Immer noch laut und wild: Stiff Little Fingers. Les Négresses Vertes eröffnen den Abend

Jake Burns von Stiff Little Fingers FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Älter sind sie geworden, leiser nicht. Stiff Little Fingers waren schon ewig lange nicht mehr in unserer Region. Entsprechend groß war der Andrang am Samstag im Palladium Köln, wo sie gemeinsam mit Les Négresses Vertes die New Model Army supporteten. Die energiegeladenen Pop-Punk-Perlen feiern ihr 40-jähriges Bestehen. Als sie 1991 beim Bizarre Festival in Gießen auftraten, hätte er nicht gedacht, dass er fast 30 Jahre später nochmal hier spielen würde, sagte Frontmann, Sänger und einzig verbliebenes Gründungsmitglied Jake Burns. Immerhin gehört aber auch Bassist Ali McMordie zur Garde der ersten Stunde.

Von Dylan Cem Akalin

Steife kleine Finger nannten sie sich — nach einem Song der Vibrators, einer der Punk-Pioniere aus London.  Dass die fetten, aber Klaren Riffs von „Go For It“ vom Band kamen, irritierte mich am Anfang zwar. Aber es war nur sowas wie die Fanfaren zur Ankündigung der nordirischen Punkrocker, die dann gleich mit „Roots, Radicals, Rockers & Reggae“ in die Vollen gingen.

Es ist wirklich interessant, dass Stiff Little Fingers wieder richtig erfolgreich sind. Sie füllen mittlerweile locker mittelgroße Hallen. Der Punkrock scheint also wieder voll da zu sein. Und so voll habe ich das Palladium bei einer Vorband zu New Model Army auch noch nicht gesehen. Entsprechend euphorisch wurde die Truppe aus Belfast begrüßt.

Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Stiff Little Fingers spielten ein schönes Set, wenn auch ich Songs wie „Guilty As Sin“, ein starkes Stück  über Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche, vermisst habe. Höhepunkte waren für mich „Barbed Wire Love“ und die Bob Marley-Nummer „Johnny Was“.  Dennoch: Die Show war gespickt mit genug Klassikern, die tief im Bewusstsein der älteren Punkrock-Generation stecken (insbesondere in ihrer nordirischen Heimat). Songs wie „Suspect Device“, „Tin Soldiers“, „Wasted Life“ und „Nobody’s Hero“ zeigen die Kraft der Band. Aber auch neue Songs wie „16 Shots“, den Burns wohl in seiner Wahlheimat Chicago (wo er seit gut 15 Jahren lebt, geschrieben hat, zeugen vom politischen Selbstverständnis der Fingers, die nie Angst davor hatten, unbequeme Theman anzugehen. Und das ist auch bei dem neuen Song „16 Shots“ der Fall, der die Geschichte von Laquan McDonald erzählt, einem 17-jährigen schwarzen Jugendlichen, der von der Chicagoer Polizei getötet wurde.

Bei „State of Emergency“ drehen die Gitarren so hoch, dass sich Burns‘ Stimme fast überschlägt, und wenn SLF einen Liebessong ankündigen, dann wird es auch kein bisschen leiser, auch wenn es zum Ende von „Barbed Wire Love“ ein wenig Doo Wop gibt.

„Breakout“ sei der erste Song gewesen, den er überhaupt für die SLF geschrieben habe, so Burns. Da klingt sein Gesang ein wenig nach dem wilden frühen Meat Loaf.

„Alternative Ulster“, sowas wie ein Protest- und Freiheitssong, geht einem immer noch ganz schön unter die Haut. Oder die bittere Anklage „Tin Soldiers“, über den 17-Jährigen, der sich dem Willen des Vaters beugt und in die Armee geht und mit 21 merkt, dass aus Zinn kein Gold zu machen ist. Mit „Gotta Gettaway“ beendet die Band ihr Set, ein Stück aus den frühen Jahren, der die alltägliche Aussichtslosigkeit und Ödnis im Alltag seiner Jugendjahre schön beschreibt. Mit der Musik habe er einst begonnen, weil es in Belfast so wahnsinnig langweilig gewesen sei, erzählt Burns in Interviews. Es gab nichts, was man machen konnte. Aufgrund der Ausgangssperre, schlossen die meisten der Kneipen, Konzerte gab es so gut wie keine. Was lag also näher, als sich selbst zu versuchen? Sich selbst auszudrücken und all das auszuspucken, was einem auf der Seele lag? Die schöpferische Wildheit des Punks war das Ergebnis.

Les Négresses Vertes

Davor spielte die französische Kultband Les Négresses Vertes mit nostalgischer Frische, die in der Tat unglaublich ist. Les Négresses bringen Sonnenschein mit ihren französischen Liedern, die von einer nahen und fernen Vergangenheit zu erzählen scheinen. Sie gehören zu den originellsten, verspieltesten und rhythmischsten Bands aus Frankreich. Les Négresses Vertes sind sowas wie Punks in Kostümen mit ihrer Mischung aus Rock, Chanson und Weltmusik – und passen daher wirklich gut in diesen Abend.

Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Nachdem sie der Pariser U-Bahn und dem Flohmarkt von Marché aux Puces de Saint-Ouen in Paris entwachsen sind, ging es für Négresses Vertes schnell bergauf. Das änderte sich plötzlich mit dem Tod ihres charismatischen Frontmanns Noel „Helno“ Rota, der im Januar 1991 an einer Überdosis Heroin starb. Der Aufstieg wurde dann zwar zunächst gestoppt, aber die Freude an Musik und Leben der Bandmitglieder nicht.

Die Leidenschaft ist immer noch da, das Feuer, die Akkordeonmelodien, die südlichen Gitarrenrhythmen und das Posaunen- und Trompetenspiel, was sie so einzigartig macht. Das erste, aber auch das zweite Album war voller realistischer und dunkler pessimistischer Songs, trotz der fröhlichen Folk-Sounds. Sozusagen sowas wie ein geniales Paradoxon.

Das fröhliche Voilà l’Été ist dagegen Sonne pur, ein Klassiker und nicht nur für die Liebhaber des französischen Chansons. Paolo am Gesang und mit seiner kleinen Ukulele schaffte es, jedem Lied noch ein weiteres Leben zu geben. Die Trompete und Posaune von Sirinix und Twist sowieso. Wir hören noch eine Ode an die Liebe, die umgeben ist von einem Sumpf – und jede Menge Songs voller Begeisterung. Ein guter Start in einen starken Abend.

Noch mehr Fotos von Les Négresses Vertes und Stiff Little Fingers

Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Les Négresses Vertes in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers in Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jake Burns von Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Jake Burns von Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stiff Little Fingers FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski