Rory Gallagher gehört zu jenen Gitarristen, bei denen man bei jedem Hören der Alben immer wieder etwas Neues entdeckt. Der irische Gitarrist ist Kult, ja, doch er gehört gleichzeitig zu den unterschätzten Musikern. Seit dem frühen Tod von Rory Gallagher im Jahr 1995 gab es mehr als ein paar posthume Audio- und Videopakete, die dem produktiven Schaffen des verstorbenen Bluesmanns gewidmet waren. Jetzt erscheint „Deuce: 50th Anniversary Deluxe Edition“, das zweite Soloalbum als Edelversion mit vielen Bonustracks und aufwendigem Booklet. Selbst in der einfachen Version, die mir vorliegt, bekommt man neben frischem Mix noch jede Menge zusätzliches Material, darunter auch ein paar Liveaufnahmen von Radio Bremen.
Von Dylan Cem Akalin
„Deuce“ knüpfte Ende 1971 an Gallaghers ausgezeichnetes Debütalbum aus dem gleichen Jahr an. Das Album bietet Bluesrock im Power Trio-Format mit einigen Songs, die später zum festen Repertoire seines Live-Sets wurden, dennoch gehört es nicht unbedingt zu den Lieblingsalben der Fans. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass das Album viele Facetten hat, es ist nicht immer eindeutig Bluesorientierter Rock, Gallagher spielt da auch mit Elementen von Folk, Klassik und Jazz.
Das Ursprungsalbum hat Martin Dubka remixt und Frank Arkwright in den Abbey Road Studios gemastert, was dem Sound von Gallagher, seines Bassisten Gerry McAvoy und dem Schlagzeuger Wilgar Campbell gutgetan hat. Im Vergleich zu der erweiterten Neuauflage von 1999 und der elf Jahre später erschienenen Gegenstückveröffentlichung (mit leicht veränderter Titelfolge) ist der Ton tatsächlich besser. Eine Überproduktion wurde bewusst vermieden, der wohl von Gallagher gewünschte etwas trockene Sound ist vielleicht sogar noch etwas besser herausgearbeitet worden, sodass die Unmittelbarkeit der Gesamtwirkung bleibt. Bei „I’m Not Awake Yet“ hat man fast das Gefühl, man sitzt mit im Studio. Fantastisch.
Nicht nur für Fans ist sicher der Prozess interessant, eine akzeptable Version zu finden. Gallagher arbeitete sich an allzu zweckmäßigen und formelhaften Passagen vorbei, um beispielsweise zum gewählten Take von „Used To Be“ zu gelangen. Und der Prozess, den er mit der Rhythmusgruppe durchführte, war nicht mehr oder weniger akribisch, um die Version von „There’s A Light“ und „Crest Of A Wave“ zu bekommen, die ihm offenbar vorschwebte.
Neben bislang unveröffentlichten alternative Takes gibt es auch ein paar Live-Aufnahmen – je nach Version. Zum BBC Radio „In Concert“ aus dem Jahr 1972 mit sechs Songs kann ich nichts sagen, in meiner Version sind sieben Radio-Session-Tracks von Radio Bremen enthalten. In einer Edition gibt es wohl auch ein 64-seitiges Hardcover-Buch mit einem Vorwort von Johnny Marr von The Smiths, unveröffentlichten Bildern des verstorbenen Mick Rock, Essays und Erinnerungsstücken von der Albumaufnahme. Die 2CD und 3LP sind gekürzte Versionen der Deluxe-Box, darüber hinaus gibt es noch eine spezielle D2C 1LP von „BBC In Concert – Live at The Paris Theatre, 13 January 1972“.