebracht haben und ich dann wusste, welchen Weg ich wirklich einschlagen wollte. Und ja: Ich werde mit jedem Jahr älter und weiser, und ich denke nicht mehr nur über mich selbst nach oder die Rockmusik. Ich nehme das, was um mich herum geschieht, was auf der Welt passiert, viel bewusster wahr. Themen wie der Klimawandel oder Feminismus haben mich auch vorher interessiert, aber ich bin diesen Themen gegenüber aufgeschlossener.

Neues Album: Laura Cox

Das Cover ist sehr gelungen. Auf dem Titelcover siehst du aus, als wäre es eine Animation oder eine produzierte bunte Figur, die man sich aufs Armaturenbrett im Auto oder ins Regal stellt. Und dann stehst du auch noch auf einem Podest. Was ist der Hintergrund zu dieser Covergestaltung?

Cox: Anfänglich wussten wir nicht so recht, in welche Richtung es gehen sollte und wir haben ein wenig herumprobiert. Als wir die Bilder dann durchschaut haben, fanden wir, dass dieses Bild herausstach. Ich habe die richtige Pose, die Körperhaltung ist einfach und natürlich, aber auch modern, auch was die Farben betrifft.

Was mir übrigens auch aufgefallen ist: Du hast auf allen Bildern so einen traurigen Gesichtsausdruck.

Cox: Oh, findest du?

Ja, Fröhlichkeit sieht anders aus? Was war los?

Cox: Ich wollte einfach natürlich aussehen, nicht immer nur lächeln. Ich wollte nicht zu ernst, aber auch nicht lächelnd rüberkommen. Vielleicht ist dieses Traurige einfach mein normaler Gesichtsausdruck! (lacht)

Tatsächlich sind die Texte nachdenklicher.

Cox: Mag sein…

Einige Songs könnte man als Überlebenslieder bezeichnen. Stimmst du mir zu?

Cox: Ja, es geht mehr darum, zu mir selbst zu finden, mit mir selbst zufrieden zu sein. Ich finde, es ist ein positives Album mit positiven Botschaften. Es ging mir zum Beispiel darum, zu sagen: Natürlich gibt es in deinem Leben gute und schlechte Momente, aber alles wird gut… Du musst kämpfen. Ich wollte ein lebenbejahendes Album machen.

Laura Cox FOTO: LeTurk

Im Titelstück „Head Above Water“ geht es darum, dass das Leben sehr viel mehr ist als Rock ‚n‘ Roll. So wie du es ja eben selbst angemerkt hast. Der Rat, seinen Kopf immer schön über Wasser zu halten, kommt von jemandem, der selbst immer vor sich selbst weggelaufen ist. Trifft das auf dich zu?

Cox: Bevor ich diese Lyrics während der Pandemie geschrieben habe, drehte sich mein ganzes Leben nur um Rock ‚n‘ Roll. Ich war die ganze Zeit auf Tour, ich lebte in meiner eigenen Bubble, in der ich mich um nichts scherte, außer die Musik. Und ich der Zeit der Pandemie wurde mir bewusst, dass es da noch sehr viel mehr zu entdecken gibt, dass das Leben nicht nur Rock ‚n‘ Roll ist, auch wenn es einen großen Teil dessen ausmacht, was ich bin.

„So Long“ ist solch ein Überlebenssong. Ein Lied von jemandem, der sein Leben zurückgewonnen hat.

Cox: Genauso ist es!

Auch da geht’s darum, dass die Träume einen manchmal runterziehen können und das Leben auch dunkle Seiten hat. Ist das ein persönlicher Song?

Cox: Ja, es geht darum, sich selbst zu entdecken und sich nicht nur nach der Meinung der anderen zu richten. Und genau in dieser Situation bin ich gewesen. Ich erkannte, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und endlich die Führungsrolle in meinen eigenen Projekten zu übernehmen. Und genau um diesen Prozess geht es in dem Song.

Du hast ja eben richtig gesagt, dass die Pandemie für viele von uns die Chance ermöglichte, mal über sich zu reflektieren. Hast du dabei Seiten von dir entdeckt, die dich selbst überrascht haben?

Cox: Überrascht nicht, aber das Nachdenken hat mich ein wenig verändert. Es hat beispielsweise dazu geführt, dass ich mir sehr viel mehr Gedanken über Umweltfragen und den Klimawandel mache.

Auf dem Hellfest: Laura Cox FOTO: Gwenda_Le_Flem

Warst du während der Pandemie in Paris?

Cox: Zeitweise, aber ich war vor allem in Portugal, in der Nähe vom Meer, wo ich die meisten Songs geschrieben habe.

„One Big Mess“: Da hat die Gitarre eine Dynamik eines Pete Townsend… worum geht es in dem Song? Was haben die Leute Angst zu sehen?

Cox: Stimmt, das ist eines der wenigen härteren Songs. Und es geht darum, dass die Leute schon wissen, dass die Welt auseinanderbricht, wenn wir nichts unternehmen, sie aber dennoch die Augen davor verschließen. Aber es geht auch darum, den Augenblick zu leben und zu genießen. Wir vergessen das zu oft. Zum Gitarrensound: Die Einstellungen an meinem Verstärker habe ich gar nicht verändert, der Ausdruck kommt aus dem Rhythmus. Ich habe an meiner Technik nichts verändert, aber die Saiten schlage ich auf diesem Stück viel härter an. Dadurch entsteht der Eindruck, den du beschreibst.

„Old Soul“ hat das Zeug für einen Radiohit oder einen Soundtrack. Ein tolles Stück Songwriting. Meine erste Assoziation war, an deine alten YouTube-Videos zu denken. Das Video „Sweet Home Alabama“, etwa vor zehn Jahren von dir eingespielt, hat mittlerweile zehn Millionen Clicks. Und einer schreibt darunter: „Young lady, I’m 71 years old from Alabama and I know for certain that Lynyrd Skynyrd would be proud of you and this cover!“ Wie kommt eine 23-Jährige dazu, solche alten Klassiker zu spielen?

Cox: Das kam sicherlich durch meine Eltern, die wirklich richtig richtig gute Musik gehört haben. Sie waren keine Musiker, aber ich war immer umgeben von guter Musik von Lynyrd Skynyrd, Dire Straits, AC/DC, Johnny Cash… das hat mich dazu gebracht, mit dem Gitarrespielen anzufangen. Das hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.

Was gefällt dir an diesen alten Rockstücken? Ist es Nostalgie? Was bewunderst du an diesen alten Bands?

Cox: Es ist echt, original. Du hörst diese Klarheit der Instrumente, der Charme des Ursprünglichen. Es ist eben anders als die Musik von heute, die vielfach ihre Seele verloren hat.  Alte Musik hat eine Seele.

Laura Cox FOTO: Frederic Bui

Der Einsatz des Banjos gefällt mir sehr gut. Zum Beispiel auf „Before We Get Burned“. Der ganze Song hat eine Menge Southern Rock, etwas Country-Feeling drin. Er hat ein bisschen etwas Willie Nelson. Ist es ein Lied über jemanden, der seinen Weg verloren hat?

Cox: Ja, ja. Ich liebe Willie Nelson wirklich sehr, wenn auch ich ihn nicht im Sinn hatte, als ich den Song geschrieben habe. Ich wollte einen energischen Bluegrass-Rhythmus haben… Du kannst den Song auf unterschiedliche Weise interpretieren. Der Song kann viele Leute ansprechen. Du sprichst mit einem Freund, einer Geliebten, der sagt, dass er oder sie dich auf deinem Weg unterstützt… Es war der allererste Song, den ich für dieses Album geschrieben habe.

Auf „Seaside“ hat klingt das Banjo mit dem Hall, als käme es aus der Finsternis. Dieser Song drückt alles aus, was ich auf den Bildern in deinem Gesicht lese. Erzähl uns bitte etwas über diesen Song. Wie ist er entstanden?

Cox: Den habe ich zu Hause während des Lockdowns schrieben. Vielleicht war ich in einer düsteren Gemütslage (lacht). Ich wollte einfach keinen richtigen Rocksong schreiben. Ich wollte Banjo spielen, mit Effekten auf der Gitarre experimentieren, und da entdeckte ich diese besondere Atmosphäre. Sie sprach mich an und hat mich selbst verzaubert. Der Song ist melodisch, er ist dunkel, langsam und anders als die anderen Songs auf dem Album. Aber ich finde, er hat seine Berechtigung, drauf zu sein.

Das sind, wie gesagt, viele Songs, die deine zerbrechliche Seite zeigen. „Fever“ ist wieder so ein Badass-Song. Und „Swing It Out“ ist auch solch ein Song, der aussagt: Ich tanze auf Euren Gräbern!

Cox: (lacht) Ja, ich liebe diese beiden Stücke sehr. Die Instrumentierung und Riffs sind von meinem Gitarristen Mathieu (Albiac), der rockiger drauf ist als ich. Aber die Texte sind von mir. Es hat viel Spaß gemacht, sie aufzunehmen. Ich brauchte unbedingt zwei solcher Songs auf dem Album.

„Glassy Days“ ist wieder eine wunderschöne Ballade mit einer super klingenden Gitarre, ein Sehnsuchtslied nach den leichten, unbeschwerten Tagen?

Cox: Auf diesem Stück habe ich auf einer Lap-Steel-Gitarre gespielt. Der Sound ist erwartungsvoller. Nur Gesang und Lap-Guitar. Wir haben diese Tradition, jedes Album mit einer Ballade zu beenden.

Laura Cox FOTO: Gwenda_Le_Flem

Zuletzt: Auf dem Cover klebte ein Button „Fifty percent english, fifty percent french…“ Ich habe französische Texte erwartet…

Cox: Nein, es ging um mich, weil meine Mutter Französin, mein Vater Engländer ist…

Das habe ich dann auch erkannt. Wie steh es mit französischen Texten?

Cox: Ich sehe mich nicht wirklich mit französischen Texten. Es ist richtig schwer, französische Lyrics mit Rock zu verbinden. Französische Rocktexte sind entweder poetisch, politisch oder klagend (lacht). Es geht nicht einfach nur darum, Spaß zu haben. Zudem sind meine Einflüsse alle aus dem englischsprachigen Raum. Das fühlt sich für mich einfach natürlicher an. Ich will nicht sagen, dass ich nie französische Texte schreiben will. Aber nicht zurzeit.

Was sagt dein englischer Vater zu den Texten?

Cox: Er hat sie noch nicht gehört (lacht).

Warum?

Cox: Ich wollte mein eigenes Ding machen. Er hat mir ja auch nie Englisch beigebracht mich. Ich wollte es einfach ganz alleine tun.

Laura Cox auf Tour:

Di           21.03.2023         Bensheim (Musiktheater Rex)

Fr           24.03.2023         Bonn (Harmonie)

Sa           25.03.2023         Dortmund (Musiktheater Piano)

So          26.03.2023         Hamburg (Knust)

Di           28.03.2023         Berlin (Frannz Club)